# taz.de -- Spionage durch Bundesnachrichtendienst: Grenzenlose Grundrechte | |
> Das Bundesverfassungsgericht prüft die Auslandsüberwachung des BND. | |
> Ausländer könnten sich bald auf deutsche Grundrechte stützen. | |
Bild: Künstliche Palmen in Deutschland: Die Zentrale des Bundesnachrichtendien… | |
Karlsruhe taz | Ausländer können sich wohl weltweit gegenüber dem | |
[1][Bundesnachrichtendienst (BND)] auf deutsche Grundrechte berufen. Das | |
zeichnet sich nach der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zum | |
novellierten BND-Gesetz ab. Dies wird vermutlich zu Korrekturen am Gesetz | |
führen. | |
Durch den [2][US-amerikanischen Whisteblower Edward Snowden] wurde 2013 | |
bekannt, wie Geheimdienste systematisch mit Hilfe von Suchbegriffen | |
international den Telefon-, E-Mail- und SMS-Verkehr überwachen und | |
auswerten. Zuerst richtete sich die Empörung auf den US-Geheimdienst NSA. | |
Dann wurde aber bekannt, dass auch der deutsche BND im Ausland ähnlich | |
agiert. | |
2016 schuf die Bundesregierung im BND-Gesetz immerhin eine gesetzliche | |
Grundlage für die Auslandsaufklärung des BND. Mithilfe von Filtern sollten | |
Deutsche und teilweise auch EU-Bürger vor der BND-Ausspähung geschützt | |
werden. Für sonstige Ausländer war aber kaum Schutz vorgesehen. | |
So darf der BND nun offiziell die Kommunikation von Ausländern weltweit | |
abhören und überwachen. Er darf Verkehrsdaten, also „wer hat wen wann | |
angerufen“, sechs Monate lang auf Vorrat speichern und auswerten. Und er | |
darf Kommunikation auch im Auftrag befreundeter Dienste überwachen und | |
anhand bestimmter Suchbegriffe, „Selektoren“ genannt, ungeprüft an andere | |
Geheimdienste wie den NSA weitergeben. | |
## Nur ein Türöffner | |
Dagegen klagten sieben internationale Journalisten und die Organisation | |
„Reporter ohne Grenzen“ (ROG). „Die weltweite Überwachung des BND | |
schüchtert investigative Journalisten ein“, sagte ROG-Geschäftsführer | |
Christian Mihr in Karlsruhe, das BND-Gesetz verletze deutsche Grundrechte. | |
Mihr berief sich dabei vor allem auf die Fernmeldefreiheit und die | |
Pressefreiheit, wie sie im Grundgesetz garantiert sind. Die klagenden | |
Journalisten waren nicht nach Karlsruhe gekommen. Ihre Klagen sind nur der | |
Türöffner, damit sich das Bundesverfassungsgericht ganz grundsätzlich mit | |
dem Gesetz beschäftigen kann. Hinter der strategischen Klage steht die 2015 | |
gegründete Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). | |
Für die Bundesregierung verteidigte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) | |
das Gesetz. Die Auslandsaufklärung des BND sei erforderlich, um die | |
Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zu sichern. Nur dank der | |
Informationen des BND könne sie sich ein eigenes Bild von internationalen | |
Krisenherden wie in Libyen machen. Der BND schütze die Bundeswehr bei | |
Auslandseinsätzen und helfe beim Schutz gegen internationalen Terrorismus | |
und organisierte Kriminalität. Ein rechtsstaatliches Gesetz wie in | |
Deutschland sei „international einzigartig“. | |
Im Mittelpunkt des Karlsruher Verfahrens steht die Frage, ob sich | |
ausländische Kläger wirklich auf deutsche Grundrechte berufen können. | |
Bisher hatte das Bundesverfassungsgericht dies offen gelassen. Für | |
Rechtsprofesser Matthias Bäcker, der ROG vertritt, ist die Sache klar: „Der | |
BND ist eine deutsche Behörde und deshalb an deutsches Recht gebunden, egal | |
wo er handelt“. Fernmeldegeheimnis und Pressefreiheit seien im Grundgesetz | |
auch nicht auf Deutsche beschränkt. | |
## Urteil wohl erst in einigen Monaten | |
Früher hat die Bundesregierung eine Grundrechtsbindung im Ausland generell | |
abgestritten. „Wenn zwei Ausländer im Ausland miteinander kommunizieren, | |
fällt das nicht in den Schutzbereich des Grundgesetzes“, hieß es. So weit | |
wollte Rechtsprofessor Joachim Wieland, der die Regierung in Karlsruhe | |
vertrat, nicht gehen. Er differenzierte: Der BND sei zwar auch im Ausland | |
an Grundrechte gebunden. Das führe aber nicht dazu, dass Ausländer sich | |
beim Bundesverfassungsgericht auf diese berufen können. | |
Doch auch damit wird die Bundesregierung in Karlsruhe wohl nicht | |
durchkommen. „Das nimmt den Grundrechten doch ihre Substanz, wenn man sich | |
persönlich gar nicht auf sie berufen kann“, sagte Verfassungsrichter | |
Johannes Masing, der das Urteil vorbereitet. Auch andere Richter zeigten | |
sich skeptisch. | |
Wieland warnte daher: „Wenn sich weltweit jeder auf deutsche Grundrechte | |
berufen kann, dann gälte das auch bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr“, so | |
Wieland, „auch könne jeder im Ausland Asyl beantragen, wenn er in eine | |
deutsche Botschaft gelangt, er muss gar nicht mehr nach Deutschland | |
kommen“. Richter Masing machte aber deutlich, dass das Gericht in diesem | |
Verfahren nur über die BND-Tätigkeit im Ausland entscheiden werde. | |
Im zweiten Teil der Verhandlung wollte sich das Bundesverfassungsgericht | |
das BND-Gesetz genauer anschauen. Auch wenn deutsche Grundrechte gelten, | |
ist die Auslandsüberwachung durch den BND nicht per se verboten, sie müsste | |
aber verhältnismäßig sein. Masing deutete an, dass für ihn dabei eine | |
bessere Kontrolle des BND im Mittelpunkt steht. Das Urteil wird in einigen | |
Monaten verkündet. | |
14 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Urteil-des-Bundesverwaltungsgerichts/!5624632 | |
[2] /Rechtsstreit-um-Snowdens-Memoiren/!5641890 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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