# taz.de -- Adél Onodi über trans Schauspieler:innen: „Geschlecht ist nicht… | |
> Die Schauspielerin Adél Onodi lebt in Berlin und bekommt als trans Frau | |
> nur selten cis Rollen angeboten. Und trans Rollen seien oft klischeehaft. | |
Bild: Onodi auf der Premiere der dritten Staffel von „Wir sind jetzt“ | |
taz: Adél Onodi, Sie spielen im Netflix-Film „Rumspringa“ eine cis Frau, in | |
der RTL-II-Serie „Wir sind jetzt“ spielen Sie eine trans Frau. Besteht für | |
Sie ein Unterschied zwischen cis und trans Rollen? | |
Adél Onodi: Nein, weil trans Frauen Frauen sind. Zwischen uns gibt es keine | |
Unterschiede. Die deutsche Filmindustrie ist noch sehr veraltet. Wir nennen | |
es ein modernes, westliches Land, aber noch immer bekommen [1][trans | |
Schauspieler:innen] sehr wenige Rollen. Ich habe leider schon oft | |
Klischee-Trans-Rollen angeboten bekommen, die nicht gut geschrieben waren. | |
Woran machen Sie fest, dass eine trans Rolle nicht gut geschrieben ist? | |
Ich erinnere mich an ein Casting, bei dem es um eine trans Rolle ging. Im | |
Grunde war die Message hinter der Rolle: Die Figur war erst ein Junge, | |
heute ist er eine Frau. So was sagt man einfach nicht, wenn man sich auf | |
eine trans Person bezieht, die ihre Transition bereits hinter sich hat. | |
Außerdem stand im Skript: „Sie sieht aus wie ein Mädchen.“ Wer würde so … | |
über eine cis Frau schreiben? | |
Haben Sie sich um die Rolle beworben? | |
An dem Casting habe ich selbstverständlich nicht teilgenommen. | |
Finden Sie es richtig, dass trans Figuren in Filmen und Serien immer auch | |
mit Schmerz verbunden sind? In der Serie „Pose“ werden zum Beispiel die | |
Geschichten der Figuren stets begleitet von Armut, Krankheit und | |
Ausgrenzung. | |
Wir können nicht so tun, als wäre alles rund um trans Identität heiter. Die | |
Gesellschaft verhindert, dass es so sein kann. Wahrscheinlich wären die | |
Charaktere in „Pose“ glücklich, wenn sich die Gesellschaft nicht andauernd | |
an ihnen abarbeiten würde. Unsere Reise ist nichts ausschließlich | |
Glückliches. Wir können nicht so tun, als sei alles ein toller, bunter | |
Regenbogen. | |
Ist jede trans Rolle besser als keine trans Rolle? | |
Es ist gut, dass Sichtbarkeit geschaffen wird. Und es ist gut, dass trans | |
Schauspieler:innen in solchen Filmen und Serien Rollen bekommen. Denn | |
sie haben leider meistens immer noch keine Wahl, außer trans Rollen zu | |
spielen. Oft sind das zudem Rollen, die vor oder während der Transition | |
des:der Protagonist:in spielen. Geschichten, die nach der Transition | |
beginnen, kommen eher selten vor. Meist kommen transgender | |
Schauspieler:innen erst dann an cisgender Rollen, wenn sie vorher schon | |
mal eine trans Rolle gespielt haben. | |
Trans Rollen sind oft ihre einzige Chance, in das Business einzusteigen. | |
Auf diesem Weg hat es zum Beispiel die US-Schauspielerin [2][Laverne Cox] | |
geschafft. Erst später hat sie dann cis Rollen bekommen. Nur ganz langsam | |
kommt die Branche dahin, dass auch wir selbstverständlich cis Rollen | |
spielen dürfen. Ich habe aktuell in Deutschland wenige Anfragen für solche | |
Rollen, wohingegen ich im Ausland öfter auch für Hauptrollen gecastet | |
werde. | |
Wie äußert sich Diskriminierung hinter den Kameras? | |
Das fängt bei der Bezahlung an. Die Hierarchie sieht so aus: Erst kommen | |
die cis Männer, dann die cis Frauen, dann die trans Frauen. Viele | |
Filmemacher:innen zahlen wenig oder gar nicht, mit der Begründung: Wir | |
geben dir hier einen Platz – du solltest dankbar sein. | |
Wie fühlen Sie sich inmitten dieser Filmbranche? | |
Als seien wir noch ganz am Anfang. Die Filmindustrie schöpft unsere Storys | |
nicht genügend aus. Viele Filmemacher:innen denken, wenn sie eine | |
einzige Produktion über trans Personen machen, reicht das für die nächsten | |
20 Jahre. Ich verstehe nicht, warum wir immer wieder nur über hetero-cis | |
Storytelling sprechen. Ich sage nicht, dass Geschichten sich nur noch um | |
LGBTQIA+ drehen müssten. Es geht darum, uns trans Menschen mehr Chancen zu | |
geben. Die Welt ist diverser und bunter. Wir sollten jede Farbe zeigen. | |
Welche guten Erfahrungen haben Sie mit Rollen gemacht? | |
Ich war sehr froh, in der RTL-II-Serie „Wir sind jetzt“ mitspielen zu | |
können, weil die ganze Geschichte sich um eine Transition dreht. Das ist | |
wichtig, um aufzuklären. Ich lebe in Berlin, alle sagen, es sei so | |
weltoffen hier, aber ich lerne immer noch Menschen kennen, die nicht mal | |
wissen, was „trans“ bedeutet. Toll bei „Wir sind jetzt“ ist auch, dass … | |
Charakter eine trans Frau ist, die ihre Transition bereits hinter sich hat. | |
Sie tritt als eine Art große Schwester für eine andere Figur auf. Diese | |
Rolle ist schön, weil sie zeigt, dass ein glückliches Leben nach der | |
Transition möglich ist. | |
Wie sollten Filmemacher:innen sich weiterbilden, bevor sie eine trans | |
Rolle schreiben? | |
Sie sollten sich tiefgründig mit der Thematik beschäftigen. Das Problem | |
ist, dass das eigene Wissen oft nur an der Oberfläche kratzt. Aber | |
Geschlecht ist nicht oberflächlich. Ich wurde mit einer weiblichen Seele | |
geboren und habe den falschen Körper bekommen. Das habe ich korrigiert, | |
weil ich das so wollte. Deswegen wäre es besser, über eine trans Person zu | |
sagen: „Sie hatte den falschen Körper, aber jetzt ist alles okay. Jetzt ist | |
sie sie selbst.“ Solche kleinen Formulierungen können schon sehr gut tun. | |
Oder eben sehr schmerzen, wenn sie falsch sind. Wenn in einer Produktion | |
ein trans Rolle vorkommen soll, müssen die Verantwortlichen mit | |
einem:einer Berater:in sprechen, der:die selber trans ist. So kann | |
Verletzungen vorgebeugt werden. | |
Was würden Sie machen, wenn Sie Filmemacherin wären? | |
Ich arbeite aktuell mit meiner Agentin an einer eigenen Filmidee. Es geht | |
um eine trans Frau nach ihrer Transition, um ihr Dating-Leben. Sie trifft | |
zufällig einen Mann in einem Hotel und die beiden verlieben sich | |
unsterblich ineinander. Aber dann kommt raus, dass sie trans ist. Sie hat | |
es ihm nicht selbst gesagt. Viele Leute sagen, man sei verpflichtet, davon | |
zu erzählen. Aber das stimmt nicht! Es ist meine Entscheidung, ob ich es | |
erzählen will. Ein Kernthema des Filmentwurfs ist auch, wie hart es ist, | |
wenn man als trans Frau nach einer Beziehung mit einem Mann sucht. Denn | |
[3][viele Männer gehen nicht gut mit der trans Identität ihrer | |
Partner:innen um]. Eine richtige Beziehung, also mehr als Sex, schließen | |
viele im Voraus schon aus. | |
Wie fühlt es sich für Sie an, eigene Ideen umsetzen? | |
Ich mag es sehr, als trans Frau Geschichten über trans Frauen zu | |
erschaffen. Es ist wichtig, dass diese Perspektive auch in den | |
Schaffensprozess eingebunden wird. Wenn ich eine Geschichte über ein | |
blondes Mädchen schreibe, würde ich auch erst mal mit einem blonden Mädchen | |
sprechen und sie fragen, wie sie sich fühlt. Wenn ich diese Rolle schreibe, | |
ohne sie vorher zu fragen, wäre das dumm. Dasselbe gilt für trans Rollen. | |
Erst, wenn man die trans Perspektive einbezieht, ist die Rolle authentisch. | |
30 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] /TransPersonen-auf-IMDb/!5615572 | |
[2] http://www.theguardian.com/film/2021/feb/14/laverne-cox-interview-trailblaz… | |
[3] /Kolumne-Lost-in-Translation/!5553660 | |
## AUTOREN | |
Anna Meyer-Oldenburg | |
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