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# taz.de -- Proteste in Hongkong: Digital überwacht, digital unsichtbar
> In Hongkong verändert Technologie die Protestkultur: Einst halfen
> Regenschirme gegen Tränengas, jetzt Laserpointer gegen Gesichtserkennung.
Bild: Bunt und pointiert: Die Protestierenden in Hongkong wissen sich gegen die…
Berlin taz | Hongkongs [1][Massenproteste] gehen jetzt in die zehnte Woche
und Polizei wie Demonstranten haben inzwischen ihre Taktik verändert. So
setzt die Polizei öfter und früher Tränengas ein, das noch vor ein paar
Jahren in Hongkong unbekannt war. Sie erlaubt auch seltener Proteste. Das
ermöglicht, Demos schneller mit Tränengas auseinanderzutreiben. Die
Demonstranten sehen das als Indiz, dass Hongkong [2][immer mehr wie die
Volksrepublik China wird], wo Proteste illegal sind. Bisher gab es in
Hongkong rund 600 Festnahmen.
Umgekehrt wandelt und radikalisiert sich das Verhalten der Demonstranten,
zumindest ihres harten Kerns. Ihr neuer Slogan, „Sei Wasser“, stammt von
[3][Hongkongs Kung-Fu-Legende Bruce Lee] und spielt auf die Weichheit
dieses Mediums an, das auch sehr zerstörerisch sein kann. Als eine Art
fließende Protestguerilla tauchen Demonstranten jetzt unvorhersehbar an
einem Ort auf und verschwinden wieder, wenn die Polizei anrückt. Für dieses
Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei sind Genehmigungen irrelevant, das
Risiko von Festnahmen und Verletzungen ist gering. Die Demonstranten gehen
so Straßenkämpfen mit der Polizei aus dem Weg. Sie organisieren sich über
Chatgruppen in dem Messengerdienst Telegram oder über die lokale
Webplattform LIHKG.
Die Protestbewegung ist weiter eine anonyme Masse, die ohne Führung agiert.
Dies ist eine Lehre aus der gescheiterten Regenschirmbewegung („Occupy
Central“) von 2014. Deren Führer sitzen oder saßen im Gefängnis. Heutige
Demonstranten legen Wert auf Anonymität, denn die Regierung versteht
Proteste als Aufstände, auf die bis zu zehn Jahre Gefängnis stehen.
Gesichtsmasken sind deshalb Standard, inzwischen meist durch Gasmasken
ersetzt. Hinzu kommen gelbe Bauarbeiterhelme und schwarze T-Shirts und
natürlich Regenschirme. Alles erschwert die Identifikation. Helme und
Masken sind in Hongkong jetzt Mangelware, doch sorgt ein Onlinehändler für
Nachschub. Auch schicken Sympathisanten in Taiwan Helme.
Längst geht es auch um digitale Unsichtbarkeit, was im vernetzten Hongkong
großen Aufwand bedeutet. Schließlich hat jeder Demonstrant ein Smartphone
und in der Regel eine „smarte“ elektronische U-Bahnkarte. Weil diese
Fahrtdaten speichert, wird sie durch teurere Einzelfahrscheine ersetzt,
die beim Verlassen der U-Bahn-Station automatisch eingezogen werden.
## Identifikation ist das neue Schlachtfeld
Das Handy muss für Demos präpariert werden. Die Löschung von Kontakten,
Chats und bestimmten Programmen, ein unverfänglicher Nutzername, eine
Prepaid-SIM-Karte und guter Passwortschutz sind nötig. Da ein Fall bekannt
wurde, in dem Polizisten einem festgenommenen Aktivisten das Smartphone
vors Auge hielten, um per Irisscan die Sperre zu öffnen, sind entsprechende
Vorkehrungen zu treffen.
Identifikation ist das neue Schlachtfeld. Berichten zufolge haben
Polizisten ihre Identifikationsnummern von den Uniformen entfernt. Ein
Demonstrant soll, bis er festgenommen wurde, an einer Software gearbeitet
haben, die Gesichter Polizisten zuordnen kann. Demonstranten nehmen jetzt
Laserpointer mit, um ab Einsetzen der Dunkelheit damit Polizisten zu
irritieren und zu blenden, deren Kameras und Sensoren der
Gesichtserkennungssoftware zu stören. In China ist die Überwachung durch
automatische Gesichtserkennung so weit fortgeschritten wie in keinem
anderen Land. Wieweit Hongkong bereits auf chinesische Technologie
zurückgreift, ist dagegen unklar.
Doch stört die Polizei die Blendung durch die Laser massiv, zumal die
Strahlen aus zu großer Nähe auch schwere Augenschäden bis hin zur
Erblindung verursachen können. Letzten Dienstag nahmen Zivilpolizisten
Keith Fong fest, den Führer der Studentenunion der Hongkonger
Baptisten-Universität. Er hatte gerade zehn taschenlampengroße Lasergeräte
gekauft. Die Polizei sprach von „Angriffswaffen“ und demonstrierte bei
einer Pressekonferenz, wie Fongs Geräte aus zwei Meter Abstand ein Papier
zum Rauchen brachten.
Demonstranten warfen der Polizei Doppelstandards vor. Denn aus zwei Meter
Abstand [4][abgefeuerte Tränengaskartuschen oder Gummigeschosse] können
auch tödlich sein. Aus Solidarität mit Fong organisierten sie eine
nächtliche Lasershow vor dem Planetarium. Denn Laser werden gern von
Sternenguckern benutzt. Das Problem der Polizei: Fong hatte die Geräte
völlig legal erworben. Er musste freigelassen werden.
11 Aug 2019
## LINKS
[1] /Proteste-in-Hongkong/!5613747
[2] /Proteste-gegen-die-Regierung/!5610869
[3] /Suedchinesische-Kampfkunsttradition/!5518320
[4] /Gewalteskalation-in-Hongkong/!5607867
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
China
Schwerpunkt Überwachung
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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