Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Google aktualisiert Streetview: Sprung in die Gegenwart
> Google will das Streetview-Bild von Deutschland auffrischen. Derzeit sind
> dort vielerorts Bilder von 2008 zu sehen. Es droht ein Kulturverlust.
Bild: Die letzten Googelstreetview-Bilder aus Deutschland stammen aus dem Jahr …
Berlin taz | Ein Stück Kulturgeschichte ist bedroht. Und diesmal geht es um
nichts weniger, als das Bild von Deutschland, das sich die Welt da draußen
machen kann. Denn die allmächtigen Datenkraken von Google haben
angekündigt, ihren Streetview, den Blick auf die Straßen des Landes zu
aktualisieren – an den meisten Orten erstmals seit 2010.
In allen 16 Bundesländern sollen die Autos mit den auffälligen Kameras auf
dem Dach von Juni bis Oktober unterwegs sein, um aktuelle 360-Grad-Fotos
aufzunehmen. [1][Das hat Google auf seinen Streetview-Seiten angekündigt].
[2][Laut tagesschau.de] startet die große Aufnahmeaktion am Donnerstag.
Streetview und Deutschland, das war von Beginn an eine schwierige
Beziehung. Als 2010 erstmals die dreidimensionalen Bilder ins Netz gestellt
wurden, durch die man per Mausklick an nahezu jede Adresse reisen kann,
hagelte es Kritik von Datenschützer:innen. Viele beantragten, das Haus, in
denen sie wohnten, zu verpixeln. Was Google auch tat. Seither ist das
3D-Bild, das der Konzern von Deutschland verbreitet, an vielen Orten
blockiert. Google hatte keinen Bock mehr auf die deutschen
Datenskeptiker:innen und ließ das einfach so stehen, wie es ist.
Während im Rest der Welt die Bilder immer wieder aktualisiert wurden, blieb
Deutschland nahezu landesweit auf dem Stand von 2010 eingefroren –
teilweise sogar auf dem von 2008. Denn die Bilder [3][waren schon bei der
Erstveröffentlichung nicht mehr die frischesten].
## Deutsche Widerspenstigkeit vs. googlesche Bockigkeit
Die Kombination aus widerspenstigen Deutschen und googlescher Bockigkeit
führte zu einem worldwide einmaligen Schatz. Streetview ist ein Fundus für
historische Stadtansichten. In Berlin wird in der Nähe des Brandenburger
Tors noch [4][für die so genannte Kanzler-U-Bahn gebuddelt], die
mittlerweile längst fertig gestellt ist.
Das Tempelhofer Feld [5][ist noch ein hermetisch abgesperrtes Areal], weil
dort, wo heute tägliche Tausende flanieren, grillen, skaten, damals noch
vereinzelt Flugzeuge starteten. Und das Tacheles ist nicht die heute
[6][von Spekulanten bis zur Unkenntlichkeit verbaute Investitionshölle],
[7][sondern das einst stadtbildprägende], aus Besetzerkreisen
hervorgegangene Kulturzentrum.
Auch in anderen Städten ist die Zeit stehen geblieben. In Hamburg etwa kann
man die längst zu Ikone der Stadtsilhouette erhobene Elbphilharmonie
[8][noch als Baustelle antreffen], was ja auch stimmig ist, weil die meiste
Zeit dort teures Geld verbaut wurde.
In Bochum kann man noch [9][am Opel-Werk vorbeidüsen], das 2015 geschlossen
und anschließend weitgehend abgerissen wurde.
In Düsseldorf findet sich ein weiteres längst untergegangenes Kleinod der
automobilen Geschichte: [10][dort kann man – Dank Streetview – immer noch
über den so genannten „Tausendfüßler“ brausen.] Das war eine Hochbrücke…
Autos, die sich 50 Jahre über 500 Meter quer durch die Innenstadt erhob –
und 2013 zum Glück abgerissen wurde. Heute findet sich dort ein weitgehend
verkehrsberuhigtes Areal mit Bäumen, durch das neben den
Fußgänger:innen nur die Straßenbahn zuckeln kann. Die Autos müssen
unterirdisch im Tunnel brummen.
## Diskrepanz zwischen Real Life und virtueller Realität
Entwicklung, ja Fortschritt sogar ist möglich. Das wird nirgendwo so
deutlich in Szene gesetzt wie auf Google Streetview. Und genau diese
inspirierende Diskrepanz zwischen dem Real Life und der konservierten
virtuellen Realität wird nun in den kommenden Monaten verloren gehen.
Gut möglich, dass Google nach dem Sprung in die Gegenwart auch für
Deutschland eine Funktion einführt, die schon für viele andere Weltregionen
gibt. Mit der kann man neben der aktuellen auch historische Ansichten bei
Streetview finden. Auch das hat seinen Reiz. Aber es bleibt ein schwacher
Trost.
Denn diese direkte Geworfenheit in das Vergangene, die Dasein zurück auf
seine Gewesenheit führt – wie Heidegger es wohl formulieren würde – diese
paradoxe Konfrontation mit der Zeit, sie geht verloren.
Und das nur, damit jeder sehen kann, wie es hierzulande tatsächlich
aussieht.
21 Jun 2023
## LINKS
[1] https://www.google.de/intl/de/streetview/how-it-works/#district-filter
[2] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/google-street-view-update-…
[3] /Google-zeigt-Berlin-auf-Street-View/!5132000
[4] https://www.google.com/maps/@52.5166845,13.3812841,3a,75y,235.07h,79.41t/da…
[5] https://www.google.com/maps/@52.4722178,13.4198702,3a,37.5y,237.1h,79.1t/da…
[6] /Gentrifizierung-in-Berlin/!5931793
[7] https://www.google.de/maps/@52.5259439,13.3890758,3a,75y,196.31h,107.96t/da…
[8] https://www.google.com/maps/@53.5427207,9.9852865,3a,75y,202.89h,108.22t/da…
[9] https://www.google.de/maps/@51.4646535,7.2556834,3a,75y,70.32h,91.19t/data=…
[10] https://www.google.com/maps/@51.2278244,6.7811339,3a,75y,107.96h,103.03t/d…
## AUTOREN
Gereon Asmuth
## TAGS
Google
Straßen
Virtuell
Datenschutz
GNS
Datenschutz
Google
## ARTIKEL ZUM THEMA
Google Street View in Deutschland: Die Kameras kehren zurück
Googles Autos sollen wieder durch deutsche Straßen rollen. Darüber empören
sich viele zurecht, über alltägliche Datenschutzverletzungen dagegen kaum.
Privatsphäre im Netz: Tschüss, Google!
Google hatte sich tief in mein Privatleben gefressen. Jetzt habe ich mich
getrennt – und nutze digitale Produkte, die mich nicht ausspionieren.
Ärger um Googles Fotodienst: Bundesrat soll Street View verbieten
Google möchte flächendeckend die Häuserfassaden zahlreicher deutscher
Städte im Netz veröffentlichen. Die FDP in NRW will das Projekt jetzt
notfalls über den Bundesrat stoppen.
Ehepaar klagt gegen "Streetview": Googles Foto-Orgie
Der Streit um Googles "Streetview" artet aus: Die fotografierten Straßen
fördern Kriminalität, meinen Bürgerrechtler. Umfassenden Schutz der
Privatsphäre gibt es eh nicht, erwidert Google.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.