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# taz.de -- Verfassungsschutz Thüringen: Diese Crêpes sind zu heiß
> „Black Kitchen“ bekocht linke Protestierende – und schafft es damit in
> einen Landesverfassungsschutzbericht. Die Gruppe will nun dagegen klagen.
Bild: All Crêpes are beautiful? Nicht für den Thüringer Verfassungsschutz
Berlin taz | Martin Michel kocht gern Kürbissuppe oder brät Gemüsepfannen,
und das in großem Stil: für Hunderte Hungrige – widerständische Hungrige.
Denn Michel kocht mit einem Team namens „Black Kitchen“, einer linken
Soli-Küche aus Thüringen. Zuletzt etwa bei den [1][Protesten von Ende
Gelände] oder dem Klimacamp im Leipziger Land.
Für Michel ist das längst Routine. Der Endzwanziger und sein
„Aktionskochkollektiv“ verpflegen linke Protestierende schon seit den Demos
gegen den G7-Gipfel in Elmau 2015. Nun brachten sie es damit zu einem
Novum: „Black Kitchen“ ist nach eigener Auskunft die erste vom
Verfassungsschutz beobachtete Soli-Küche, seit Kurzem gelistet beim
[2][Thüringer Geheimdienst].
Die Gruppe, in Jena beheimatet, nahm das mit großer Verwunderung auf. „Wir
sehen das etwas belustigt, aber eigentlich ist es ernst“, sagt Michel.
„Denn wenn schon Gruppen, die nur Essen kochen, überwacht werden, dann ist
keiner mehr sicher vor diesem Staat.“
Der Thüringer Verfassungsschutz wirft „Black Kitchen“ in seinem aktuellen
Jahresbericht vor, sich aus „radikalen Linken“ und „AnarchistInnen“
zusammenzusetzen. Zitiert wird die Selbstdarstellung: Man koche nicht für
„reformistische Kackscheiße oder reaktionäre Arschlöcher“, sondern stelle
die „Essensversorgung für radikale und emanzipatorische Kämpfe“. Oder: �…
wollen kein Stück von eurem Kuchen, wir haben selbst eine Bäckerei.“
## „All Crêpes Are Beautiful“
Zentral aufgeführt wird im Bericht des Verfassungsschutzes indes, dass die
Koch-Gruppe im August 2018 ihre Beteiligung an Protesten gegen ein
Rechtsrock-Konzert im thüringischen Mattstedt ankündigte. Das Problem: Der
geplante Pfannkuchen-Stand sollte „All Crêpes Are Beautiful“ heißen – e…
Anspielung auf die Schmähung „All Cops Are Bastards“.
Martin Michel schüttelt über all das nur den Kopf. Wegen eines
Crêpes-Stands in den Verfassungsschutzbericht? „Der Stand hat am Ende nicht
mal stattgefunden, weil das Nazi-Konzert verboten wurde“, sagt Michel. Auch
sei der Standname eine Anspielung auf den Prozess gegen eine ihrer
Köchinnen gewesen – die 2016 beim Broteinkauf wegen eines Beutels mit dem
Aufdruck „All Cats Are Beautiful“ eine Anzeige kassierte.
Und zur politischen Einstufung stehe auf der Webseite doch, dass auch
Hippies und „viele liebe Menschen“ mitkochen würden, so Michel. „Das aber
hat sich der Verfassungsschutz nicht rausgepickt.“
Der Jenaer hält den Vorgang für ein grundsätzliches Problem: „Wie, bitte
schön, bekämpfen wir mit unserem Kochen die staatliche Grundordnung? Ist
das jetzt schon zu gefährlich? Trifft es demnächst Lesekreise?“
## Es wird weitergekocht
Der Verfassungsschutz und das Thüringer Innenministerium verwiesen auf
taz-Nachfrage erneut auf die anarchistische und linksextreme
Selbstverortung der „Black Kitchen“. Die Kochtruppe werde aber keinesfalls
mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet, sondern nur mittels
öffenlich einsehbaren Quellen, versichert ein Ministeriumssprecher. Heißt
offenbar: Der Geheimdienst liest schlicht die Webseite von „Black Kitchen“
mit.
Das Interesse an der Gruppe kam zuletzt aber auch von ganz Rechtsaußen. In
mehreren Parlamentsanfragen befragte die [3][AfD] die Landesregierung nach
Linksextremismus in Thüringen – mit der Forderung, dieses
„demokratiefeindliche Verhalten“ gehöre „möglichst umfassend aufgedeckt…
Die Landesregierung verwies in ihrer Antwort unter anderem auf „Black
Kitchen“ und ordnete die Gruppe unter „undogmatischer Linksextremismus“
ein. Die Soli-Küche sieht ihre „Denunziation“ denn auch als Teil eines
gesellschaftlichen Rechtsrucks und „Backlashs gegen alles Linke“.
Kritik daran, dass „Black Kitchen“ im Bericht auftaucht, kommt auch aus der
Thüringer Landesregierung. „Der Verfassungsschutz überzieht erneut seinen
gesetzlichen Auftrag und kriminalisiert gar noch Gruppierungen, die zu
einem bunten Protest gegen ein angekündigtes großes Rechtsrockkonzert
aufrufen“, sagt die Linken-Innenexpertin Katharina König-Preuss.
Das Innenministerium fordere doch zu Protesten gegen Neonazis auf, nun aber
würden die Protestierenden diffamiert. „Dieser Verfassungsschutz schützt
nicht demokratische Kultur, sondern gefährdet sie.“ Wenn selbst ein
Crêpes-Stand schon im Jahresbericht lande, „muss man fragen, ob der
Verfassungsschutz nicht einen an der Waffel hat“.
„Black Kitchen“ jedenfalls will die Sache so nicht stehen lassen. „Wir
werden juristisch gegen den Verfassungsschutz vorgehen“, kündigt Michel an.
Es gehe einerseits um die Nennung im Jahresbericht, andererseits um die
Frage, wie man tatsächlich beobachtet werde. König-Preuss unterstützt das
Vorgehen: Es sei zu begrüßen, dem Verfassungsschutz „in seinem ausufernden
Agieren Grenzen zu setzen“.
Und Michel betont, dass natürlich auch weitergekocht werde. Die Planungen
für die nächsten Großküchenaktionen im neuen Jahr, etwa auf dem
Fusion-Festival, liefen schon. „Das geht weiter, jetzt erst recht.“
17 Dec 2019
## LINKS
[1] /Ende-Gelaende-in-der-Lausitz/!5645678
[2] /Bilanz-einer-Geheimdienstreform/!5633212
[3] /Schwerpunkt-AfD/!t5495296/
## AUTOREN
Konrad Litschko
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