| # taz.de -- Rechtsextremismus in Bremen: Neonazi-Melder gesucht | |
| > Der Bremer Verfassungsschutz bittet die Bevölkerung im Kampf gegen | |
| > Rechtsextremismus um Mithilfe. Die Linksfraktion findet das Vorgehen | |
| > befremdlich. | |
| Bild: Trägt Ihr Nachbar diese Marke? Der Verfassungsschutz freut sich über Hi… | |
| BREMEN taz | Im Kampf gegen Rechtsextremismus bekleckert sich der | |
| Verfassungsschutz traditionell nicht mit Ruhm: Jahrzehntelang hat er rechte | |
| Gewalt verharmlost, fragwürdige V-Leute eingesetzt, die NSU-Morde nicht | |
| erkannt, Akten geschreddert und mit Hans-Georg Maaßen (CDU) sechs Jahre | |
| lang einen Chef gehabt, dem man nun gerade nicht seine Sorgen mit Neonazis | |
| mitteilen will. Aber genau das möchte nun der Bremer Verfassungsschutz: Er | |
| bittet alle BremerInnen um Hilfe im Kampf gegen Rechtsextremismus. | |
| „Um einer weiteren Radikalisierung von Extremisten frühzeitig | |
| entgegenzutreten, brauchen wir die Zivilgesellschaft an unserer Seite“, | |
| erläuterte den Appell gestern Dierk Schittkowski, der Chef des Bremer | |
| Verfassungsschutzes. BürgerInnen sollen auffällige Signale, Äußerungen oder | |
| Verhaltensweisen telefonisch oder per Mail bei der Behörde melden. | |
| Was vor allem in Bezug auf die „Neue Rechte“ und deren Versuch einer | |
| „schleichenden Radikalisierung“ von Internet-Communitys, in Vereinen, | |
| Betriebsräten oder auch beim lieben Nachbarn, werde oft nicht oder zu spät | |
| erkannt, sagt Schittkowski. „Der Verfassungsschutz sollte hier ein | |
| Frühwarnsystem sein, aber das geht mit den vorhandenen Ressourcen nicht – | |
| das geht nur, wenn alle mitarbeiten.“ | |
| ## Kein Vertrauen | |
| Aber nicht „alle“ vertrauen dem Verfassungsschutz. Er habe die Morde des | |
| NSU damals, noch als Polizist, sehr ernst genommen, „auch wenn das | |
| bestimmte Verfassungsschutzämter nicht getan haben“, sagte dazu | |
| Schittkowski. Die kleine Behörde in Bremen könne nur vor Ort versuchen, | |
| Vertrauen zu schaffen. Beim Thema Islamismus funktioniere das auch sehr | |
| gut: Die Menschen scheuten sich hier nicht, die Behörde anzurufen. „Dieses | |
| Hinweisaufkommen haben wir beim Rechtsextremismus nicht.“ Er hoffe, dass | |
| sich das ändere. | |
| Nelson Janßen, innenpolitischer Sprecher der Bremer Linksfraktion, ist | |
| skeptisch: „Auch wenn es nicht verkehrt ist, die Menschen dazu aufzurufen, | |
| aufmerksam zu sein und zu signalisieren, dass auch der Verfassungsschutz | |
| das Thema oben auf der Liste hat: Es gibt viele Strukturen wie | |
| beipielsweise Soliport, die das Thema schon lange intensiv begleiten“, sagt | |
| er. Soliport ist eine unabhängige Beratungsstelle für Betroffene rechter, | |
| rassistischer und antisemitischer Gewalt in Bremerhaven und Bremen. | |
| Der Verfassungsschutz müsse in seinem Aufgabenbereich alles tun, was er | |
| könne, „aber sinnvoller wäre es, wenn solche Projekte langfristig | |
| finanziert und besser unterstützt würden“, sagt Janßen. Aktive | |
| Recherche-Netzwerke veröffentlichten Material und Fotos für jeden einsehbar | |
| im Internet, „aber der Verfassungsschutz kennt das Material teilweise nicht | |
| einmal. Der Informationsstand ist da offenbar nicht besonders gut.“ | |
| ## Auch Linke im Visier | |
| Gut informiert ist der Verfassungsschutz hingegen – traditionell – über die | |
| linke Szene: Nicht wenige jener, die sich dort dem Kampf gegen | |
| Rechtsradikalismus verschrieben haben, befinden sich selbst im Visier der | |
| Behörde. Ja, sagte Schittkowski, die „Gruppe Antifa“ komme im | |
| Verfassungsschutzbericht vor und er gehe auch nicht davon aus, dass sich | |
| jene an ihn wenden würden: „Aber ich meine alle anderen | |
| zivilgesellschaftlichen Mitglieder, denn Antifaschisten sind wir ja alle.“ | |
| Janßen bezweifelt, dass der Vorstoß des Verfassungsschutzes fruchtet: „Mein | |
| Vertrauen, dass er zur Speerspitze der Bekämpfung rechter Umtriebe wird, | |
| ist begrenzt – und dieses Vertrauen haben jene, die viel Energie und | |
| Recherche in ihre Arbeit gegen Rechtsextremismus stecken, ebenfalls nicht.“ | |
| Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat für die Bekämpfung von | |
| Rechtsextremismus jüngst 300 neue Stellen beantragt. Auch in Bremen, sagte | |
| Schittkowski, werde es Gespräche mit dem Innensenator geben. Denn während | |
| die islamistische Terrorgefahr unverändert hoch sei, komme jene durch | |
| Rechtsextremismus nun als Schwerpunkt hinzu. „Ich sehe nicht, dass wir in | |
| Bremen Kapazitäten zur Ressourcen-Aufstockung haben“, sagt Janßen. | |
| 17 Oct 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schnase | |
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