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# taz.de -- Google Street View in Deutschland: Die Kameras kehren zurück
> Googles Autos sollen wieder durch deutsche Straßen rollen. Darüber
> empören sich viele zurecht, über alltägliche Datenschutzverletzungen
> dagegen kaum.
Bild: Immerhin erkennt man sie: Die Autos von Google Street View
Sie sind ein bisschen moderner geworden, die Street-View-Fahrzeuge von
[1][Google]. Die an einer Art Mast auf dem Autodach angebrachte
Rundumkamera sieht nicht mehr aus wie 2008, als die Geräte eher einer
Feinstaubmessstation ähnelten. Das aktuelle Modell hat stattdessen etwas
von einer Mischung aus blau-schwarzem Hydranten und mehräugigem Roboter.
Auch die Fahrzeuge darunter tragen nicht mehr verschämt-improvisiert einen
kleinen Schriftzug mit dem Firmennamen. Sondern selbstbewusst über die
volle Breitseite [2][„Google Street View“].
Klar. Alle wissen mittlerweile um die Vorteile solcher Dienste, das
Verpixeln von Gesichtern und Autokennzeichen ist Routine, und die Gespräche
mit Datenschutzaufsichtsbehörden laufen schon seit Monaten. Denn seit
Donnerstag sollen die Fahrzeuge auch in [3][Deutschland] unterwegs sein.
Dass es auch jetzt schon wieder empörte Kommentare gibt und Anleitungen
geteilt werden, an welche Adresse man seinen Widerspruch schicken muss,
wenn man das eigene Wohnhaus verpixelt haben möchte, zeigt vor allem eines:
Ob Menschen sich für den Schutz ihrer Privatsphäre interessieren, hängt in
aller Regel nicht von der Dimension ab, in der sie verletzt wird. Sondern
von der Sichtbarkeit der empfundenen Verletzung.
Das führt zu folgender Ironie: Google fährt mit Kameraautos durch die
Straßen, und plötzlich ist die Frage da, ob auch alle Gesichter konsequent
und ordentlich unkenntlich gemacht werden. Parallel dazu fotografieren
unzählige Menschen an allen erdenklichen Orten mit ihrem Smartphone durch
die Gegend, laden diese Bilder bei über Gesichtserkennung verfügenden
Online-Plattformen hoch und – nichts.
Google und zahlreiche andere Firmen und Subunternehmen, die wir nicht mal
namentlich kennen, ja von deren Existenz die meisten
Internetnutzer:innen nicht einmal etwas gehört haben, öffnen unsere
Schränke und Medikamentenkisten, schauen ins Bad und unter die
Schlafzimmerdecke, kennen Einkaufskorb und Arbeitsweg. Sie sind manchmal
Ärztin und manchmal Therapeut, werten persönliche Fotoalben aus, lesen
Tagebücher und mitunter auch unsere Gedanken. Aber eine auch nur in
annäherndem Maße vergleichbare Empörung gibt es nicht.
## Illegale Praktiken von Datenhändlern
Es ist nur zwei Wochen her, dass das Portal [4][netzpolitik.org in einer
spektakulären Recherche] die mutmaßlich illegalen Praktiken von
Datenhändlern enthüllt hat. Politiker:innen, die sich mit Datenschutz
auskennen, und Bürgerrechtsverbände zeigten sich empört. Der Experte des
Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) sprach vom „Snowden-Moment der
Online-Werbebranche“. Einige Aufsichtsbehörden ermitteln nun, vielleicht
gibt es irgendwann mal ein paar Bußgelder.
Der Punkt ist: Auch nach Snowden änderte sich an den Praktiken wenig. Ja,
viele Nutzer:innen wissen nun um die geheimdienstlichen
Überwachungsmethoden. Europäische E-Mail-Dienste verzeichneten einen
kleinen Boom. Aber die EU verhandelt derzeit mit den USA über eine dritte
Vereinbarung, die den Transfer von Daten europäischer Nutzer:innen in
die USA auf eine rechtliche Basis stellen soll. Warum eine dritte? Weil die
beiden vorangegangenen vom Europäischen Gerichtshof gekippt wurden – zu
viel Überwachung jenseits des Atlantiks, zu schmal bis nicht vorhanden die
Handhabe hiesiger Nutzer:innen dagegen. Die Chancen stehen ziemlich gut,
dass Nummer drei eine ähnliche Zukunft bevorsteht.
Genau wie Empörung weitere Empörung nach sich zieht, zieht auch ihr
weitgehendes Ausbleiben das Gefühl von „na dann ist das wohl okay so“ nach
sich. Die Unsichtbarkeit der alltäglichen großen Verletzungen ist damit die
Basis der heutigen Tech-Industrie. Denn sie verdient mit dem Datensammeln
und darauf basierender Werbung viel Geld. Die Sichtbarkeit der
Street-View-Fahrzeuge sollte darüber nicht hinwegtäuschen.
22 Jun 2023
## LINKS
[1] /Google-Maps-wird-aktualisiert/!5939043
[2] /Google-aktualisiert-Streetview/!5942455
[3] /Auftritt-von-Claudia-Pechstein-bei-CDU/!5938891
[4] https://netzpolitik.org/2023/microsofts-datenmarktplatz-xandr-das-sind-650-…
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
Datenschutz
Google
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