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# taz.de -- „Umweltsau“-Lied des WDR-Kinderchors: Wir sind alle Umweltsäue
> Die „Umweltsau“-Debatte der vergangenen Tage verhüllt das Kernproblem.
> Was wir aus ihr trotzdem für das Jahr 2020 mitnehmen können.
Bild: In der Realität sind fast alle Europäer schuld am Klimawandel
Die politische Großdebatte der vergangenen Tage war eine mutmaßlich
mehrheitlich geheuchelte „Spektakelpolarisierung“ (Bernhard Pörksen) wegen
eines Kinderchors, der in einer Fernsehsatire „[1][Unsere Oma ist ’ne alte
Umweltsau]“ sang. Dennoch kann man das nicht lapidar damit abtun, dass das
eh gaga oder nur Twitter sei.
Diese „Umweltsau“-Debatte steht pars pro toto für die Verhüllung des
Kernproblems (Klimakrise), die strategische Instrumentalisierung und
Beförderung dysfunktionaler Gesellschaftsgespräche durch Gegner von
Klimapolitik und die deshalb drängende Lösung der gesellschaftlichen
Kommunikationskrise.
Es zu machen, wie Helmut Kohl Europa machte – volle Pulle, aber nicht
darüber reden –, geht nicht. Wir müssen ein ernsthaftes Gespräch über das
zentrale Problem hinbekommen. Das ist der zu Ende gehende CO2-Speicherraum
in der Atmosphäre durch unser aller fossil befeuertes Wirtschaften und
Leben. Die Antwort ist eine demokratische Mehrheit für den politischen
Wechsel ins postfossile Wirtschaften. [2][Eine gesellschaftliche Mehrheit,
nicht eine parteipolitische].
Nun ist Oma (und Opa) im alten Denken tatsächlich eine Umweltsau, wenn das
für nicht zukunftsfähige Wirtschafts- und Lebensweise steht. Aber die
Enkelin und der Enkel auch. Mutti und Vati. Christ und Muslim.
Konservativer, Liberaler, Linker und Grüner. Ocasio-Cortez und Trump.
Rassist und Diskriminierte. In der physikalischen Realität sind Europäer
(fast) alle „Täter“. Deshalb ist der erste und wichtigste Schritt, die
eingeübte Kultur des Spaltens in Gute und Böse abzulegen.
## Die Lösung ist nicht Fight
Selbstverständlich handelt es sich auch um einen Generationenkonflikt. Aber
eben nicht kulturell oder ideologisch wie 1968 ff., sondern materiell. Das
ist der Grund, warum Klimapolitik diese Dynamik bekommen hat; weil sie
nicht mehr nur von privilegierten Minderheiten eines bestimmten politischen
Spektrums (Ökos, Grüne) moralisch begründet wird, sondern von einem
parteiübergreifenden Mainstream namens Fridays for Future als
Verteilungskonflikt erkannt wurde.
Die Lösung des Problems, das alle Bereiche und Systeme der Gesellschaft
herausfordert, funktioniert nicht über einen Fight zwischen zwei
Alterslagern. Genauso wenig funktioniert rechts vs. links oder halb rechts
vs. halb links.
Was Greta Thunberg und Luisa Neubauer deshalb 2019 getan haben: Sie haben
den Lager-Resetknopf gedrückt, weil er retro ist und Zukunftspolitik
erschwert. Das passt den Baerbock-und-Habeck-Grünen in den Kram, denn genau
daran arbeiten sie auch. Gegen das Reset stemmen sich die
Traditionsparteien in der Hoffnung, gestrige Mehrheiten mit halb gestriger
Politik mobilisieren zu können. Derweil freut sich die AfD über noch mehr
Beleidigte.
Also: Die Babyboomer sind nicht „schuld“ an der Erderhitzung, sondern sie
hatten in einer anderen Welt andere Prioritäten. Aber ob sie nun Blumen im
Haar hatten oder eine Schrankwand: Alle waren fossil unterwegs, weil das
normal war.
Und heute gibt es die beleidigten Opis, die griesgrämig auf dem Sofa sitzen
und die Welt nicht mehr verstehen wollen. Es gibt großartige „Omas for
Future“, die längst für den postfossilen Wandel arbeiten. Und dann gibt es
die ganz normalen Omas und Opas, die durch Greta und Luisa angefangen
haben, sich die Sache neu zu überlegen. Einerseits könnten sie drauf
scheißen, denn sie werden nicht mal mehr den Kohleausstieg erleben.
Andererseits lieben sie ihre Enkel und wollen ja irgendwie doch in ihnen
weiterleben.
Und die brauchen wir jetzt auch für die neue politische Mehrheit.
4 Jan 2020
## LINKS
[1] /Umweltsau-Video-des-WDR/!5648806
[2] /Klimapolitik-in-den-neuen-20er-Jahren/!5648676
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
WDR
Schwerpunkt Klimawandel
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