# taz.de -- Erfolglose Vorratsdatenspeicherung: Lieber NSA als BND | |
> Im Gegensatz zu deutschen Behörden kommuniziert die NSA recht | |
> transparent. 2019 stellte der Geheimdienst die Speicherung von | |
> Telefondaten ein. | |
Bild: Die NSA-Zentrale in Fort Meade | |
Wer es ohne vorherige Tiefenrecherche schafft, zu erklären, den aktuellen | |
Stand der Dinge beim [1][Thema Vorratsdatenspeicherung] zu referieren, | |
verdient Respekt. 2008 ist sie das erste Mal in Kraft getreten. Seitdem | |
wird über das Projekt gestritten. Auf der einen Seite argumentieren | |
Netzaktivisten und Bürgerrechtler, dass hier ein unzulässiger Eingriff in | |
die Privatsphäre erfolgt. Auf der anderen behaupten Geheimdienste und | |
Polizeibehörden Vorteile bei der Aufklärung und Verhinderung schwerer | |
Straftaten. | |
Aktuell ist die Vorratsdatenspeicherung [2][ausgesetzt durch den | |
Europäischen Gerichtshof] und das Oberverwaltungsgericht | |
Nordrhein-Westfalen. Seitdem müssen Internetprovider zwar die Daten ihrer | |
Kunden zwischenspeichern, sie werden aber auch nicht belangt, wenn sie es | |
nicht tun. Was das ganze Hickhack noch kosten wird und ob es überhaupt | |
etwas bringt, das weiß die Bundesnetzagentur wahrscheinlich nicht einmal | |
selbst. | |
Im Gegensatz dazu scheint in den USA beim Thema Vorratsdatenspeicherung | |
fast schon Klarheit zu herrschen. Dort ist die Speicherung von Telefondaten | |
zuletzt 2015 unter dem „Freedom Act“ bestätigt worden. Seitdem hat die NSA | |
hunderte Millionen Telefongespräche und Chatprotokolle aufgezeichnet und | |
die zugehörigen Verbindungsdaten gespeichert. Aus diesen Datensätzen sind | |
ganze 15 Berichte entstanden. 13 davon waren obsolet, da die darin | |
enthaltenen Informationen dem FBI bereits bekannt waren. Von den übrigen | |
zwei generierten Hinweisen wurde lediglich einer weiterverfolgt. | |
Gekostet hat dieser wenig überzeugende Ermittlungserfolg rund 100 Millionen | |
US-Dollar. Das geht aus einem Bericht des [3][Privacy and Civil Liberties | |
Oversight Board hervor, der der New York Times vorliegt]. Diese | |
Kosten-Nutzen-Rechnung veranlasste im vergangenen Jahr sogar die NSA selbst | |
die eigenen Methoden zu hinterfragen und die Einstellung der Speicherung zu | |
empfehlen. So viel Selbstkritik kann man sich von der Bundesnetzagentur nur | |
wünschen. | |
## Vorsorgliche Speicherung | |
Die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland hat, soweit bekannt, bisher noch | |
keinen einzigen Hinweis auf eine Straftat geliefert. Unterstützer der | |
Überwachungsmaßnahme würden nicht ganz zu Unrecht argumentieren, dass sie | |
die meiste Zeit ausgesetzt war und nur deshalb so ineffektiv ist. Das mag | |
zwar sein, dennoch speichern die meisten Provider die Daten ihrer Kunden | |
vorsorglich ab. Es könnte ja sein, dass die Behörden doch mal was wissen | |
wollen. | |
Ob die Vorratsdatenspeicherung in der Bundesrepublik wirklich effizienter | |
sein wird, falls denn in Kraft tritt, lässt sich bezweifeln. | |
Kosteneffizienter als in den USA ist sie aber allemal, zumindest für den | |
Staat. Die 25 Planstellen, die zum Betrieb der Vorratsdatenspeicherung | |
nötig sind, kosten den Steuerzahler 2,9 Millionen Euro pro Jahr. Das ergibt | |
etwas mehr als 14,5 Millionen Euro in fünf Jahren. Doch dabei bleibt es | |
nicht. | |
Die Nutzer von Telefon und Internet können aber höhere Kosten erwarten. Wie | |
die Bundestagsabgeordneten Martina Renner (Linke) gegenüber der taz | |
erklärt, liegt der größte Teil der Kosten aufseiten der Provider. Die sind | |
für die kostspielige Speicherung verantwortlich. Zwar sollen die Provider | |
dafür entschädigt werden, allerdings nur im Fall einer tatsächlichen | |
Abfrage. | |
Wie hoch diese Entschädigung dann ist, kann die Bundesregierung noch nicht | |
beziffern. Geht man von einer ähnlichen Abfragefrequenz wie durch die NSA | |
aus, müsste sich die Entschädigung schon im Millionenbereich bewegen, damit | |
Providern und damit uns keine zusätzlichen Kosten entstehen. Vielleicht | |
würden die deutschen Behörden es sich wie die NSA so zweimal überlegen, ob | |
sich der Aufwand wirklich lohnt. | |
26 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /!t5011510/ | |
[2] /Bundesverwaltungsgericht-zu-Datenschutz/!5630121 | |
[3] https://www.nytimes.com/2020/02/25/us/politics/nsa-phone-program.html | |
## AUTOREN | |
Patrick Wagner | |
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