| # taz.de -- Ökonom über Corona-Bonds: „440 Milliarden Euro in 12 Monaten“ | |
| > Die EU muss eine Corona-Anleihe ausgeben, fordert Ökonom Lucas | |
| > Guttenberg. Das Geld solle als Zuschuss zum Beispiel in italienische | |
| > Kliniken fließen. | |
| Bild: San Filippo Neri: ein Krankenhaus in Rom | |
| taz: Herr Guttenberg, Spanien und Italien fühlen sich in [1][der | |
| Coronakrise] von der EU weitgehend alleingelassen. Manche Mitgliedsstaaten | |
| wollten anderen keine Atemschutzmasken liefern. Deutschland verhindert | |
| gemeinsame Staatsanleihen. Wenn die EU in so einer bedrohlichen Notlage | |
| nicht richtig hilft, brauchen wir sie dann überhaupt noch? | |
| Lucas Guttenberg: Nur die Europäische Union kann Solidarität zwischen den | |
| Mitgliedstaaten organisieren. In der Gesundheitspolitik, in der sie wenig | |
| Zuständigkeiten hat, läuft das jetzt langsam an: Aber jetzt muss die EU in | |
| der Wirtschaftspolitik, wo sie große Kompetenzen hat, endlich mutige | |
| Schritte tun. | |
| Welche? | |
| Wir brauchen ein [2][440-Milliarden-Euro-Solidaritätsinstrument] der EU für | |
| die kommenden 12 Monate. Sie muss das Geld über eine einmalige gemeinsame | |
| Anleihe einnehmen und dann in Form von Zuschüssen zum Beispiel an Italien | |
| oder Spanien für Gesundheitsausgaben, Unterstützung für Kurzarbeitsmodelle | |
| und sinnvolle Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur weitergeben. Da die EU | |
| das Geld aufnimmt, erhöht sich die Verschuldung der Staaten nicht. Das | |
| genau gilt es nun aber zu verhindern, damit wir nicht in einem Jahr eine | |
| neue Eurokrise haben. | |
| Sind das Corona-Bonds? | |
| Das könnte man Corona-Bonds nennen. Das ist aber nicht wichtig. | |
| Entscheidend ist, dass der Vorschlag das Problem der fehlenden | |
| Lastenteilung löst. Darum muss es nun gehen. | |
| Die Kommission will jetzt ja Kurzarbeitergeld der Mitgliedstaaten | |
| finanzieren. Über den Fonds des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) | |
| sollen Kredite fließen. Gibt es schon genug Instrumente? | |
| Im EU-Haushalt ist viel zu wenig Geld, um diese gemeinsamen Ausgaben zu | |
| bestreiten. Sowohl der ESM als auch das, was die Kommission jetzt als | |
| Unterstützung von Kurzarbeitergeld vorschlägt, stellen den Ländern Kredite | |
| bereit. Kredite müssen zurückgezahlt werden und erhöhen die Staatsschulden | |
| der einzelnen Länder, und allein mit solchen Instrumenten werden wir die | |
| Krise nicht gemeinsam lösen können. Stattdessen brauchen wir Instrumente, | |
| mit denen wir die Kosten auch verteilen können. | |
| Ihrem Vorschlag für Corona-Bonds müssten Parlamente aller | |
| EU-Mitgliedstaaten zustimmen, weil jedes Land entsprechend seiner | |
| Wirtschaftsleistung für die Anleihe haften soll. Dauert das nicht viel zu | |
| lange? | |
| Es ist wichtig, dass Parlamente bei so einer wichtigen Entscheidung | |
| mitsprechen können. In der Eurokrise haben wir erlebt, dass das schnell | |
| gehen kann, wenn politischer Wille da ist. | |
| Wer soll das bezahlen? | |
| Die EU-Anleihen werden entweder weiter im Markt refinanziert oder aber nach | |
| der wirtschaftlichen Stärke der Staaten in 20 bis 50 Jahren zurückgezahlt, | |
| wenn die Anleihen fällig werden – dann aber nach wirtschaftlicher | |
| Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Rückzahlung. | |
| Welches Interesse hat Deutschland an einer gemeinsamer Finanzierung der | |
| Coronakosten in der EU? | |
| Deutschland hat ein politisches Interesse, dass die EU zusammenbleibt. Die | |
| EU verliert aber gerade rapide an Ansehen. Deswegen sind zunächst große | |
| politische Gesten wichtig und Patienten aus diesen Ländern auch in | |
| Deutschland zu behandeln. Aber gleichzeitig muss es da auch ein klares | |
| Signal geben an die Bevölkerung in diesen Ländern, dass man sie nicht mit | |
| den wirtschaftlichen Kosten alleine lässt. | |
| Was hat die deutsche Wirtschaft davon? | |
| Es würde der deutschen Wirtschaft schaden, wenn Italien, Spanien, Polen und | |
| die anderen Länder im Binnenmarkt stark geschwächt aus dieser Krise | |
| herausgehen. Denn das würde auf lange Sicht der Binnenmarkt nicht | |
| überleben. Den zu erhalten ist ein zentrales deutsche Wirtschaftsinteresse. | |
| Ohne ihn würden wir weniger exportieren und unsere Industrie hätte weniger | |
| Zulieferer. | |
| Ist es nicht so: Die EU-Staaten sind eben so egoistisch, dass sie nicht zu | |
| einer solidarischen Politik fähig sind – ist es dann nicht besser, wenn | |
| einzelne Staaten sich aus den Fesseln der EU befreien und selbst | |
| vorangehen? | |
| Nein. Eine Verteilung der Kosten der Krise wird es nur gemeinsam geben. Und | |
| ich bin hier auch nicht so pessimistisch: Vor 4 Wochen hätte niemand | |
| geglaubt, dass Deutschland über Nacht die schwarze Null abräumt und massiv | |
| beginnt, Geld auszugeben, um sich gegen die Krise zu stämmen. Von daher | |
| wäre ich vorsichtig mit der Annahme, dass der politische Wille nicht da | |
| ist. In dieser Situation sollten wir erstmal darauf vertrauen, dass wir das | |
| gemeinsam gut hinbekommen. | |
| 7 Apr 2020 | |
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| Jost Maurin | |
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