| # taz.de -- Entwurf zum BND-Gesetz zu Journalisten: Wer darf bespitzelt werden? | |
| > „Reporter ohne Grenzen“ kritisiert den Gesetzentwurf zu | |
| > BND-Überwachungsbefugnissen im Ausland: Zu viel sei dem Ermessen des | |
| > Dienstes überlassen. | |
| Bild: Auf dem Boden des Gesetzes? Beine auf BND-Teppich | |
| „Die Bundesregierung versucht, dem Bundesnachrichtendienst auch künftig | |
| größtmögliche Freiheiten bei der Überwachung journalistischer Kommunikation | |
| im Ausland zu gewähren.“ So kritisiert „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) den | |
| Gesetzentwurf des Kanzleramts für ein novelliertes BND-Gesetz, der vorige | |
| Woche bekannt wurde. | |
| Der Entwurf regelt die BND-Überwachung von Ausländern im Ausland neu. Er | |
| versucht damit, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai | |
| umzusetzen. Die BND-Maßnahmen im Ausland richten sich zwar nicht in | |
| besonderem Maße gegen Journalisten. ROG nimmt aber warnend Stellung, weil | |
| man Journalisten für besonders schutzbedürftig hält [1][und vor allem weil | |
| ROG das Karlsruher Urteil selbst erstritten hat]. | |
| In einem [2][spektakulären Grundsatzurteil stellte das | |
| Bundesverfassungsgericht im Mai fest], dass die deutschen Grundrechte auch | |
| gelten, wenn ein deutscher Geheimdienst die Telefonate und E-Mails von | |
| Ausländern im Ausland auswertet. Karlsruhe forderte eine gerichtsähnliche | |
| Kontrolle, die insbesondere dem Schutz von Journalisten dienen solle. Wenn | |
| Medienmacher gezielt überwacht werden, müsse dies vorab genehmigt werden. | |
| Ebenso, wenn ihre Daten an andere Geheimdienste weitergegeben werden. | |
| Der nun vorgelegte Gesetzentwurf erfasst zweierlei Auslandsaktivitäten des | |
| BND. Zum einen geht es um die „strategische“ Überwachung der | |
| Telekommunikation. Der BND zapft hier Leitungen oder Satellitenverbindungen | |
| an und scannt den gesamten Verkehr nach bestimmten Suchbegriffen, etwa | |
| Telefonnummern. Zum anderen erlaubt das Gesetz erstmals ausdrücklich den | |
| Zugriff auf individuelle Geräte im Ausland, etwa Smartphones oder Server. | |
| ## Viele Ausnahmen | |
| Neu ist auch ein sechsköpfiger Kontrollrat, der aus vier BGH-Richtern und | |
| zwei Mitarbeitern der Bundesanwaltschaft bestehen wird. Dieser Kontrollrat | |
| soll unter anderem die Überwachung von Journalisten im Ausland jeweils | |
| vorab genehmigen. Allerdings gibt es viele Ausnahmen. | |
| So soll als Journalist nur geschützt sein, wer in „Freiheit und | |
| Unabhängigkeit“ arbeiten kann und wessen Tätigkeit nicht gegen die | |
| „Wertentscheidungen“ des Grundgesetzes verstößt, heißt es in der Begrün… | |
| des Gesetzentwurfs. Deshalb sei nicht geschützt, wer als Journalist zum | |
| Beispiel für die Terrorgruppe IS oder für Medien autoritärer Staaten | |
| arbeitet. | |
| Auch als Journalisten getarnte Vertreter fremder Geheimdienste hätten | |
| keinen Schutz verdient, ebenso die absichtlichen Produzenten von „Fake | |
| News“, die im Auftrag einer fremden Macht auf die Bevölkerung einwirken. | |
| Strategische Maßnahmen gegen ausländische Journalisten müssen auch dann | |
| nicht vom Kontrollrat genehmigt werden, wenn die Erkenntnisse nur der | |
| Unterrichtung der Bundesregierung dienen. | |
| Aber auch wenn eine Maßnahme gegen Journalisten vom Kontrollrat vorab | |
| geprüft werden muss, ist die Genehmigung durchaus möglich – wenn es der | |
| Abwehr einer schwerwiegenden Gefahr dient und das öffentliche Interesse | |
| überwiegt. Dies soll etwa der Fall sein, wenn es Hinweise gibt, dass ein | |
| Journalist mit einem Informanten über Anschlagsplanungen kommuniziert hat. | |
| Reporter ohne Grenzen kritisiert, dass letztlich der BND nach eigenem | |
| Ermessen entscheide, wer als Journalist gilt und wer nicht. Ein Begriff wie | |
| „Fake News“ sei nicht eindeutig, sondern umkämpft. | |
| ## Unabhängige Stimmen | |
| Das Kanzleramt habe auch versäumt, die Rechte von Bloggern und | |
| „Bürgerjournalisten“ klarzustellen. Gerade in autoritären Staaten seien | |
| Blogger ohne Medienanbindung oft die einzigen unabhängigen Stimmen, die | |
| deshalb, so ROG, besonders schutzwürdig seien. | |
| Im Apparat des Kontrollrats sollen nicht nur Juristen und Techniker | |
| vertreten sein, fordert ROG, sondern auch die „von Überwachung betroffenen | |
| Gruppen“, etwa Medienleute. | |
| Der Gesetzentwurf wird derzeit von den Ressorts der Bundesregierung | |
| geprüft. Er wurde noch nicht in den Bundestag eingebracht. Das Gesetz muss | |
| spätestens zum 1. Januar 2022 in Kraft treten. | |
| 4 Oct 2020 | |
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| [1] /Klage-gegen-BND-Gesetz/!5683877 | |
| [2] /Bundesverfassungsgericht-zu-BND/!5684241 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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