# taz.de -- Wirtschaftskrise durch Corona: EU schnürt 500-Milliarden-Paket | |
> Es war langwierig und nervenaufreibend: Aber nun gibt es eine gemeinsame | |
> europäische Antwort auf die Corona-Wirtschaftskrise. | |
Bild: Bundesfinanzminister Olaf Scholz ist mit dem Corona-Hilfspaket zufrieden | |
BRÜSSEL dpa | Im Kampf gegen die [1][Corona]-Wirtschaftskrise haben die | |
EU-Staaten ein Hilfspaket von mehr als 500 Milliarden Euro für | |
Arbeitnehmer, Firmen und schlingernde Staaten geschnürt. Die Einigung | |
erzielten die Finanzminister am späten Donnerstagabend nach extrem | |
langwierigen und schwierigen Verhandlungen. Deutschlands | |
Bundesfinanzminister Olaf Scholz zeigte sich zufrieden. „Heute ist ein | |
großer Tag europäischer Solidarität und auch Stärke“, sagte der | |
SPD-Politiker in Berlin. | |
Eurogruppen-Chef Mario Centeno sprach von einem beispiellosen Paket gegen | |
eine Krise von beispiellosem Ausmaß. „Das ist eine riesige Anstrengung“, | |
sagte der portugiesische Finanzminister. Die Einigung sei gemessen daran | |
schnell gelungen. Die Verhandlungen in diversen Runden hatten allerdings | |
drei Tage gedauert. Und am Ende wurden wichtige Streitpunkte vertagt, auch | |
die Frage der gemeinschaftlichen Schuldenaufnahme über [2][sogenannte | |
Corona-Bonds]. | |
Das nun vereinbarte Paket enthält drei Punkte – nach Centenos Worten | |
jeweils ein „Sicherheitsnetz“ für Jobs, für kleine und mittlere Unternehm… | |
und für angeschlagene Staaten wie Italien oder Spanien, die ohnehin | |
verschuldet sind und nun auch noch von der Corona-Pandemie schwer getroffen | |
werden. | |
Als Hilfe für Staaten sind vorsorgliche Kreditlinien des | |
Eurorettungsschirms ESM von bis zu 240 Milliarden Euro vorgesehen; für | |
Unternehmen soll es ein besonderes Kreditprogramm der Europäischen | |
Investitionsbank EIB geben, das 200 Milliarden Euro mobilisieren soll; und | |
Arbeitnehmern soll das von der EU-Kommission vorgeschlagene | |
Kurzarbeiter-Programm namens „Sure“ im Umfang von 100 Milliarden Euro | |
zugute kommen. | |
## Corona-Bonds bleiben umstritten | |
Bis zuletzt umstritten waren die Bedingungen für den Zugang zu den | |
ESM-Kreditlinien, die bis zu zwei Prozent der Wirtschaftskraft des | |
Empfängerlands betragen können. Die Niederlande wollten ursprünglich | |
scharfe Vorgaben, was Italien und andere Länder aber ablehnten. Als | |
Kompromiss wurde nun vereinbart, dass die ESM-Kredite zwar nicht mit | |
Bedingungen verknüpft sind, das Geld aber nur für direkte und indirekte | |
Gesundheitskosten genutzt werden darf. | |
Diese Vereinbarung sei vollkommen eindeutig, sagte der niederländische | |
Finanzminister Wopke Hoekstra am Abend. Werde Geld für wirtschaftliche | |
Folgen der Krise aus dem ESM gebraucht, müssten die üblichen strengen | |
Reformzusagen gemacht werden. Der italienische Finanzminister Roberto | |
Gualtieri feierte das Paket dennoch als großen Erfolg für seine Regierung. | |
Das ESM-Programm soll bereits in zwei Wochen bereit stehen, wie ESM-Chef | |
Klaus Regling sagte. | |
Der ESM war 2012 auf dem Höhepunkt der Euroschuldenkrise gegründet worden. | |
Gesichert durch Einlagen der Eurostaaten nimmt er Kredite am Kapitalmarkt | |
auf und reicht sie unter bestimmten Auflagen an Staaten weiter, die selbst | |
am Markt höhere Zinsen zahlen müssten oder keine Kredite mehr bekämen. | |
Nun soll zusätzlich ein neuer „Recovery Funds“ zur Unterstützung der | |
wirtschaftlichen Erholung geschaffen werden. Auch das ist Teil der | |
Einigung. Die Details sind allerdings alle offen, auch die | |
Finanzierungsquellen. Einige Staaten wollen dafür Gemeinschaftsanleihen | |
ausgeben, während andere – darunter Deutschland – Corona-Bonds ablehnen. | |
Der Niederländer Hoekstra sagte, der Text sei hier bewusst vage – jeder | |
könne ihn im eigenen Sinne auslegen. Aber für ihn gelte: „Eurobonds sind | |
etwas, was für mich nicht in Ordnung war, nicht in Ordnung ist und auch nie | |
in Ordnung sein wird.“ | |
## Giegold: „Blamage verhindert“ | |
Auch Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Donnerstag noch | |
einmal Gemeinschaftsanleihen abgelehnt, sich aber ausdrücklich hinter das | |
Rettungspaket mit den drei Elementen ESM, EIB und „Sure“ gestellt. Die drei | |
Punkte summierten sich auf viele Milliarden, sagte die Kanzlerin. | |
Zusätzlich müsse es nach der Krise ein Konjunkturprogramm für Wirtschaft | |
und Arbeitsplätze geben. „An dem wird sich Deutschland auch beteiligen“, | |
sagte sie. Auch die Beratungen über den EU-Etat stünden jetzt unter ganz | |
anderen Vorzeichen. | |
Finanzminister Scholz betonte, man habe nun „drei starke Antworten“ auf die | |
durch die Corona-Pandemie ausgelöste Krise gefunden. „Es geht um die | |
Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger, es geht um die Sicherheit von | |
Arbeitsplätzen und es geht darum, dass viele Unternehmen in dieser Krise | |
bestehen bleiben“, sagte er. Auch der französische Finanzminister Bruno Le | |
Maire sprach von einem exzellenten Kompromiss. | |
Die ersten Reaktionen anderer Politiker fielen verhaltener aus. | |
EU-Parlamentspräsident David Sassoli schrieb auf Twitter, die Schritte | |
gingen in die richtige Richtung. Der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold | |
meinte, zumindest sei eine Blamage vermieden worden. „Es war für den Ruf | |
Europas von großer Wichtigkeit, dass eine Einigung auf den letzten Metern | |
geglückt ist.“ | |
10 Apr 2020 | |
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