# taz.de -- Verpflichtender Imkerschein in Berlin: Im Namen des Volkes | |
> Haltung und Pflege eines Bienenvolks ist keine Kleinigkeit. Jetzt | |
> diskutiert Berlin den verpflichtenden Imkerschein für Hobby-Imker. | |
Bild: Mit Schutzanzug und hoffentlich auch mit Sachverstand: Imker in Berlin | |
Auf und ab schweben die Bienen vor dem Einflugloch. Flugschule ist die | |
Devise. Nach ihrer Zeit als Stockbienen bereiten sich die Arbeiterinnen auf | |
ihren letzten Lebensabschnitt vor, den Flug zum Sammeln von Pollen und | |
Nektar. Der Mai ist, trotz des Kälteeinbruchs am Monatsanfang, einer der | |
aktivsten Monate der Bienenvölker. Innerhalb kürzester Zeit vervielfacht | |
sich die Zahl der Bienen eines Volkes. Mehrere 10.000 Tiere sind dann | |
unterwegs zwischen gelben Rapsfeldern und den in voller Blüte stehenden | |
Kastanien – auf der Suche nach Nahrung für den Nachwuchs und den | |
Wintervorrat. | |
Genau das ist auch der Moment der möglicherweise größten Überforderung für | |
Neu-Imker*innen. Die Motivation, sich ein Bienenvolk anzuschaffen, mag | |
durchaus ehrenwert sein, zum Schutz der Natur, Förderung der Biodiversität, | |
des Insektenlebens und Rettung der Natur – ganz abgesehen jedoch davon, | |
dass die Honigbiene, anders als Wildbienen, nicht unbedingt die maximale | |
Bereicherung der natürlichen Umwelt sein muss, ist ihre Haltung und Pflege | |
keine Kleinigkeit. | |
„Man wird ja nicht als Imker geboren“, betont Holger Ackermann, Sprecher | |
des Landesverbandes Brandenburgischer Imker, deshalb die Notwendigkeit der | |
Ausbildung und ständigen Weiterbildung. Mit dem ersten Bienenvolk werden | |
die Halter*innen Tierwirte. Angesichts unerforschter Phänomene rund um die | |
Honigbiene sei lebenslange Bildungswilligkeit sehr wichtig. „Learning by | |
doing“, aber langfristig begleitet, beschreibt Ackermann als die | |
vernünftigste Herangehensweise. | |
Benedikt Polaczek, Imkermeister an der Freien Universität (FU) und | |
Vorsitzender des Berliner Imkerverbandes, hat anlässlich der gerade | |
beschlossenen Berliner Bienenstrategie im April die Möglichkeit eines | |
verpflichtenden Imkerscheins ins Gespräch gebracht. „Die Bienen sind | |
Lebewesen und die müssen im Vordergrund stehen.“ | |
Wer einfach eine Beute – den Kasten mit den Bienenwaben – auf dem Balkon | |
aufstelle, sei schnell überfordert, wenn im Frühjahr relativ plötzlich | |
mehrere zehntausend Tiere da sind. Die Frage eines Zwangs zum Imkerschein | |
steht für Polaczek letztlich gar nicht im Vordergrund: „Es geht nicht um | |
Stempel und Belege, sondern um Verständnis.“ | |
## Die Biene braucht den Imker | |
Allein die Vielzahl der Krankheiten, die Bienen befallen, können eben nur | |
vom geschulten Auge rechtzeitig erkannt werden. Die Honigbienen einfach | |
sich selbst zu überlassen, hält er für unverantwortlich: „Ohne imkerliche | |
Hilfe kann die Honigbiene nicht lange überleben“, sagt Polaczek. | |
Als größtes Problem beschreibt der Brandenburger Holger Ackermann das | |
wiederholte Auftreten der Amerikanischen Faulbrut, einer durch Sporen | |
übertragene bakterielle Erkrankung, die unerkannt zum sicheren Tod | |
befallener Völker führt. Der brandenburgische Landesverband bietet seinen | |
Mitgliedern zur [1][Sanierung von Faulbrutfällen] ein | |
Bienen-Gesundheits-Mobil als viel beachtetes Modellprojekt ein. | |
Die Mitgliedschaft in Vereinen bedeutet in Brandenburg zudem neben einer | |
Rechtsschutzversicherung auch einen stark vergünstigten Zugang zur | |
veterinärmedizinischen Überprüfung der Bienenvölker im Länderinstitut für | |
Bienenkunde in Hohen Neuendorf an. Gleichzeitig haben organisierte Imker | |
einen unkomplizierteren Zugang zu neuen Informationen zu Haltung und | |
Krankheiten. Und der sei nötig: „Das ist schließlich kein Meisenkasten, was | |
sie da aufstellen“, so Ackermann. | |
Das Hohen Neuendorfer Insititut gehört in der Berliner Bienenstrategie auch | |
zu den besonders förderungswürdigen Akteuren, genauso wie die Arbeit an der | |
FU. Pläne für eine gesetzliche Zwangsregelung für die Bienenhaltung gibt es | |
nach Auskunft der Senatskanzlei für Justiz bislang nicht, aber auch sie | |
stellt besonders die Förderung von Aus- und Weiterbildung heraus. | |
## 7.000 Völker berlinweit | |
Und deren Notwendigkeit ist unbestritten. Benedikt Polaczek spricht von | |
berlinweit derzeit 1.300 organisierten Imkern mit etwa 7.000 Völkern. Dazu | |
kommen noch ca. 3.000 Völker von nicht im Verband organisierten | |
Imker*innen. Er erinnert sich, dass es Anfang der 1990er Jahre schon eine | |
ähnlich hohe Dichte an Bienenvölkern in Berlin gab, die analog zu einem | |
bundesweiten Trend bis 2007 auf 485 Imker mit circa 2.500 Völkern sank, | |
seitdem aber [2][wieder kräftig gestiegen] ist. | |
Zu diesen Völkern kommen in Großstädten gerne noch jene von | |
Wander-Imker*innen hinzu. Für die ist der große Bestand an blühenden Bäumen | |
interessant, die bis in den Sommer viel Tracht zum Sammeln anbieten. Für | |
ein Kilogramm Honig sammeln die Bienen mehr als die doppelte Menge Nektar. | |
Selbst bei großem Angebot wird die Dichte der zu versorgenden Völker | |
irgendwann zum Problem. | |
Polaczek ist sich deshalb sicher: „Es braucht weniger Bienenhalter, dafür | |
mehr gut ausgebildete Imker.“ Imkerei sei nicht einfach nur ein Hobby, das | |
man einfach wieder beiseite legen könne: „Wer einmal ernsthaft mit der | |
Imkerei anfängt, kann irgendwann nicht mehr ohne die Bienen leben.“ Man | |
müsse sich fragen: „Ist Platz für eine zweite wahre Liebe in meinem Leben?�… | |
Für die [3][Biodiversität] ist derweil mit der Aussaat bunter Blumen, einer | |
echten Bienenweide, mehr getan als mit der Anschaffung eines Bienenvolks. | |
Und wer es wirklich wagen will, sich in einen Staat voller Hautflügler zu | |
verlieben, braucht mehr als ein paar YouTube-Tutorials, egal ob der | |
Imkereikurs verpflichtend oder freiwillig ist. | |
8 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Daniél Kretschmar | |
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