# taz.de -- Kunst am Bau in der DDR: Was die Kunst geleistet hat | |
> Späte Anerkennung: Ein Symposium in Berlin beschäftigte sich mit der | |
> Kunst am Bau in der DDR. Die Ostmoderne erfährt eine neue Aufmerksamkeit. | |
Bild: Das Wandmosaik von Josep Renau über Mensch, Natur und Technik in Erfurt … | |
Das Symposium war deutlich überbucht. Damit hatten die Veranstalter, das | |
Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und das Bundesamt für | |
Bauwesen und Raumordnung, nicht gerechnet. Schließlich lautete das Thema | |
der Tagung am 24. Januar in der Akademie der Künste in Berlin „Kunst am Bau | |
in der DDR“. Nicht gerade der Bringer, würde man annehmen. Man kann sich | |
täuschen. | |
Ob man gleich von einen Hype sprechen muss wie der Moderator der Konferenz, | |
der Architekturhistoriker Arnold Bartetzky vom Leibniz-Institut für | |
Geschichte und Kultur des östlichen Europa in Leipzig, sei dahingestellt. | |
Richtig ist jedenfalls, dass die sogenannte Ostmoderne derzeit neue | |
Aufmerksamkeit erfährt – genauso wie die Kunst am Bau. | |
Wie das Podium mit dem Rostocker Architekten Michael Bräuer, dem Leipziger | |
Künstler Sighard Gille, der Marburger Kunsthistorikerin Sigrid Hofer und | |
der Kunstredakteurin der Welt, Swantje Karich, am Ende des Tages | |
feststellte, haben ideologische Sichtweisen auf die Ostmoderne an Boden | |
verloren in der Zeit seit dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung. | |
Damit geraten nun die künstlerisch-formalen Leistungen von Architektur und | |
Kunst am Bau in der DDR in den Blick, und es stellt sich die Frage, | |
inwieweit wir diese Leistungen erhalten wollen, sei es unter dem Aspekt der | |
Denkmalpflege, sei es wegen des (heute politisch unbelasteten) Genusses an | |
der Qualität der DDR-Hinterlassenschaften, der uns rät, sie zu pflegen und | |
zu bewahren. | |
Dafür stehen Bürgerinitiativen in Plattenbauvierteln, die sich etwa für die | |
Rettung von Wandmosaiken einsetzen. Die DDR ist gescheitert, die Kunst | |
dagegen hat noch Potenzial, so der Berliner Ex-Kultursenator und | |
Architekturhistoriker Thomas Flierl in seinem Vortrag über das | |
sozialistische Gesellschaftsmodell. | |
## Erstaunlich, die erste Tagung zum Thema | |
Doch zunächst bedarf es der wissenschaftlichen Bestandsaufnahme sowohl der | |
ideologischen Programmatik in ihrer Entwicklung und dann vor allem ihrer | |
materiellen Manifestationen. Immer wieder wurde auf der Tagung, etwa von | |
Paul Kaiser vom Dresdner Institut für Kulturstudien, verwundert | |
festgestellt, dass es die erste überhaupt zum Thema sei. Und ebenfalls | |
wurde klar, dass im Studium eine Konzentration auf die Kunst in der DDR | |
nur einen schmalen Korridor für Karrieren eröffnet, spielt sie doch im | |
Museumswesen wie im Kunstmarkt nur eine marginale Rolle. | |
Letzterer ist aber nur wenigen Künstler*innen wirklich zugänglich. Weshalb | |
für die Absolvent*innen der Kunsthochschulen Möglichkeiten der | |
Kunstproduktion jenseits des Kunstmarktes immer relevanter werden. Das | |
verändert die Kunstproduktion selbst, die – unbeeindruckt von der Idee der | |
Zweckfreiheit – organisationsförmig – etwa in der Organisation von | |
Kongressen – wird und aktionistisch. | |
Als Intervention in den Stadtraum und die öffentliche Sphäre erfährt Kunst | |
am Bau eine bedeutsame Aufwertung. Nicht davon zu reden, dass mit dem | |
Bauboom ihre Budgets immer attraktiver werden. Die künstlerische | |
Intelligenz von Kunst am Bau nach 1990 wurde dann im [1][Vortrag der | |
Initiatorin des Symposiums, Ute Chibidziura] vom Bundesamt für Bauwesen | |
und Raumordnung, deutlich. | |
Wichtigste Kunstform zur Darstellung des glücklichen Alltags der | |
Werktätigen und Bauern, zur Feier von Frieden und Völkerverständigung wie | |
der Beschwörung des technischen Fortschritts war das Wandgemälde, das | |
[2][bei Max Lingner] oder Josep Renau schon in den 1950er Jahren wie eine | |
Spielart der kommenden Popart wirkt. Das späte Wandbild [3][Renaus | |
„Beziehung der Menschen zu Natur und Technik“ (1984)], erst im Oktober | |
2019 mithilfe der Wüstenrot Stiftung restauriert, wurde wieder am Moskauer | |
Platz in Erfurt installiert. | |
Auffällig: Je weniger ideologische Lasten der Gattung Wandbild im Lauf der | |
Zeit auferlegt wurden, desto mehr zog sie sich aus der Öffentlichkeit | |
zurück und wanderte von der Außenwand in den Innenraum. Seiner | |
herausgehobenen Rolle entsprechend, wurde das Wandbild vornehmlich von | |
Künstlern gestaltet. Künstlerinnen waren vor allem bei der Ausgestaltung | |
der Wohnbezirke, der Schulen und Kitas gefragt. Da gerade von Künstlerinnen | |
kaum Nachlässe erhalten bleiben, sind viele Werke nicht zuzuordnen. | |
Aber selbst über die wenigen Frauen, die wie Leonie Wirth große | |
Brunnenanlagen (in Dresden) oder Ortrud Lerch (hinterm Staatsratsgebäude in | |
Berlin) anlegten, ist kaum etwas bekannt. Nur einer der vielen Befunde, die | |
Forschung und Öffentlichkeit verlangen. Das Interesse ist überwältigend. | |
26 Jan 2020 | |
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[1] http://(https://taz.de/Virtuelles-Museum-der-1000-Orte/!5438870&s=Museu… | |
[2] /Virtuelles-Museum-der-1000-Orte/!5438870 | |
[3] https://www.artefakt-berlin.de/aktuelle-projekte/wandmosaik-von-josep-renau/ | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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