# taz.de -- Koloniale Beute: Rückkehr an den Ursprungsort | |
> Endlich sind Kunstwerke aus Nigeria und Benin wieder dort zu sehen, wo | |
> sie entwendet wurden. Vor Ort ist die Freude groß. | |
Bild: Werden an Benin „zurückgegeben“ – königliche Statuen des Königre… | |
CONTONOU taz | Theophilus Umogbai ist die Freude anzuhören. „Seit 2010 | |
arbeiten wir daran, dass die Bronzen endlich in Nigeria gezeigt werden | |
können“, sagt der Kurator des Museums von Benin City. Die Stadt liegt im | |
nigerianischen Bundesstaat Edo und ist Sitz des Oba, des traditionellen | |
Herrschers von Benin. Von hier stammen viele der mehr als 3.000 Artefakte, | |
die im Jahr 1897 während der Benin-Expedition von wohlhabenden Kaufleuten | |
und britischen Regierungsvertretern nach Europa geschafft worden waren. | |
Darin erinnert im Nationalmuseum ein unscharfes Schwarz-Weiß-Foto, das die | |
erbeuteten Objekte zeigt: aus Palästen gestohlen und anschließend lieblos | |
im Sand aufgereiht. | |
Im vergangenen Jahr hat sich die Benin Dialogue Group, die aus Kuratoren | |
verschiedener Museen in Europa und Nigeria sowie Vertretern der | |
nigerianischen Regierung und dem beninischen Königspalast besteht, darauf | |
geeinigt, die Artefakte aus Benin City an ihrem Ursprungsort zu zeigen. | |
Jahrelange Diskussionen waren dafür nötig. „Ich bin sehr glücklich | |
darüber“, sagt Umogbai. | |
Die Kunstwerke bleiben jedoch Leihgaben. Der Kurator gibt zu: Es hat auch | |
Diskussionen über eine komplette Rückgabe gegeben. Die Gegenstände nur | |
auszuleihen, klang zwischenzeitlich wie eine Beleidigung. „Eine Rückgabe | |
funktioniert aber nur, wenn die Regierungen darüber verhandeln und | |
Entscheidungen treffen“, sagt Umogbai. | |
## Schmerzhafte Erfahrungen | |
Nigeria hat damit schmerzhafte Erfahrungen gemacht. 1977 wollte man im | |
Rahmen des zweiten Weltfestivals für schwarze und afrikanische Kunst und | |
Kultur die Maske der Königin Idia ausleihen, die im Britischen Museum ist. | |
Das wurde abgelehnt. Eine Nachbildung musste reichen, letztendlich wurde | |
sie zum Symbol der Veranstaltung. Deshalb geht die künftige Ausstellung mit | |
den Originalen für Umogbai „in die richtige Richtung“. | |
Auf dem Gelände des Königspalastes sollte dafür sogar ein eigenes Museum | |
entstehen. „Von europäischer Seite hieß es immer wieder, dass die Objekte | |
nicht geschützt genug sind. Auf dem Gelände des Oba wird ihnen aber niemand | |
etwas antun“, sagt Theophilus Umogbai. Der Bau gilt als eines der | |
ambitionierten Projekte von Godwin Obaseki, der seit 2016 Gouverneur von | |
Edo State ist. | |
Gut 400 Kilometer weiter westlich in Abomey, der einstigen Hauptstadt des | |
Königreichs Dahomey, wird ebenfalls über ein Museum gesprochen. Abomey, wo | |
die Paläste der zwölf Könige seit 1985 zum Welterbe der Unesco gehören, | |
liegt heute in der Republik Benin, die bis 1960 französische Kolonie war. | |
Dort sollen künftig 26 Artefakte zu sehen sein, die während des Krieges im | |
Jahr 1892 von französischen Truppen erbeutet worden waren. Insgesamt sollen | |
5.000 Objekte weggeschafft worden sein. Ein Teil davon war bisher im | |
Quai-Branly-Museum in Paris ausgestellt. | |
## 20 Millionen aus Frankreich | |
Die 26 Objekte werden von Frankreich an Benin zurückgegeben, einen Schritt, | |
den Benin schon vor Jahren gefordert hat. Wie in Nigeria will das Museum | |
2021 öffnen. Möglich wird das mithilfe eines Kredits aus Frankreich in Höhe | |
von 20 Millionen Euro. Besucher*innen, so lauten die Hoffnungen, könnten | |
künftig die Artefakte zusammen mit dem Welterbe anschauen. | |
Franck Komlan Ogou, der in Benins Hauptstadt Porto Novo an der Schule für | |
afrikanisches Erbe arbeitet, ist skeptisch. „Die aktuellen Möglichkeiten | |
entsprechen nicht den Normen für Ausstellungsstücke von solchem Wert. Ich | |
bin mir aber nicht sicher, ob das Museum tatsächlich in den nächsten fünf | |
bis zehn Jahren fertig ist. Wie viel Zeit braucht es also, bis wir die | |
Objekte entgegennehmen können?“ | |
Ogou hätte es besser gefunden, bestehende Strukturen zu stärken. Dass die | |
Kunstwerke zurück nach Benin kommen, findet er dennoch extrem wichtig. „Für | |
Benin ist es von besonders großer Bedeutung. Die Artefakte haben den | |
Menschen gehört, die in den Regionen gelebt haben, die heute Benin | |
darstellen. Es sollte normal sein, dass sie zurückgebracht werden.“ | |
Was die Rückgabe von Kunstwerken nach Nigeria und Benin mit norddeutschen | |
Museen zu tun hat, lesen Sie in der taz am Wochenende oder [1][hier.] | |
15 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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