# taz.de -- Drogenfahndung mit Bienen: Bienen als Bullen | |
> Bienen haben einen guten Geruchssinn. Das will sich die Polizei zunutze | |
> machen. Fragen des Tierwohls scheinen dabei eher nachrangig zu sein. | |
Bild: Zuckerwasser als Belohnung, Stromstöße als Bestrafung – so sollen Bie… | |
Die Honigbiene (Apis mellifera) ist ein Nutztier. Seit Jahrtausenden ziehen | |
Menschen aus dem Verhalten der Bienen erheblichen Nutzen. Sie bestäuben | |
Blüten, sie produzieren Honig, auch an ihrem Wachs sind wir interessiert. | |
Bienen sind im Regelfall und bei sachkundiger Pflege duldsam und überhaupt | |
nicht aggressiv. Die kleinen Hautflügler für weitere Aufgaben zu | |
konditionieren ist keine neue Idee, der Vorschlag einer jungen Polizistin | |
und Hobbyimkerin aus Nordrhein-Westfalen jedoch würde die Domestizierung | |
der Honigbiene auf ein völlig neues Niveau heben. Die Beamtin Sonja Kessler | |
ist der Überzeugung, dass Bienen mit entsprechender Dressur die Aufgaben | |
von Spürhunden, deren Training und Einsatz vergleichsweise aufwendig ist, | |
übernehmen könnten. | |
In einem Laborversuch konditionierte Kessler die Bienen, auf bestimmte | |
Gerüche zu reagieren. Dazu soll den Tieren bei Entdeckung des gesuchten | |
Stoffes Zuckerwasser als Belohnung, im gegenteiligen Falle eine Bestrafung | |
per Stromstoß verabreicht worden sein. Der Zeitaufwand für das Training | |
wird als recht gering beschrieben. Alles andere wäre auch wenig | |
zielführend, beträgt die Lebensdauer einer Biene doch nur wenige Wochen. | |
Kessler hält den Einsatz der Bienen zum Beispiel bei der Gepäckkontrolle in | |
Flughäfen, aber auch im Freiland zur Drogenfahndung für möglich. Dabei | |
würden die Bienen zunächst mit einer stark reflektierenden Farbe markiert. | |
Eine Drohne (die Maschine, nicht die männliche Biene) würde per | |
großflächiger Laserabtastung den Weg der Bienen verfolgen und Sammelpunkte | |
der Tiere als mögliche Drogenlager registrieren. Ein Bienenvolk allein | |
könnte so zur engmaschigen Überwachung eines dutzende Quadratkilometer | |
großen Umkreises dienen. Für ihren Plan erhielt die Polizistin den | |
„Zukunftspreis Polizeiarbeit“, und auch [1][die Gewerkschaft der Polizei | |
ist derart begeistert, dass sie den Spürbienen die Titelgeschichte in der | |
Augustausgabe des Verbandsmagazins] widmet. | |
Immer wieder suchen Sicherheits- und Überwachungsfanatiker Inspiration und | |
Hilfe bei Insekten. Die theoretische Faszination für die straff | |
organisierten, staatenbildenden Arten erklärt sich dabei fast von selbst. | |
Aber auch physiologisch scheinen Bienen großes Interesse zu wecken. Dabei | |
wird auch der akademische Blick auf diese in vielen Details noch immer | |
nicht hinreichend erforschten Insekten mit einbezogen. | |
## Nonplusultra der Militär-Science-Fiction | |
An der Harvard-Universität entwickelten Wissenschaftler 2016 Roboterbienen, | |
sogenannte Robobees: Wenn das [2][Bienensterben] anhalte, werde man sie als | |
Pflanzenbestäuber einsetzen, hieß es. Der Offiziersliterat Ernst Jünger | |
hatte diese Hightech-Insekten bereits 1951 in seiner Erzählung „Gläserne | |
Bienen“ vorausgeahnt – aber abgelehnt. Sie saugen die Blüten zwar noch | |
gründlicher aus als die lebenden Bienen „mit ihrer vorsintflutlichen | |
Ökonomie“, aber mit ihrer überlegenen Technik würden die künstlichen Bien… | |
über kurz oder lang die Blumen unfruchtbar machen. Bei den Harvard-Robobees | |
kam jetzt allerdings heraus, dass sie letztlich kriegerischen Zwecken | |
dienen sollen – [3][als Minidrohnen]: „Die Militärs stellen sich bereits | |
riesige Schwärme von tödlichen Insekten vor, die auf 3-D-Druckern | |
hergestellt einen Dollar pro Stück kosten“, schreibt die | |
Wissenschaftsjournalistin Lisa Margonelli in ihrem Buch „Underbug“ (2018). | |
Autonom agierende Schwärme gelten ohnehin als das Nonplusultra der | |
Militär-Science-Fiction. Immerhin würden die aber nicht aus zugerichteten | |
Lebewesen bestehen. | |
Bienen sind komplexe Tiere, deren Lebenszyklus klaren Mustern folgt, die | |
sich bei ändernden Umweltbedingung aber flexibel anpassen können. Bis auf | |
die Königin und die Drohnen (diesmal nicht die Maschinen) sind alle | |
Honigbienen im Stock Generalisten: Das beginnt nach dem Schlüpfen der Biene | |
mit dem Reinigen ihrer und anderer Waben. Nach etwa drei Tagen geht sie zur | |
Brutpflege über, ab dem zehnten Lebenstag betätigt sie sich eine Woche lang | |
als Bauarbeiterin. Danach wird sie Wächterin am Flugloch. Von dort fliegt | |
sie einige Male in die nähere Umgebung des Stocks, um sich den Standort | |
einzuprägen. Schließlich wird sie Sammelbiene und bringt Nektar und Pollen | |
ein, bei Bedarf auch Wasser und Baumharze. Erst ab diesem Punkt wäre sie | |
überhaupt als Spürbiene für die Polizei einsetzbar. Allerdings nicht, wenn | |
es regnet, zu kalt, zu heiß oder zu windig ist, auch nicht in der Nacht | |
oder in den Wintermonaten: Dann fliegen die Bienen nämlich nicht. Das | |
dürfte selbst mit elektrischer Motivationshilfe kaum zu ändern sein. | |
Die Vielseitigkeit ist bei den Bienen wenigstens zum Teil biologisch | |
fundiert – insofern „mit dem Wechsel von einer Arbeit zur anderen | |
verschiedene Drüsensysteme in Körper der Bienen aktiviert werden“. Zum | |
Beispiel „die Ammendrüsen im Kopf zur Zeit der Brutpflege und die | |
Wachsdrüsen an der Bauchseite bei den Baubienen“, wie Martin Lindauer | |
schreibt (in: „Verständigung im Bienenstaat“, 1975). Der Bienenforscher hat | |
darüber hinaus in Experimenten festgestellt, dass die Insekten flexibel | |
sind: Wenn man dem Bienenvolk alle Jungbienen wegnimmt, dann gehen die | |
Sammelbienen an die Pollenvorräte und reaktivieren damit ihre Ammendrüsen | |
und Wachsdrüsen. Wenn man umgekehrt alle Sammelbienen entfernt, dann wagen | |
sich nach einigen Tagen die jungen Bienen nach draußen und bringen Nahrung | |
für den Stock ein – oder fliegen Haschischlager an, wenn sie denn darauf | |
trainiert werden. | |
Es gibt auch völlig harmlose Einsatzgebiete für Bienen, die ohne Zwang | |
großen Nutzen bringen. So sind an einigen deutschen Flughäfen Bienen als | |
„Biodetektive“ unterwegs. Der Honig, den sie dort in ihre Stöcke eintragen, | |
wird auf mögliche Schadstoffe (giftige Schwermetalle und Kerosinrückstände) | |
untersucht, die unter Umständen von den Flugzeugen bei Start und Landung | |
ausgestoßen werden. „Die Ergebnisse des Bienenmonitorings waren an allen | |
Flughäfen bisher mehr als zufriedenstellend: Die im Honig gemessenen Werte | |
lagen weit unter den von der EU festgesetzten Höchstwerten“, berichtet der | |
Biologe Mario Ludwig in seinem Buch „Tierische Jobs“ (2019). | |
## Abhör-Katzen und Torpedo-Delfine | |
Für solch dystopische Fantastereien wie die Idee der Spürbiene scheinen | |
Fragen des Tierwohls eher nachrangig zu sein. Genauso wie solche nach der | |
Privatsphäre Unbeteiligter, die einer biologischen Überwachung ausgesetzt | |
würden, oder die nach der Haftung bei eventuellen Schäden, zum Beispiel bei | |
Stichen. | |
Bei der Tierwohlfrage gilt es aber zu bedenken, dass wir uns in der | |
Vergangenheit schon auf niederträchtigere Weise die Erde und jedes Wesen | |
zum Untertan gemacht und für unsere Zwecke missbraucht haben: Pferde, | |
niedergemetzelt in Kavallerieschlachten, Kampfelefanten und -hunde. Der | |
Kalte Krieg brachte uns Katzen mit implantierten Abhörgeräten und Delfine | |
als lebende Torpedos. Dagegen wirkt die Begeisterung für Bienen als | |
Drogenschnüffler fast schon wieder harmlos. | |
19 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/dp201908?open&ccm=000 | |
[2] /Ackergifte-in-der-EU/!5585989 | |
[3] /Minidrohnen-koennen-an-Blaettern-haften/!5305924 | |
## AUTOREN | |
Helmut Höge | |
Daniél Kretschmar | |
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