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# taz.de -- Ausstellung in Frankfurt/Oder: Kunst und Planwirtschaft
> Mit der Ausstellung „Der sachliche Blick in der DDR“ holt das
> Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst Sehenswertes aus dem
> Depot.
Bild: Rolf Biebl, M.K. mit Telefon, 1983
Curt Querner ist ein gutes Beispiel. Denn der guckt, nun ja, leicht
sauertöpfisch aus seinem „Selbstbildnis in der Bodenkammer“ heraus, ganz
schön viele Grau-in-Grau-Töne, keine Schnörkel, nicht verfremdet – der
Begriff „Sachlichkeit“ ist schnell im Sinn. Und richtig: Der Maler Querner
(1904–76) war ein Vertreter der Neuen Sachlichkeit und blieb sein Leben
lang dem Realismus verpflichtet. Sein Ölbild aus dem Jahre 1948 befindet
sich im Depot des Brandenburgischen Landesmuseums für moderne Kunst (BLMK)
und kann nun bis Anfang Mai in Augenschein genommen werden. Am Sonntag wird
die Ausstellung „Der sachliche Blick in der DDR“ mit „Malerei und Plastik
aus der Sammlung der BLMK“ – so der Untertitel – eröffnet (siehe Kasten).
Zur Vernissage wird unter anderem der Kurator der Ausstellung sprechen.
Sicher wird Armin Hauer auch auf den Ausstellungstitel zu sprechen kommen.
Immerhin vereint die Schau rund 80 Bilder und Plastiken von 46
Künstler*innen, eine erstaunliche Zahl. Und darunter viele bekannte Namen
wie Wieland Förster, Werner Tübke oder Wolfgang Mattheuer.
Natürlich kann es da nicht um „eine einheitliche stilistische Haltung“
gehen, wie es in der Ankündigung richtig heißt, „dafür sind die
Handschriften und Bildaussagen zu differenziert“. Vielmehr geht es um
„einen distanzierten, zum Teil kritischen Bezug zur Realität, verbunden mit
einer gleichzeitigen Verankerung in einer akademisch-handwerklichen
Tradition des Gegenständlichen“.
Zu den ausgestellten Künstlerinnen – es sind lediglich acht – gehört Anna
Franziska Schwarzbach. Die Berlinerin selbst weiß gar nicht genau, mit
welchem Kunststück sie in der Ausstellung vertreten sein wird, „das muss
aus dem Depot sein“ schlussfolgert sie im Gespräch mit der taz, schließlich
„gibt es zwei Bronzen von mir in der Sammlung“.
Einen Anruf in Frankfurt (Oder) später ist klar, dass es sich um „Lisa“
handelt, eine Bronze, die Schwarzbach um 1980 herum geschaffen hat. „Lisa
ist meine Tochter und war damals etwa vier Jahre alt.“ Es handelt sich um
ein „sehr hübsches Bronzeköpfchen, vielleicht 20 Zentimeter hoch, eine
Büste unten dran – sehr eigen“, erzählt die Künstlerin, weil: „So hat …
der DDR einfach keiner porträtiert.“ Die Bronze sei quasi „neben dem
Kochtopf entstanden“, denn damals hatte sie noch kein Atelier.
Die kleine Skulptur ist so besonders, weil Schwarzbach in jener Zeit
versucht hat, sich das Bronzegießen selbst beizubringen. Aus einem Grund,
der der DDR-Planwirtschaft mit ihren knappen Ressourcen geschuldet war:
„Ich hatte kein Bronzeguss-Kontingent.“
„Die Bronze ist in Lauchhammer gegossen, ich habe viel selbst gemacht, bin
mit meinem Wachs dorthin und habe die Bronze direkt aus dem Ofen geholt und
auch selbst ziseliert und teils poliert. Dadurch ist es eine ganz andere
Art der Oberflächenbearbeitung als sonst üblich geworden.“ (Kunstgüsse in
Bronze, Silber oder Gold werden vom Guss-Ziseleur so überarbeitet und
patiniert, wie der Künstler es sich vorstellt – Anm. d. Red.)
Aber warum die Ausstellung „Der sachliche Blick“ heißt? „Ich selbst hab
eigentlich überhaupt nicht sachlich geguckt, ich hab sehr emotional
geguckt“, erzählt Schwarzbach. „Denn in der Zeit, als die Bronze und andere
entstanden, hatte ich einen Ausreiseantrag gestellt, den ich, als ich dann
ausreisen hätte können, aber nicht wahrgenommen habe. Ich bin nicht
ausgereist, weil ich mich verknallt hatte“, erzählt sie lachend.
Jetzt im Rückblick sagt sie: „Wäre ich damals ausgereist, ich glaub, ich
hätte den Boden unter meinen Füßen verloren. Ein schöpferischer Mensch, ein
Bildhauer, der hat doch seinen Ur-Brunnen, so nenne ich es mal, aus dem er
schöpft – und das war bei mir eben die DDR. Wenn’s auch manchmal mies war,
aber ich bin der Meinung: Kunst ist Kunst. Kunst ist einfach frei, so wie
das Wasser nass ist.“
Ob Anna Franziska Schwarzbach am Sonntag zur Ausstellungseröffnung nach
Frankfurt (Oder) fährt, wusste sie beim Gespräch mit der taz am Mittwoch
noch nicht (eingeladen ist sie natürlich): „Mal sehen, wenn schönes Wetter
ist.“
25 Jan 2020
## AUTOREN
Andreas Hergeth
## TAGS
Kunst
Frankfurt Oder
Brandenburg
Kunst
Architektur
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