Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Privatsphäre im Netz: Tschüss, Google!
> Google hatte sich tief in mein Privatleben gefressen. Jetzt habe ich mich
> getrennt – und nutze digitale Produkte, die mich nicht ausspionieren.
Bild: Sieht nur harmlos aus: Der Konzern, der mit dem Spruch „Dont't be evil�…
Liebe Freund*innen. Nachdem ich vor zwei Jahren [1][Facebook verlassen]
habe, habe ich mir zu diesem Jahreswechsel wieder ein besonderes Geschenk
gemacht: Ich habe Google nach langer Beziehung verlassen.
Als wir uns kennenlernten, suchte ich noch mit Altavista im Internet.
Google war schneller, und vor allem waren die Suchergebnisse relevanter.
Hand in Hand durchstreiften wir fortan das Netz. Es hätte eine Verbindung
fürs Leben werden können, aber aus dem Verliebtsein ist nie eine richtige
Liebe geworden. Ich wusste, dass nichts im Leben umsonst ist, aber die
Illusion war schön.
Es kam der Tag, an dem Google Werbung als Geschäftsmodell einführte, mit
Google Mail auch einen Webmailservice anbot und bekannt wurde, dass diese
Mails maschinell gelesen werden, um Werbung zu optimieren. Nicht genug
damit, dass Google schon durch meine Suchanfragen wusste, wie ich tickte –
welche Rezepte ich suchte, welche politischen Fragen mich interessierten,
an welche alten Schulfreunde ich dachte und wie eitel ich war, weil ich
mich manchmal selbst suchte. Jetzt durchleuchtete es auch noch meine Mails
an euch. Seitdem schreibe ich denen, die ein Google-Mail-Konto haben, nicht
mehr so gern.
Google hat sich weitere Dinge einfallen lassen, die das Leben leichter
machen. Man kann Termine im Google Kalender verwalten, nach Bildern suchen.
Google Maps kennt fast jeden Winkel des Planeten, hat mit Satellitenbildern
und Streetview Fotos davon und „verschenkt“ seine Navigations-App. Es
digitalisiert Bibliotheken, setzt voll auf künstliche Intelligenz, hat mit
Android Zugriff auf viele Millionen Handys.
Google Assistant erlaubt es, mit seinen Geräten zu sprechen, und mit Google
Translate lässt sich alles übersetzen. Man kann Dateien in der Cloud auf
Google-Servern speichern und hat mit YouTube, das auch Google gehört,
Zugriff auf unendlich viele Videos, vom Mathegrundkurs bis zu Kinofilmen.
Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Produktspektrum von Google
und seiner Mutterholding Alphabet.
Whistleblower [2][Edward Snowden hat gesagt]: „Zu sagen, dass du dir keine
Sorgen um deine Privatsphäre machst, weil du nichts zu verbergen hast, ist
so, als wenn du sagen würdest, dass du dir keine Sorgen über freie
Meinungsäußerung machst, weil du nichts zu sagen hast.“ Google weiß, wer
ihr seid, wo ihr seid und was ihr gerade tut. Es hat coole neue Produkte
wie den Interpreter – der Babelfisch aus „Per Anhalter durch die Galaxis“
ist endlich Realität geworden –, ihr könnt jetzt alles in Echtzeit in eine
andere Sprache übersetzen. Natürlich nur über Googles Server. Google hat
gerade [3][Fitbit gekauft] und hat mit deren Fitnesstrackern Zugriff auf
die Körperaktivitäten ihrer Nutzer. Gleichzeitig hat es sich den
[4][Zugriff auf Patientendaten] des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS in
Großbritannien gesichert.
## Es liegt an mir
Die Privatsphäre schwindet, und der neue Google-Chef [5][Sundar Pichai
freut sich] über die „unglaubliche Chance“ … „Einfluss auf die Welt
auszuüben“. Ich hätte nie etwas mit Google anfangen sollen. Man muss sich
nur wenige Fragen stellen: Was ist, wenn solche Unternehmen ihr
Geschäftsmodell ändern? Was ist, wenn es autoritären Regierungen Daten zur
Verfügung stellt? Oder auch demokratischen, die nicht in der Lage sind zu
erkennen, dass anlasslose Überwachung Privatsphäre zerstört, aber keine
Sicherheit herstellt.
Was, wenn Sicherheitslücken auftreten oder Hacker Zugriff auf unsere Daten
erhalten? Alles das passiert bereits. China straft [6][mithilfe der App
WeChat] Menschen ab, die sich nicht konform verhalten. Google-Passwörter
lagen vor Kurzem [7][unverschlüsselt im Netz], im amerikanischen Wahlkampf
hat [8][Cambridge Analytica] im großen Maßstab Wählerverhalten zugunsten
von Donald Trump manipuliert.
Es liegt nicht an Google, es liegt an mir. Google und seine Freunde wollen
doch nur Geld verdienen. Wir geben ihnen das Geld nicht, also nehmen sie
unsere Daten und machen die zu Geld. Die lustigen StartUps von damals sind
die [9][Raubtier-Datenkapitalisten] von heute. Das ist ihre Natur. Sie
brauchen Grenzen. Wenn wir nicht wollen, daß wirklich unangenehme Dinge mit
unseren Daten passieren, müssen wir uns selbst um sie kümmern. Niemand kann
sich mehr auf die Gnade der frühen Geburt herausreden. Oder darauf, daß wir
nur mitmachen, weil alle es tun. Es wäre Aufgabe der Politik, uns dabei zu
unterstützen, die digitale Selbstbestimmung zurückzugewinnen, statt uns
immer wieder in den Rücken zu fallen.
Google versucht Bedenken zu zerstreuen. Es stellt viel Geld bereit, um
[10][Schulen zu „fördern“], und schleimt sich mit der [11][Digital News
Initiative] bei den Medien ein. [12][Auch die taz] hat Geld von Google
angenommen. Man nennt das deep lobbying. Konzerne machen keine Geschenke,
sie agieren in Gewinnabsicht. Das können Daten sein, aber auch ein
Imagegewinn. Das ist wie Blumen verschenken, wenn man seinen Partner
betrogen hat. Es hat meine [13][Beziehung zu Google] nachhaltig gestört.
Die letzten Jahre waren wir eigentlich nur noch wegen der Kinder zusammen:
Mit all den schönen Produkten hatte Google sich tief in mein Privatleben
gefressen.
## Nur zwei Wochen Eingewöhnung
Ich habe mich neu verliebt. Es gibt für fast alle Google-Produkte
Alternativen: Ich suche jetzt mit [14][DuckDuckGo]. Schon nach zwei Wochen
Eingewöhnung gab es nichts mehr, das ich damit nicht gefunden hätte.
Kalender, Dateien und Kontakte synchronisiere ich jetzt sicher mit meiner
eigenen [15][Nextcloud], die auf einem kleinen [16][Minicomputer] bei mir
[17][zu Hause läuft]. Auf mein Handy habe ich [18][LineageOS] installiert,
eine von Google befreite Android-Variante.
Ich übersetze mit [19][DeepL] oder dem Wörterbuch und benutze [20][OsmAnd]
als Navi. Meine trackingfreien Apps installiere ich mit [21][F-Droid], die
wenigen, für die es dort keinen Ersatz gibt, kann ich über den [22][Aurora
Store] aus dem Google-Store auf mein Handy laden. Mit dem Dienst
[23][Exodus Privacy] lässt sich prüfen, ob eine App Daten an Datensammler
überträgt, und für euch Google-Mail-Benutzer gibt es [24][eine ganze Reihe]
von sicheren Alternativanbietern.
Das macht Arbeit. Je nachdem, wie viele Google-Dienste man nutzt. Zum Glück
gibt es Dinge wie [25][Nextcloud] und [26][Handys mit LineageOS] für wenig
Geld auch fertig zu kaufen – man muss nur danach suchen. Nachdem alles
erledigt war, habe ich alle meine Daten, die sich bei Google angesammelt
haben [27][heruntergeladen] und meinen [28][Google-Account gelöscht].
YouTube wird mir am meisten fehlen. Man kann zwar mit Apps wie
[29][NewPipe] auch ohne Anmeldung auf alle YouTube-Videos zugreifen, aber
die wirklichen Alternativen wie [30][PeerTube] haben natürlich (noch) nicht
annähernd den Fundus an interessanten Videos. Da ich die Handys meiner
Kinder zu ihrer Sicherheit mit meinem Google-Konto verknüpft hatte und
YouTube ihnen angezeigt hat, was ich gerade gesehen hatte, haben sie nun
unbeabsichtigt einen sehr guten Musikgeschmack entwickelt und einige sehr
gute [31][Dokumentationen] gesehen. Manipulation ist einfacher, als man
denkt. Darum muss Google sich von nun an allein kümmern.
Hinweis: Dies ist ein Text von begrenzter Länge. Er erhebt keinen Anspruch
auf Vollständigkeit. Bitte schreiben Sie Ergänzungen und Alternativen, mit
denen Sie gute Erfahrungen gemacht haben, in die Kommentare.
6 Jan 2020
## LINKS
[1] /Das-Ende-eines-Facebook-Accounts/!5472887
[2] https://www.youtube.com/watch?v=LrMHKPktLeM
[3] https://www.golem.de/news/nach-fitbit-kauf-was-plant-google-mit-den-gesundh…
[4] /Risiko-digitaler-Gesundheitsdaten/!5648755
[5] /Google-Gruender-treten-ab/!5643774
[6] https://twitter.com/Snowden/status/1208469511051075585
[7] https://www.basicthinking.de/blog/2019/05/23/google-passwoerter-g-suite/
[8] /Datenschutz-Skandal-bei-Facebook/!5611890
[9] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Google-holt-sich-Anti-Gewerkschafts…
[10] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Calliope-mini-fuer-Schulen-Geschen…
[11] https://netzpolitik.org/2018/citizen-google-wie-ein-konzern-den-journalism…
[12] http://blogs.taz.de/hausblog/finanzzuschuss-fuer-taz-zahl-ich/
[13] /Adversarial-Fashion/!5646178
[14] https://duckduckgo.com/
[15] https://nextcloud.com/
[16] https://www.raspberrypi.org/
[17] https://ownyourbits.com/nextcloudpi/
[18] https://download.lineageos.org/
[19] https://www.deepl.com/translator
[20] https://f-droid.org/en/packages/net.osmand.plus/
[21] https://f-droid.org/
[22] https://f-droid.org/en/packages/com.aurora.store/
[23] https://reports.exodus-privacy.eu.org/en/
[24] https://praxistipps.chip.de/drei-sichere-e-mail-provider-fuer-mehr-privats…
[25] https://nextcloud.com/box/
[26] https://resist.berlin/
[27] https://support.google.com/accounts/answer/3024190?hl=de
[28] https://support.google.com/accounts/answer/32046?hl=de
[29] https://f-droid.org/en/packages/org.schabi.newpipe/
[30] https://joinpeertube.org/de/
[31] https://www.youtube.com/watch?v=v-yHkFUent8
## AUTOREN
Ulf Schleth
## TAGS
Google
Datenschutz
E-Privacy
Google
Twitter / X
Schwerpunkt Überwachung
Kolumne Internetexplorerin
Google
Google
Bundesnachrichtendienst
Silicon Valley
Schwerpunkt Meta
Google
## ARTIKEL ZUM THEMA
Google aktualisiert Streetview: Sprung in die Gegenwart
Google will das Streetview-Bild von Deutschland auffrischen. Derzeit sind
dort vielerorts Bilder von 2008 zu sehen. Es droht ein Kulturverlust.
Abschied von Twitter: Tschüss, Twitter!
Nach Facebook und Google verabschiede ich mich jetzt auch von der
Datenkrake Twitter. Auch wenn mir manche Diskussion fehlen wird.
25 Jahre Le Monde diplomatique: Google sucht dich
Vor mehr als 20 Jahren kam Googles Suchmaschine auf den Markt. Heute steht
das Unternehmen für eine neue Form des Überwachungskapitalismus.
Passwörter und Digitale Sicherheit: Nicht dumm, nur überfordert
Um sicherer im Netz unterwegs zu sein, brauchen wir vor allem mehr
Selbstbewusstsein. Fortbildung und ein Passwortmanager helfen aber auch.
Google vs. EuGH: Kein Vorbeikommen an Google
Die von der EU-Kommission verhängten Strafzahlungen sind
wettbewerbsrechtlich richtig, reichen aber nicht aus.
Internetgigant klagt gegen hohe Strafe: Ist Google zu mächtig?
Das EU-Gericht verhandelt über die Klage des Konzerns gegen ein
Milliarden-Bußgeld. Die Suchmaschine soll eigene Angebote bevorzugt haben.
Spionage durch Bundesnachrichtendienst: Grenzenlose Grundrechte
Das Bundesverfassungsgericht prüft die Auslandsüberwachung des BND.
Ausländer könnten sich bald auf deutsche Grundrechte stützen.
Regeln für Tech-Firmen: Kapitalismus mit Streuseln
Was Europa im Wettbewerb um Software und KI-Lösungen braucht, ist: Profil.
Es braucht Regeln, die den Datenschutz und die Menschenrechte hochhalten.
Das Ende eines Facebook-Accounts: Tschüss!
Daten sind Facebooks liebstes Ding. Das Netzwerk sammelt, analysiert,
verkauft. Davon hat unser Autor jetzt genug. Ein Abschiedsbrief.
Neuer Messenger von Google: Allo Google! Und Tschüss?
Der US-Konzern hat einen neuen Textmessenger für Smartphones
veröffentlicht. Wer alle Funktionen nutzen will, muss Google mitlesen
lassen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.