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# taz.de -- Porträt des HipHop-Duos Klitclique: Zugezogen feminin
> Den Spieß umdrehen: Das Wiener Duo Klitclique setzt die maskulin
> besetzten Rap-Konventionen außer Kraft. Nun kommen sie nach Berlin.
Bild: Machen Trap mit extrafieser österreichische Note: $chwanger (l.) und G-u…
Zwei Frauen schlendern über die Bühne, die eine gibt sich betont
affektiert, fährt sich tussimäßig durch die Locken und nennt sich G-Udit
(„Gee-Judit“), die andere verzieht keine Miene und nennt sich $chwanger. Zu
ballernden Trapbeats tragen die beiden in monotonem Tonfall Verse vor wie
diese: „Die Zukunft wird schön / unser Album nicht / Kunst darf schön sein
/ unser Album nicht / Meine Muschi ist sehr schön / unser Album nicht“.
Sie rappen im Wiener Dialekt, wie auf Tranquilizer, mit massig
Autotune-Effekten versehen, und in ihren Texten fordern sie die Errichtung
des „Goldenen Matriarchats“ und den Weltkulturerbestatus für die Brüste v…
Stefanie Sargnagel.
Jener Auftritt von [1][Klitclique,] wie sich das Duo nennt, fand bereits
im Sommer 2018 in Berlin statt. Ihre Performance aber – die Überzeichnung,
die Fuck-you-Attitüde, der feinsinnige und fiese Humor – hinterließ
bleibenden Eindruck, die beiden Musikerinnen stellten ihr Debütalbum mit
dem unschlagbaren Titel [2][„Schlecht im Bett, gut im Rap“] vor. Nun
gastieren sie im Rahmen des Pop-Kultur-Festivals erneut in Berlin, wo sie
eine eigens dafür erarbeitete Performance zeigen.
Klitclique bewegen sich im Umfeld des feministischen Performance-Kollektivs
Burschenschaft Hysteria in Wien. Judith Rohrmoser (G-Udit) und Mirjam
Schweiger ($chwanger), wie die beiden bürgerlich heißen, sind Buddies der
Schriftstellerin Stefanie Sargnagel, den Song ihr zu Ehren komponierten sie
2016, als Sargnagel am Bachmann-Wettbewerb teilnahm.
Seit 2005 machen sie gemeinsame Sache, zunächst als Sprüherinnen in der
Graffiti-Crew NGS, dann nahmen sie an Rap-Battles teil. „Rap ist für uns
wie ein Ventil“, schreibt G-Udit via Mail, „anfangs waren die anderen
Rapper und Sprüher Thema unserer Freestyle-Schimpftiraden.
Dann begannen wir, Machtstrukturen im Kunstkontext und Zwischenmenschliches
in unseren Stücken anzusprechen.“ G-Udit hat in Wien Philosophie und Kunst
studiert, während $chwanger zu ihrem Studium kurz und knapp schreibt:
„Kunst bis 2012. BWL bis 2019.“ Ansonsten geben sie wenig Biografisches
preis.
## Mehr Gummi im Cloudrap
Ihr Debütalbum ist digital erschienen (abgesehen von einer
Mini-Vinyl-Auflage), man kann es sich kostenlos auf ihrer Homepage
herunterladen. Deshalb wurden Klitclique oft als Cloudrapperinnen gelabelt
– so bezeichnet man HipHop-MusikerInnen, die Stücke oft im Home Recording
zusammenbasteln, sie direkt hochladen und ein Fetisch für Autotune haben.
„Ich finde, Rap ist viel experimenteller geworden dank Cloudrap. Wir wollen
uns aber nicht auf ein Genre festlegen“, erklärt $chwanger zum Einfluss des
Stils auf ihr Werk. Auch G-Udit kann dem Phänomen etwas abgewinnen: „Im Rap
ist Sprache immer ein hartes Schwert und Rüstung. Im Cloudrap ist es etwas
mehr wie Gummi. Neue Wortkonstrukte entstehen täglich, neue Stimmen
sprechen, mit neuen Inhalten.“
Bei Klitclique haben die pointierten, entlarvenden Texte besondere
Bedeutung. Der Berliner Gangstarap der nuller Jahre mit seinem Provogestus
hat Spuren hinterlassen, Klitclique-Tracks sind aber weitaus intelligenter
als das meiste, was aus dieser Ära kommt.
## Das Steuergeld und die Kunst
In „LSDAB“ („Leute Suchen Drogen Am Boden“) singen sie die Zeilen: „W…
deine Hoden / am Boden“, dem Kunstbetrieb verpassen sie im Vorbeigehen
einen Seitenhieb („Dein Galerist kauft dir Kokain / damit du schneller
stirbst“), und in „$teuergeld“ konterkarieren sie die populistischen
Anwürfe, es werde zu viel öffentliches Geld in die Kultur gesteckt, auf
geniale Weise: „$teuergeld / Freu dich für mich“, lautet der gesamte Text.
Neben der Sargnagel-Hommage gibt es zudem eine Würdigung der verstorbenen
österreichische Künstlerin Maria Lassnig („Karriere-Bitch mit 90“). Beats
für ihre Songs bauen sie zusammen mit dem Produzenten Mirza Kebo. Lange
aber waren ihnen Performances und Battles wichtiger, als Stücke im Studio
zu produzieren. „Wir wollten weisungslos jammen und experimentieren“, so
G-Udit.
Inspiration dafür kam aus dem experimentellen Pop- und HipHop-Bereich, von
US-KünstlerInnen wie Antipop Consortium, Shabazz Palaces und Deli Girls.
Schwestern im Geiste sind vielleicht noch das inzwischen aufgelöste
Berliner HipHop-Duo SXTN und, mehr noch, Die Römischen Votzen aus
Frankfurt.
Die Klitclique-Ästhetik hat eine extrafiese österreichische Note – in
dieser Art und Weise hat man das im feministischen Kontext noch nicht
gehört. Insofern kann es unter ihrer Regentinnenschaft gerne anbrechen, das
goldene Matriarchat. Denn lustig wird’s dann bestimmt.
20 Aug 2019
## LINKS
[1] http://www.klitclique.com/
[2] https://soundcloud.com/klitclique
## AUTOREN
Jens Uthoff
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