# taz.de -- „Keine Randnotiz“ in Bremen: Rechte Taten im Visier | |
> Zwei Beratungsstellen wollen rechte Vorfälle in Bremen und Umland | |
> dokumentieren. Unter „Keine Randnotiz“ können Betroffene selbst | |
> Erlebnisse melden. | |
Bild: Rechte Kriminalität hat in Bremen zugenommen | |
Bremen |taz | Juli 2019: Zwei Schwule werden in einem Club in der Neustadt | |
geschlagen und homophob beleidigt. Eine Familie, die für nicht-deutsch | |
gehalten wird, findet vor dem Eingang zu ihrem Kleingarten ein Hakenkreuz | |
aus Zucker. Vier Afghanen werden im Schnoor [1][körperlich angegriffen und | |
beleidigt]. | |
2018 hat rechte Kriminalität im Land Bremen [2][laut Verfassungsschutz] | |
stark zugenommen. Vorfälle wie die oben beschriebenen fanden schon zuvor | |
Beachtung, jetzt wollen zwei Bremer Beratungsstellen gegen rechte und | |
rassistische Gewalt sie auch zentral erfassen, archivieren und strukturiert | |
für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Projekte Soliport und „Pro | |
aktiv gegen rechts“ haben dafür am Mittwoch die Plattform [3][„Keine | |
Randnotiz“] online gestellt, nach einem Jahr Planung. | |
Bis zurück in den Januar 2017 haben die Macher rechte Vorfälle | |
dokumentiert. Von nun an soll die Webseite ständig aktualisiert werden. Bis | |
Redaktionsschluss waren 101 Vorfälle aus Bremen, Bremerhaven und der | |
näheren Umgebung auf der Plattform versammelt. | |
Mit bisher unbekannten Informationen zum Ausmaß rechter Gewalt in Bremen | |
sollten die Nutzer*innen der Webseite zunächst nicht rechnen: Ein Großteil | |
der dokumentierten Meldungen wurde bereits über Polizeimeldungen oder | |
Presseberichte verbreitet. „Man vergisst die Fälle aber wieder, auch wenn | |
man davon gehört hat“, glaubt Josef Borchardt von Soliport. | |
## Rechte Straftaten sichtbar machen | |
Die Initiativen wollen zeigen, dass es sich nicht um isolierte Ereignisse | |
handelt: „Wir machen die [4][Kontinuität rechter Straftaten] sichtbar“, so | |
Max Wengel von „Pro aktiv gegen rechts“. Rechte Taten, auch dass zeige sich | |
durch die Dokumentation, kämen nicht nur von einem rechten Rand, sondern | |
seien überall in der Gesellschaft zu finden. | |
Auch Ereignisse unterhalb des Straftatbestandes werden deshalb aufgenommen. | |
„Wenn ich ausgelacht oder diskriminiert werde, verändert das mein | |
Sicherheitsgefühl“, so Wengel. Viele Meldungen betreffen aber handfeste | |
Beleidigungen, Bedrohungen und Gewaltanwendungen. Prominent vertreten sind | |
mit 49 Meldungen auch Propagandadelikte wie [5][Hitlergrüße] und | |
Wandparolen. | |
Angst, Hakenkreuzschmierern durch die Webseite erst eine Öffentlichkeit zu | |
geben, haben die Initiatoren nicht: „Die Erfahrung zeigt, dass sich rechte | |
Aktivitäten eher verstärken, wenn Kommunen versuchen, sie durch Wegschauen | |
auszutrocknen“, sagt Wengel. „Wer das Problem nicht sieht, wird sich nicht | |
[6][im Kampf gegen Rechts] beteiligen.“ | |
Wer recherchieren möchte, kann sich Vorfälle chronologisch anzeigen lassen, | |
über eine Karte Meldungen aus einzelnen Stadtteilen oder Straßen suchen | |
oder rechte Aktivitäten nach Schlagwörtern ordnen – „Sachbeschädigung“… | |
„Körperverletzung“, „Antisemitismus“ und „Ableism“, „LGBTIQ“ o… | |
„Hatespeech“ heißen die etwa. | |
Die Bandbreite ist groß – und bildet doch nur einen Teil der Realität ab. | |
Viele Ereignisse werden gar nicht bei der Polizei angezeigt, die | |
Betroffenen hätten Angst, dass ihnen dort nicht geglaubt wird. | |
Obwohl Soliport auch Vorfälle aus seiner Beratungsarbeit in das Projekt | |
einfließen lassen möchte, lässt sich das Problem der Dunkelziffer nicht | |
einfach lösen: Da Diskriminierungserlebnisse geradezu alltäglich seien, | |
würden viele Erfahrungen nicht gemeldet. Und nicht alle, die bei Soliport | |
vorsprechen, so Borchardt, wollen ihre Geschichte veröffentlicht sehen. | |
Helfen soll eine Meldefunktion auf der Webseite. Betroffene und Zeug*innen | |
können über ein Onlineformular von Vorfällen berichten; sie dürfen anonym | |
bleiben – allerdings brauchen die „Keine Randnotiz“-Betreiber einen | |
Kontakt, um die Geschichte nachrecherchieren zu können. | |
„In der Beratungsarbeit gibt es für uns keinen Grund, an den Aussagen zu | |
zweifeln“, erklärt Borchardt. Doch für das Dokumentationsprojekt bedürften | |
alle Vorfälle einer zusätzlichen Validierung, etwa durch Zeugen: „Wir | |
veröffentlichen nur, was wir für sicher halten – wir wollen ernst genommen | |
werden.“ | |
Bisher gibt es die Webseite ausschließlich auf Deutsch – eine potenzielle | |
Hürde für Betroffene. Zumindest beim Meldeformular soll das möglichst bald | |
geändert werden. Die Berichte zu übersetzen sei aber „mit unseren | |
Ressourcen nicht zu schaffen“, bedauert Borchardt. Für das „Keine | |
Randnotiz“-Projekt hat der zuständige Mitarbeiter etwa acht Wochenstunden | |
zur Verfügung. | |
2 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] /!5605994/ | |
[2] https://www.verfassungsschutz.bremen.de/ | |
[3] https://www.keine-randnotiz.de/#/ | |
[4] /Einschuechterungsversuch-von-rechts/!5591464 | |
[5] /Bremen-vor-der-Buergerschaftswahl/!5593864 | |
[6] /Protest-gegen-AfD-Buero-in-Bremen/!5510712 | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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