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# taz.de -- „Umweltsau“-Video des WDR: Papa ist kein Atom-Arsch
> Der WDR entschuldigt sich für ein Video mit einem Kinderchor, der Oma
> „Umweltsau“ genannt hat. Und man möchte schreien.
Bild: Wichtig: Auch wenn Oma zum Motorrad krückt, ist sie keine Umweltsau
Guten Tag, sind Sie über 60 Jahre alt? Oder haben Sie Freunde oder
Verwandte, auf die das zutrifft? Dann müssen Sie jetzt ganz stark sein.
Sitzen Sie? Okay. Dann kommt’s: Ein öffentlich-rechtlicher Radiosender hat
Sie, ja, Sie persönlich und Ihre Lieben, schlimm beleidigt. Mit einem
Kinderlied. Gesungen von einem Kinderchor auf Facebook. Und dieser
Kinderchor nennt Sie, ja, Sie und Ihre verrenteten Angehörigen, Achtung,
jetzt kommt’s: ne „alte Umweltsau“.
Ja genau, „Umweltsau“, das haben die wirklich gesagt. Ein Wort, fast noch
grausamer als „Blödkopf“ oder „Ömmel“, ich bitte zu entschuldigen, da…
kurz vulgär werde. Aber keine Sorge, der Sender, es handelt sich um den
Westdeutschen Rundfunk, hat diesen unbeschreiblichen Affront wieder
gelöscht und sich entschuldigt. Uff.
Noch mal kurz von vorne: Der WDR hatte auf seiner Facebookseite ein Video
gepostet, in dem der WDR-Kinderchor eine umweltpolitische Verballhornung
des Lieds „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ singt. Die Oma, die im
Refrain dieses deutschen Stuhlkreis-Schlagers normalerweise „eine ganz
patente Frau“ ist, wurde in der Umdichtung „eine alte Umweltsau“ – weil…
nicht nur Motorrad fährt, sondern auch mit dem SUV zum Arzt und sie
außerdem täglich [1][Kotelett] isst.
Das ist alles. „Umweltsau“. Nicht etwa „Flugreisen-Fotze“ oder
„Boomer-Bitch“ haben sie gesungen, nein, auch nicht „Eva Braunkohle“ ha…
sie die Oma genannt. Am allerwenigsten haben die Kinder Worte wie
„Rassistenkuh“ oder „Kolonialwarenschlampe“ verwendet. Zu Recht fragen …
jetzt: „Oma ist ein Müllberg, so groß wie der in den Weltmeeren“ kam im
Liedtext auch nicht vor. Nur „Umweltsau“. Gesungen haben die Kids übrigens
großartig.
Trotzdem löschte der Sender am Samstag das Video – und begab sich auf eine
Entschuldigungstour, die bis zum gegenwärtigen Moment andauert. Auf der
Facebookseite heißt es, man bedaure, „dass die Satire die Gefühle eines
Teils unseres Publikums verletzt hat“.
## Zweite Weihnachten für Privatpolterer
Was war geschehen? Durch die Hinweise einiger sensibler Hörer*innen war
dem WDR klar geworden, wie geschmacklos … nein, Scherz. Natürlich hatten
sich ein paar Leute auf den sozialen Medien über das Video aufgeregt, dann
waren ein paar Promis mit überschüssiger Twitterenergie aufgesprungen.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, sein CDU-Parteifreund [2][Ruprecht
Polenz] und auch der moralfeste Bild-Chef Julian Reichelt waren schnell
dabei, aus einem frechen Kinderlied (man möchte Adjektive wie „provokant“
gar nicht bemühen) wahlweise einen gefährlichen Generationenkonflikt zu
machen, einen Missbrauch der Rundfunkbeiträge oder eine politische
Instrumentalisierung von Kindern.
Und der WDR ließ sich von alledem tatsächlich hinreißen, seinen Content zu
löschen – etwas, das Redaktionen sonst nur in äußersten Fällen tun, also
bei faktischen Fehlern oder grober Geschmacklosigkeit. Und bescherte damit
einem Grüppchen ansonsten belangloser Privatpolterer in den sozialen
Netzwerken ein zweites Weihnachtsfest.
Doch damit nicht genug. Am Samstagabend fuhr der WDR im Hörfunk eine
Sondersendung zum Thema. Und Intendant Tom Buhrow sah sich veranlasst,
höchstselbst in dieser Sendung anzurufen, sich „ohne Wenn und Aber“ zu
entschuldigen und klarzustellen, dass sein 92-jähriger Vater, den er gerade
im Krankenhaus besuchte, keine „Umweltsau“ sei. Wir möchten hinzufügen:
Ganz sicher ist der Mann auch keine Klima-Kanaille, kein Auto-Abgas-Assi
und auch kein Atom-Arsch.
29 Dec 2019
## LINKS
[1] /Debatte-um-CO2-Preis-fuer-Tierprodukte/!5646365
[2] /Ein-Rentner-zeigt-der-CDU-wos-lang-geht/!5606053
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
Schwerpunkt Tom Buhrow
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Schwerpunkt Klimawandel
Umwelt
Kolumne Flimmern und Rauschen
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Shitstorm
Bayerischer Rundfunk
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