Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bundesverfassungsgericht zu BND: Grundgesetz gilt auch im Ausland
> Journalisten klagen erfolgreich gegen die BND-Überwachung im Ausland. Das
> Urteil ist schon jetzt ein Meilenstein in der Rechtsprechung.
Bild: Klare Ansage aus Karlsruhe: Der BND muss stärker kontrolliert werden
Karlsruhe taz | Das Bundesverfassungsgericht hat die BND-Novelle von Ende
2016 in vollem Umfang [1][für verfassungswidrig erklärt]. Zugleich haben
die Richter klargestellt, dass deutsche Grundrechte den BND auch im Ausland
binden. Die anlasslose Auslandsaufklärung des BND wurde aber nicht generell
verboten. Der Bundestag hat für eine Neuregelung Zeit bis Ende 2021.
Der amerikanische Whistleblower Edward Snowden hatte 2013 enthüllt, wie
US-Geheimdienste systematisch den internationalen Telefon-, E-Mail- und
SMS-Verkehr überwachen und auswerten. Bald wurde jedoch deutlich, dass auch
der BND im Ausland ähnlich agiert. Ende 2016 schuf die Bundesregierung im
BND-Gesetz immerhin eine gesetzliche Grundlage für die Auslandsaufklärung
des BND.
Gegen diese Ergänzung des BND-Gesetzes klagten sechs internationale
Journalisten sowie die Organisation [2][Reporter ohne Grenzen (ROG)]. Die
globale Überwachung des BND schüchtere investigative Journalisten ein. Das
Gesetz ziele zwar nicht auf Journalisten, es schütze sie aber auch nicht
angemessen, so ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.
In der mündlichen Verhandlung im Januar wurde dann bekannt, in welchem
Ausmaß der BND weltweit die Kommunikation von Ausländern im Ausland
überwacht. So sucht der BND mit Hunderttausenden Suchbegriffen in den
Telekommunikationsnetzen nach verdächtigen Nachrichten. Suchbegriffe
können Namen, Orte oder Chemikalien sein. Zu 90 Prozent geht es jedoch um
Telefonnummern und E-Mail-Adressen, „sogenannte technische Selektoren“. Der
BND greift dazu auf Internetknoten, Tiefseekabel oder
Satellitenkommunikation zu.
Bisher kaum Schutz für Ausländer
Mit Hilfe von Filtern sollen Deutsche und teilweise auch EU-Bürger vor der
BND-Ausspähung geschützt werden. Für sonstige Ausländer ist aber kaum
Schutz vorgesehen. Täglich gebe es 154.000 Treffer, so der BND, wobei am
Ende aber nur 262 Telefonate, E-Mails oder SMS für den BND wirklich
relevant seien.
Die Bundesregierung hielt die Klage der internationalen Journalisten für
unzulässig. Die Grundrechte des Grundgesetzes gälten nur auf deutschem
Boden, so ihre Argumentation. Dem hat das Bundesverfassungsgericht nun in
voller Deutlichkeit widersprochen. Die Bindung der deutschen Staatsgewalt
an die Grundrechte bleibe auch dann bestehen, wenn sie im Ausland agiert.
Der Senatsvorsitzende Stephan Harbarth sprach von einer „Klarstellung“, es
habe also noch nie etwas anderes gegolten. Tatsächlich war die Frage bisher
aber hoch umstritten und wurde jetzt erstmals vom Bundesverfassungsgericht
geklärt. Schon insofern handelt es sich um ein echtes Grundsatzurteil.
Als Folge dieser Weichenstellung wurde die BND-Novelle nun gleich doppelt
für verfassungswidrig erklärt. Zum einen fehle der Hinweis, in welche
Grundrechte das Gesetz eingreife. Zum anderen sei es auch in der Sache
verfassungswidrig, weil die Eingriffe in Fernmelde- und Pressefreiheit
völlig unverhältnismäßig seien.
Bedingungskatalog für BND aufgestellt
Der federführende Richter Johannes Masing stellte aber klar, dass die
anlasslose Selektoren-Fahndung des BND nicht generell gegen das Grundgesetz
verstößt. Die Bedrohung aus dem Ausland habe zugenommen, die Früherkennung
von Gefahrenlagen werde wichtiger. Bis Ende 2021 kann der BND unverändert
fortfahren. Ab dann müssen die jetzt aufgestellten Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts beachtet werden.
So muss sich die Früherkennung auf „schwerwiegende“ Gefahren und bestimmte
geografische Regionen beschränken. Eine globale Überwachung halten die
Richter für unzulässig. Die Kommunikation von Deutschen müsse schon vor der
Prüfung „bestmöglich“ herausgefiltert werden. Wird sie erst bei der Prüf…
erkannt, müsse sie sofort gelöscht werden. Wenn die Kommunikation den
Kernbereich privater Lebensgestaltung betrifft, zum Beispiel weil es um Sex
oder Religion geht, muss die Überwachung abgebrochen werden.
Der BND müsse sein Verfahren durch interne Regeln klar strukturieren, um
die Kontrolle zu erleichtern, so die Richter. Soweit Algorithmen bei der
Auswertung zum Einsatz kommen, müsse deren Arbeitsweise nachvollziehbar
bleiben. Alle sechs Monate müsse geprüft werden, ob Daten gelöscht werden
können. Verkehrsdaten („Wer hat wann mit wem kommuniziert“) darf der BND im
Ausland zwar auf Vorrat speichern und auswerten, muss sie aber spätestens
nach sechs Monaten löschen.
Die wichtigste Forderung des Bundesverfassungsgerichts betrifft aber die
Stärkung der Geheimdienstkontrolle. Bisher gab es für die
Auslandsüberwachung des BND nur ein relativ zahnloses „unabhängiges
Gremium“ (UG). Künftig soll der Bundestag ein „gerichtsähnliches“ Gremi…
einrichten, das viele BND-Aktionen vorab genehmigen muss.
Bundestag muss Kontrollgremien einrichten
So müsse die neue Kontrollinstanz zum Beispiel die gezielte Überwachung von
Journalisten und Anwälte vorab prüfen, weil diese Berufsgruppen besonders
auf vertrauliche Kommunikation angewiesen seien. Auch bei Personen, die
nicht nur als Informationsmittler überwacht werden, sondern weil sie selbst
als gefährlich gelten, müsse das neue Gremium vorab zustimmen, weil für sie
auch die Überwachung bedrohlich werden könnte, etwa durch die Weitergabe
von Daten.
Neben dem gerichtsähnlichen Gremium soll es noch eine „administrative“
Kontrollinstanz geben, die mit Stichproben auf die Einhaltung des Rechts
achtet. Sie soll mit mindestens 30 Mitarbeitern ausgestattet werden. Bei
der Ausgestaltung der beiden neuen Kontrollgremien hat der Bundestag großen
Gestaltungsspielraum, solange die Effizienz gewahrt ist.
Zulässig bleibt künftig auch die Kooperation mit anderen
Nachrichtendiensten. Bisher bekommt der BND rund 60 Prozent seiner
Selektoren von Partnerdiensten, denen er dann auch die Ergebnisse liefert.
Je mehr man an andere Dienste liefert, desto mehr bekommt man auch zurück,
so die Logik der Branche. Die Verfassungsrichter haben nichts dagegen, denn
das Grundgesetz sei auf internationale Zusammenarbeit angelegt, auch bei
der Sicherheit.
Allerdings wird ein „Ringtausch“ von Daten ausdrücklich verboten. Der BND
darf also nicht Briten in Großbritannien überwachen, damit der englische
Dienst GCHQ Deutsche in Deutschland überwacht. Der BND bestreitet, dass es
einen derartigen Ringtausch überhaupt gegeben habe.
„Sehr gut durchdachtes Urteil“
Auch dürfe die Kooperation der Dienste nicht die Geheimdienstkontrolle
beschränken, so die Karlsruher Vorgabe. Bei künftigen Kooperationen müsse
die „Third Party Rule“ so ausgestaltet werden, dass die Weitergabe von
Informationen an die deutschen Kontrolleure nicht von anderen Diensten
genehmigt werden muss. Das jedenfalls ist ein großer Fortschritt.
Das 140-seitige Urteil beeindruckte alle Verfahrensbeteiligten. Der
CDU-Innenexperte Armin Schuster sprach von einem „starken und sehr gut
durchdachten Urteil“. Christian Mihr der Geschäftsführer von Reporter ohne
Grenzen nannte das Urteil einen „Meilenstein“.
19 May 2020
## LINKS
[1] /BND-Gesetz-verstoesst-gegen-Grundrechte/!5687041
[2] /Klage-gegen-BND-Gesetz/!5683877
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Bundesverfassungsgericht
Bundesnachrichtendienst
Schwerpunkt Pressefreiheit
Grundrechte
BND
Bundesverfassungsgericht
Bundesverfassungsgericht
Schwerpunkt Überwachung
Bundesverfassungsgericht
Schwerpunkt Überwachung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Entwurf zum BND-Gesetz zu Journalisten: Wer darf bespitzelt werden?
„Reporter ohne Grenzen“ kritisiert den Gesetzentwurf zu
BND-Überwachungsbefugnissen im Ausland: Zu viel sei dem Ermessen des
Dienstes überlassen.
Verfassungsrichter Masing zieht Bilanz: „Das macht mir große Sorge“
Die rechte Unterwanderung der Polizei sei wohl kein Einzelfall, sagt
Johannes Masing. Er wünscht Stolz der Behörden auf rechtsstaatliche
Vorgaben.
Ost-Kandidat fürs Verfassungsgericht: Jes Möller und die Kläranlagen
Brandenburg trommelt für einen ersten ostsozialisierten Richter am
Bundesverfassungsgericht. Doch eine Anwältin warnt.
Urteil gegen BND-Gesetz: Ein Snowden-Gedächtnis-Urteil
Ohne Edward Snowden hätte es das Karlsruher Urteil nicht gegeben. Es hat
Folgen weit über den BND hinaus.
Klage gegen BND-Gesetz: „Journalisten sind schutzbedürftig“
Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen erklärt, warum sich Journalisten
gegen weltweite Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst wehren.
Erfolglose Vorratsdatenspeicherung: Lieber NSA als BND
Im Gegensatz zu deutschen Behörden kommuniziert die NSA recht transparent.
2019 stellte der Geheimdienst die Speicherung von Telefondaten ein.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.