# taz.de -- Aufarbeitung von Kolonialgeschichte: Noch fehlt es an wirklicher Wa… | |
> Das Ethnologische Museum geht in Sachen Kolonialkunst Kooperation mit | |
> Namibia ein. Ein Wochenkommentar. | |
Bild: Koloniale Spuren weisen in Namibias Hauptstadt Winhuk den Weg | |
Keine Frage: „Confronting Colonial Pasts, Envisioning Creative Futures“ ist | |
ein wegweisendes Projekt. Die ethnologischen Sammlungen Berlins für die | |
Nachkommen der Kolonisierten aus „Deutsch-Südwestafrika“ zu öffnen und | |
einige Objekte nach Namibia zurückzugeben, ist richtig und überfällig. | |
Zumal die Vorstellung der [1][Kooperation am Mittwoch] gezeigt hat, dass | |
die Namibier zum Teil weit mehr über die Objekte wissen als die hiesigen | |
Experten. Man ist versucht zu fragen: Was wollte und will man hier | |
eigentlich mit diesen Zigtausenden Objekten, wenn die Experten oft gar | |
nicht wissen, was ihr Zweck, ihr spirituelle oder kulturelle Bedeutung in | |
der Herkunftsgesellschaft war und teilweise heute noch ist? | |
Das Projekt zeigt also einen Weg auf, wie die verstaubten Sammlungen heute | |
sinnvoll genutzt werden können: als Pfad für die Nachfahren der | |
Kolonisierten in die Kulturen ihrer Vorväter, die von unseren Vorfahren | |
gewaltsam verändert, oft genug zerstört worden sind. Gut möglich, dass die | |
Reaktivierung von Wissen über die Vorstellungswelten, Handwerkskünste und | |
Traditionen ihrer Vorfahren den Namibiern am Ende auch mehr | |
Selbstbewusstsein gibt. Vielleicht sogar in ihrem Auftreten gegenüber der | |
ehemaligen Kolonialmacht? | |
Das Projekt zeigt aber auch, wo bislang die Grenzen der kolonialen | |
Vergangenheitsbewältigung sind. Es waren die Namibier, die 2015 in Berlin | |
anklopften und baten, in den hiesigen Archiven stöbern zu dürfen! | |
Eigentlich müsste es andersherum sein: Die Verwalter der hiesigen | |
Sammlungen müssten von sich aus den Herkunftsgesellschaften anbieten, wenn | |
sie mögen, die Objekte zu beforschen und wieder an sich zu nehmen. | |
Zwar gibt sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz – als „Hüterin“ der | |
Sammlungen – weit konzilianter als früher, ihr Präsident Hermann Parzinger | |
verstieg sich am Mittwoch sogar zu der an Namibia gerichteten Aussage: Sie | |
sagen uns, was Sie wollen – wir machen das! In der Praxis handelt man aber | |
offenbar nur, soweit unbedingt nötig. Oder warum leiht man die Objekte | |
jetzt nur an Namibia aus, statt zu sagen: „Behaltet sie bitte für immer“? | |
Dass es anders gehen kann, zeigt das niederländische Weltkulturenmuseum im | |
Fall der Benin-Bronzen, die international als Paradebeispiel für koloniale | |
Raubkunst gelten. Berlin will seine Benin-Bronzen, also einen Teil davon, | |
vorerst nur ausleihen – mit der Begründung, es gebe gar kein offizielles | |
Rückgabeersuchen der nigerianischen Regierung. Das ist zum einen | |
Haarspalterei, weil das dortige Königshaus bekanntermaßen seit 50 Jahren | |
die Rückgabe der geraubten Schätze fordert. Zum anderen muss man auf eine | |
offizielle Anfrage auch gar nicht warten: Die Niederländer haben im März | |
erklärt, sie würden trotzdem alle infrage kommenden Benin-Objekte | |
identifizieren und zur Rückgabe anbieten. Denn nur dann haben die | |
Nachfahren der Kolonisierten wirklich eine Wahl. | |
21 Sep 2019 | |
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[1] /Ethnologie-und-Kolonialismus/!5624476 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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