# taz.de -- Film-Regisseurin über das Imkern: „Imker und Bienen kommuniziere… | |
> Der Dokumentarfilm „An der Bruchkante“ zeigt, wie Imkermeister in der | |
> mecklenburgischen Provinz arbeiten – und um ihr berufliches Überleben | |
> kämpfen. | |
Bild: Bei aller Liebe: Ohne Schutzanzug wagt sich nicht jeder Imker zu seinen B… | |
taz: Frau Andersen, wer spielt bei Ihnen die Hauptrolle – Bienen oder | |
Imker? | |
Anne Andersen: Es ist das Zusammenspiel zwischen beiden: Das sind Imker, | |
die ein ganz enges Verhältnis zu Bienen und sehr viel Erfahrung im Umgang | |
mit ihnen haben und die das zu ihrem Beruf gemacht haben. Wenn man genau | |
hinschaut, kann man sehen, dass die Bienen bei jedem Imker anders sind. Man | |
könnte meinen, dass sie sich charakterlich aneinander anpassen. | |
Können diejenigen, die Sie begleitet haben, noch leben von der Imkerei? | |
Das ist ein schwieriges Unterfangen. Der eine hat schon als Kind Bienen | |
gehabt. Er hat in der DDR eine Ausbildung zum Imker-Meister gemacht und | |
konnte in Verbindung mit der Arbeit in Institutionen davon leben. Nach der | |
Wende wurde es immer schwieriger. Es gibt die Tendenz zu Großimkereien | |
beziehungsweise größeren Familienbetrieben einerseits – und Hobby-Imkern in | |
Stadt und Land andererseits. Diese Schwierigkeit, heute Imker zu sein, wird | |
im Film deutlich. Dabei könnten gerade diese kleinen Betriebe auf dem Land | |
eine wichtige integrative Funktion haben; im Dschungel der | |
Förderrichtlinien und Verordnungen und den Gesetzen des Marktes können sie | |
aber oft nicht bestehen. | |
Und der andere „Held“ Ihres Films? | |
Ein sehr besonderer Bio-Imker, der mit seinen Bienen kurz nach der Wende | |
auch mit zur Gründung eines Demeter-Hofs beigetragen hat, wollte beharrlich | |
trotz aller Schwierigkeiten nicht aufgeben. | |
Was macht ihn so besonders? | |
Er war einfach ein sehr naturverbundener Mensch mit großem Wissen und | |
jemand, der für die wesensgemäße Bienenhaltung gekämpft hat. Alle sagen | |
immer: Bio-Imkerei ist wichtig, auch er wurde als Bienenretter stilisiert. | |
Gleichzeitig konnte er aber nicht davon leben. Er hat dann gesagt: Die | |
Gesellschaft muss sich ändern, es kann doch nicht wahr sein, dass ich so | |
viel Arbeit mache, aber nicht davon leben kann. | |
Hat es etwas genützt? | |
Er hat nach Wegen gesucht: Kurse gegeben, Leute aus der Region beraten, die | |
mit dem Imkern angefangen haben, mit anderen kooperiert – auch als | |
Hausmeister nebenher gejobbt. Letztendlich musste er seine Demeter-Imkerei | |
teilweise aufgeben. Er ist letztes Jahr bei einem tragischen Unfall | |
gestorben. | |
Neigen Städter dazu, das Landleben zu verklären? | |
Ja, sie schauen aus der Vogelperspektive und haben ein romantisches | |
Verhältnis zur Natur. Das ist natürlich sehr vergröbernd gesagt, aber viele | |
Städter haben ein gefühliges Verhältnis zu den Tieren. | |
Wie schaffen Sie es denn, keine Klischees zu bedienen, wenn sie Imker | |
zeigen? | |
Ich habe immer mehr raus genommen aus dem Film und musikalisch gearbeitet. | |
Als ich angefangen habe, Film zu studieren in Hamburg, habe ich auch | |
Kompositionstheorie mit belegt. Meine Arbeit hat eine Fugenstruktur wie in | |
musikalischen Kompositionen. Ich reiße manchmal etwas auseinander. Es muss | |
atmen können, damit keine strengen Kausalketten entstehen und sich die | |
Leute selbst einen Reim draus machen können. Dieses Fragmentarische hat | |
mich hoffentlich davor bewahrt, nur die Misere zu zeigen. Da muss man als | |
Zuschauer ein bisschen arbeiten und kann sich die Dinge vielleicht neu | |
zusammensetzen. | |
Für [1][„An der Bruchkante“] haben Sie den Theaterregisseur Armin Petras | |
eingeladen, mit Imkern und Landwirten an Heiner Müllers Stück „Die | |
Umsiedlerin“ zu arbeiten – was hat das mit Bienen zu tun? | |
Das Stück war in der DDR zunächst verboten. Es beschreibt genau die | |
Gemengelage, die ich skizzieren wollte: Es spielt nach dem Zweiten | |
Weltkrieg, zur Zeit der Bodenreform. In einer Szene kommt ein Funktionär zu | |
den Bauern und erzählt stolz: Es gibt endlich Saatgut. Ein Bauer aber steht | |
nur da und fragt: Und wann kommen Pferde? Hier bei uns reagiert das | |
Publikum dann sehr emotional. | |
Weil die Leute solche Szenen kennen? | |
Bei der Dürre vergangenes Jahr, als die Leute ihr Vieh verkaufen mussten, | |
weil sie kein Futter mehr hatten, hieß es: Es gibt Ausgleichszahlung. Wenn | |
die zu spät kommt, sind die Tiere aber schon tot. Genauso geht es oft den | |
Imkern: Wenn die Fördermaßnahmen nicht passgenau sind, ist es so, als wären | |
sie nicht da. Hier auf dem Land wird das sehr gut verstanden. | |
War früher alles besser? | |
Ich würde sagen, dass es hier in der Region zu DDR-Zeiten mehr Spielräume | |
gab. Es ist aber trotzdem nicht von ungefähr, wieso Leute weggegangen sind. | |
Also, romantisch verklären würde ich eine bäuerliche Landwirtschaft auch | |
nicht. Bertolt Brecht hat, als er die „Mutter Courage“ geschrieben hat, | |
sinngemäß gesagt: Die Bauernkriege waren mit das größte Unglück der | |
deutschen Geschichte, weil die Bauern seitdem keine Stimme mehr haben. | |
Stattdessen sagen Außenstehende, wie es funktioniert. | |
Ist die Biene in Ihrem Film also auch ein Symbol? | |
Von einem Symbol würde ich nicht sprechen. Bienen sind sehr feine | |
Seismographen für das, was auf der Erde passiert, sie sind Mittler zwischen | |
Menschen und Pflanzen. Wenn man richtig imkert, dann kommuniziert man mit | |
den Bienen. Ich lade die sehr erfahrenen Imker deshalb auch immer mal ein, | |
meine Bienen anzugucken – weil sie mehr sehen als ich. Dann stehen wir | |
einfach eine Zeitlang vor dem Bienenstock und beobachten, wie die Tiere | |
fliegen. | |
Dasein und beobachten: Ist das auch die Rolle, die Sie für den Zuschauer | |
vorsehen? | |
Das war eigentlich mein Wunsch, als ich anfing. Ich hatte sehr viele | |
solcher Aufnahmen. Im Film selbst ist das immer kürzer geworden. Zum einen, | |
weil die Ereignisse immer dramatischer wurden. Und zum anderen musste ich | |
mich ja auch damit befassen, wer das am Ende „lesen“ kann. | |
Sie sind selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen. Was unterscheidet Sie von | |
Stadtkindern? | |
Das ist wie bei ausgebildeten Musikern: So wie eine Geigerin für | |
musikalische Feinheiten sensibilisiert ist, gehen Menschen vom Land anders | |
an einem Feld vorbei und sehen dort vielleicht nicht nur die schönen | |
Kornblumen. Es ist immer eine Freude, wenn man Leute trifft, die das | |
komplexe Zusammenspiel in der Landwirtschaft sehen. | |
15 Aug 2019 | |
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## AUTOREN | |
Inga Kemper | |
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