| # taz.de -- Bedrohung durch Rechtsextreme: Betroffene alleingelassen | |
| > Das Bremer Bürgeramt lehnt es in mehreren Fällen ab, die Adressen von | |
| > Personen zu sperren, die von der rechtsextremen Szene bedroht werden. | |
| Bild: Der Umgang der Behörden mit Rechtsextremismus wurde auch schon im Karnev… | |
| Hamburg taz | Sie beraten Opfer rechter Gewalt, sie bilden zur | |
| parlamentarischen Demokratie aus oder sie berichten über rechtsextreme | |
| Tendenzen. Die Mitarbeiter von Opferberatungsstellen, Angestellte von | |
| Vereinen für Zivilcourage oder Journalisten, die kontinuierlich über | |
| Rechtsextremismus informieren, sind durch ihre Tätigkeit per se Feinde der | |
| „nationalen Bewegung“. Sie erfahren aber keinen besonderen Schutz des | |
| Staates. | |
| In Bremen hat das Bürgeramt den Wunsch von n, ihre private Adresse sperren | |
| zu lassen, abgelehnt. Davon sind auch Personen betroffen, die zuvor bereits | |
| wegen der besonderen Bedrohung aus dem rechtsextremen Spektrum eine | |
| Auskunftssperre erhalten hatten. Sie hatten lediglich eine Verlängerung der | |
| Sperre beantragt – vergeblich. Keiner der aktuell Betroffenen möchte | |
| namentlich in diesem Kontext erwähnt werden. | |
| Aus nachvollziehbaren Gründen: Seit Jahren wird in den sozialen Netzwerken | |
| gegen Mitarbeiter von Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt oder von | |
| Netzwerken für Geflüchtete oder Vereinen für Zivilcourage gehetzt. Seit | |
| Jahren hat sich auch der Hass gegen „die Lügenpresse“ verschärft. Längst | |
| wurden Kinder von Mitarbeitern von Initiativen an der Schule abgefangen und | |
| bedroht. | |
| Der WDR hat vor wenigen Tagen erst eine Strafanzeige gestellt, da der | |
| Leiter der Redaktion Monitor, Georg Restle, eine Morddrohung erhalten hat. | |
| In den „Tagesthemen“ hatte Restle am 11. Juni in einem Kommentar die AfD | |
| als „parlamentarischen Arm“ der „Identitären Bewegung“ bezeichnet und | |
| gefordert, die AfD als „rechtsextremistisch“ einzustufen. Im Norden wird | |
| nicht nur der Journalistin und Rechtsextremismusexpertin Andrea Röpke aus | |
| der Szene der Tod gewünscht. | |
| Spätestens nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter | |
| Lübcke (CDU) durch einen Rechtsextremen am 2. Juni dieses Jahres auf | |
| seiner Terrasse an seinem Wohnhaus ist offensichtlich, dass Hass und Hetze | |
| im Internet zu konkreten Taten führen können. | |
| Eine neue Gesetzeslage ist es nicht, die in Bremen zu der Verweigerung der | |
| Auskunftssperren führt, erklärt Karen Stroink vom Pressereferat des Bremer | |
| Senators für Inneres. Auf Nachfrage der taz verweist sie auf die | |
| gesetzliche Grundlage für die Erteilung der Auskunftssperre im | |
| Melderegister. Die Sperrung sei möglich, „wenn Tatsachen vorliegen, die die | |
| Annahme rechtfertigen, dass der betroffenen oder einer anderen Person durch | |
| eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche | |
| Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann“. | |
| Vor zwei Jahren habe das Bundesverwaltungsgericht aber „verschärfte | |
| Maßgaben“ formuliert, so Stroink. „Danach soll die Funktion der | |
| Melderegister, Auskunft über die im jeweiligen Zuständigkeitsbereich | |
| wohnhaften Personen zu geben und dadurch sowohl private als auch | |
| öffentlichen Auskunftsinteressen zu dienen, nur unter strengen | |
| Voraussetzungen durch Auskunftssperren eingeschränkt werden“, sagt sie. | |
| Die mögliche Gefährdung müsse jetzt konkret dargelegt werden. Eine | |
| abstrakte Gefährdungslage, wie die allgemeine Zunahme extremistischer | |
| Bedrohungen, reiche nicht aus. Vielmehr müsse die Sache in Abhängigkeit der | |
| jeweiligen individuellen Umstände oder der beruflichen Tätigkeit beurteilt | |
| werden, sagt Stroink. | |
| Aber steht die Verweigerung der Auskunftssperren nicht im Widerspruch zur | |
| aktuellen Einschätzung des Bundesinnenministeriums zu rechtsextremer | |
| Gewalt? Nach dem Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hatte | |
| Innenminister Horst Seehofer (CSU) das rechtsextreme Milieu für | |
| „brandgefährlich“ erklärt. Trotzdem – die Gefahr ist der Bremer Behörd… | |
| abstrakt. | |
| Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht aktuell von 24.100 Rechtsextremen | |
| deutschlandweit aus – ein Höchststand. Mehr als die Hälfte – 12.700 | |
| Personen – stufte das Amt als „gewaltorientiert“ ein. Diese Zahlen seien | |
| „in Verbindung mit der hohen Waffenaffinität des rechtsextremistischen | |
| Spektrums ausgesprochen besorgniserregend“, sagte Seehofer Ende Juni. | |
| Die Sorge der Betroffenen allein reicht für die behördliche Datensperrung | |
| dennoch nicht aus. Dass die Betroffenen selbst den Nachweis für eine | |
| „konkrete Bedrohung“ erbringen müssen, wird durch die Polizei jedoch | |
| zusätzlich erschwert. Ein Beispiel: Bisher sind nur einzelne Personen von | |
| der Todesliste des rechtsextremen „Nordkreuz“ informiert worden. Wie aber | |
| sollen die anderen, die nichts von ihrer Gefährdung wissen, sie beweisen? | |
| 30 Jul 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Speit | |
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