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# taz.de -- Streit über Coronabonds: Tausend Ökonomen gegen Merkel
> Ökonomen aus ganz Europa fordern Coronabonds. Sie sehen Gesundheit und
> Leben von Millionen Bürgern „existenziell bedroht“.
Bild: Alles wegen Corona: leere Straßen in der südspanischen Stadt Ronda
Berlin taz | Der Druck auf die Bundesregierung steigt, dass sie Coronabonds
zustimmt. Denn sie hat kaum Verbündete in der Wissenschaft. Die meisten
Ökonomen sind eindeutig dafür, gemeinsame europäische Staatsanleihen
aufzulegen, um die Kosten der Epidemie zu bewältigen. Dabei bilden sich
ganz neue Allianzen: Schon mehrfach haben neoliberale Ökonomen und
Keynesianer gemeinsame Papiere verfasst, um Coronabonds zu fordern.
Nun wird ein neues Instrument ausprobiert: Seit dem Wochenende kursiert
unter den Ökonomen ein offener Brief, den bereits mehr als 1.000 Experten
aus ganz Europa unterschrieben haben. In ihrem Text werben sie für
„European Renaissance Bonds“, wie sie die Coronabonds nennen. Denn die
Ökonomen fürchten, dass es demnächst zu einer neuen Eurokrise kommen
könnte, die aber „unvergleichlich schlimmer“ wäre als die Verwerfungen der
Jahre 2010 bis 2012.
Aus Sicht der Ökonomen kann es nicht funktionieren, dass jedes Land seine
Corona-Kosten allein stemmt, indem es separate Kredite aufnimmt und dafür
eigene Staatsanleihen ausgibt. Denn die Corona-Kosten sind so immens, dass
die öffentlichen Haushalte in allen Ländern in extreme Defizite rutschen
werden – auch in Deutschland. „Die Bundesrepublik ist als Exportnation
sogar besonders gefährdet“, warnt Finanzökonomin Doris Neuberger, die den
offenen Brief unterzeichnet hat.
Die Ökonomen fürchten, dass es zu einem Teufelskreis kommt: Wenn die
Staatssschulden explodieren, steigen auch die Zinsen, weil die Investoren
„Risikoaufschläge“ verlangen. Ländern wie Italien, Spanien oder
Griechenland könnte also schlicht das Geld ausgehen, um die Epidemie und
ihre Folgekosten zu bekämpfen. Diese Not kann den [1][europäischen
Nachbarn] jedoch nicht egal sein, denn auch sie wären gefährdet, wenn das
Virus weiter grassiert und ganze Länder im Elend versinken. Die Ökonomen
warnen: „Gesundheit und Leben von Millionen Bürgern sind existenziell
bedroht.“
## Bundesregierung setzt auf ESM
Kanzlerin Merkel und SPD-Finanzminister Scholz hingegen setzen lieber auf
den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), um Ländern wie Italien oder
Spanien beizustehen. Der ESM ist ein Rettungsschirm, der 2012 in der
Eurokrise aufgespannt wurde und der bis zu 410 Milliarden Euro an Krediten
vergeben könnte.
Doch die Ökonomen warnen davor, ESM-Gelder anzuzapfen. „Länder wie Italien
oder Spanien würden stigmatisiert“, fürchtet Finanzökonomin Neuberger. „…
bei einem Rettungsschirm anklopfen muss, wird automatisch als offizieller
Pleitekandidat gebrandmarkt. Die Risikoaufschläge würden erst recht
steigen.“ Coronabonds hingegen hätten den Charme, die Spekulation auf den
Finanzmärkten auszuhebeln: „Die Investoren könnten nicht mehr einzelne
Euroländer gegeneinander ausspielen, weil es ja nur noch ein Papier gäbe.“
Neuberger ist „verhalten optimistisch“, dass es tatsächlich zu Coronabonds
kommen könnte: „Es ist bemerkenswert, dass sich selbst konservative
Ökonomen dafür einsetzen.“
[2][Inzwischen bröckeln die Fronten auch in der Union].
CDU-Vorstandsmitglied Elmar Brok sagte der Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung, „dass wir uns angesichts der Opferzahlen im Süden nicht
vorstellen können, was in italienischen, spanischen, französischen Seelen
los ist.“ Brok hält „klar definierte und begrenzte“ Coronabonds für
„unvermeidbar“. Ähnlich sehen es CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter
sowie der Vizepräsident des Europaparlaments, Rainer Wieland.
5 Apr 2020
## LINKS
[1] /EU-Gipfel-scheitert-an-Coronabonds/!5674880/
[2] /Streit-ueber-Coronabonds/!5673379/
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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