| # taz.de -- Imker Otmar Trenk über Beesharing: „Ein Nutzen für Bauern und I… | |
| > Otmar Trenk ist der Betreiber von Deutschlands erstem Bienen-Netzwerk. | |
| > Ein Gespräch über Nachhaltigkeit und summendes Geld. | |
| Bild: Fing als Bankkaufmann an und verleiht jetzt Bienen: Otmar Trenk | |
| taz: Was ist besonders charmant an der Biene, Herr Trenk? | |
| Otmar Trenk: Es gibt das Prinzip des Einbettelns: Eine Biene, die in einen | |
| neuen Stock einziehen will, muss eine Art Gastgeschenk mitbringen. Das | |
| können Pollen, Nektar oder Honig sein, erst dann wird die Biene von der | |
| neuen Population aufgenommen. Das finde ich niedlich. | |
| Sie haben das Unternehmen „Beesharing“ gegründet. Was ist Ihr Konzept? | |
| Wir sind ein digitales Netzwerk, durch das Bauern und Imker Kontakt | |
| zueinander aufnehmen können. Davon haben beide einen Nutzen: Der Bauer, da | |
| seine Pflanzen bestäubt werden müssen; der Imker, weil seine Bienen Pollen | |
| und Nektar sammeln können. In unserem Netzwerk sind heute schon 18.000 | |
| Bienenvölker von etwa 450 Imkern registriert und 2.000 Hektar Nutzfläche | |
| von Landwirten. Wir haben allerdings auch 300 eigene Bienenvölker und | |
| produzieren mit diesen Honig und setzen sie zur Bestäubung im alten Land | |
| ein. | |
| Wie sind Sie auf die Biene gekommen? | |
| Ich habe angefangen, mich mit dem Thema zu beschäftigen, als ich den Film | |
| „More than Honey“ zum ersten Mal gesehen habe. Das war im zweiten Semester | |
| meines Studiums. Danach hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. Wenn | |
| mich etwas interessiert, werde ich sehr exzessiv. Ich habe begonnen, mich | |
| mit Bienen, ihrer Zucht und der Bestäubung zu beschäftigen. Ich habe meine | |
| Freunde ganz schön damit genervt – aber sie haben es verstanden und mich | |
| mit weiteren Büchern eingedeckt. | |
| Der Film „More than Honey“ von Markus Imhoof wurde 2012 breit diskutiert. | |
| Er zeichnet eine dystopische Zukunft ohne Bienen, die durch Monokulturen, | |
| Pestizide und Krankheiten versterben. Was hat Sie besonders schockiert? | |
| Einer der Imker in „More than Honey“ steht vor einem riesigen Feld voller | |
| Mandelbäume, auf dem Millionen Bienen summen und sagt: „Das ist der Klang | |
| von Bargeld. Das ist alles Geld.“ Das hat so gar nicht mit dem Bild des | |
| Imkers, wie ich ihn mir vorgestellt habe, zusammengepasst. | |
| Wie sieht das aus? | |
| Ein alter Mann in einem Dorf, der vielleicht zehn Bienenstöcke in seinem | |
| Hinterhof stehen hat. An seiner Tür hängt ein Schild „Honig direkt vom | |
| Imker“ – ein richtiger Bilderbuch-Imker. Aber die Realität sieht heute, | |
| zumindest in den USA, ganz anders aus. | |
| Inwiefern unterscheidet sich die amerikanische Imker-Szene von der | |
| deutschen? | |
| In den USA ist das eine richtige Industrie. Bienenkolonien werden auf Zuruf | |
| tausende Kilometer bewegt. In Deutschland gibt es im Bezug auf die | |
| professionelle Bestäubung eigentlich gar keine Strukturen. Die Bestäubung | |
| fand bisher auf Zuruf statt, wenn dann plötzlich der kontaktierte Imker | |
| krank war, stand der Bauer vor einem Problem. Deshalb waren unsere ersten | |
| Aufträge auch oftmals Kompensationsvermittlungen. | |
| Was waren Ihre ersten Schritte mit den Bienen? | |
| Ich habe selbst mit dem Imkern begonnen. Dafür habe ich erst einmal | |
| versucht, Imker zu finden – das war gar nicht so leicht. Schließlich habe | |
| ich meinen Imker-Vater gefunden. Der lebte in einer Kleingarten-Kolonie auf | |
| der östlichen Seite der Alster. Er hat mich ausgebildet. | |
| Und dann? | |
| Ich hatte meinen ersten eigenen Bienenstock im Garten, dann wurden es zwei, | |
| drei. Heute haben wir 300 Bienenstöcke – natürlich nicht mehr in meinem | |
| Garten. Wir haben zunächst einen Verein gegründet und Förderung bei | |
| Stiftungen beantragt, doch die wollten uns nicht fördern. Auch deshalb | |
| entschieden wir uns, eine GmbH zu gründen und den wirtschaftlichen Weg zu | |
| wählen. Bis heute beschäftigt uns das Spannungsverhältnis von Ökologie und | |
| Ökonomie. | |
| Immer mehr Großstädter stellen sich eine Bienenkolonie auf ihr Dach oder | |
| den Balkon. Auf dem Land sterben die Imker an Überalterung. Als Erfinder | |
| von „Beesharing“ sind sie vermutlich Städter durch und durch? | |
| Nein, gar nicht. Ich komme aus Süd-West-Niedersachsen, aus dem schönen | |
| Schaumburger Land. Dort wuchs ich in einem Dorf mit 300 Einwohnern auf. | |
| Vielleicht bin ich deshalb bis heute ein sehr naturverbundener Mensch. Ich | |
| bin auf Bauernhöfen und im Wald groß geworden; bin auf Treckern mitgefahren | |
| und durch Schweineställe getobt. | |
| Sind Ihre Eltern Landwirte? | |
| Nicht direkt. Wir haben in der Familie einen alten Bauernhof, aber der | |
| wurde damals schon nicht mehr landwirtschaftlich genutzt. Er hatte aber | |
| noch Stallungen, in denen zwei Pferde gehalten wurden. Ansonsten gab es | |
| aber viele Bauernhöfe in meinem Dorf. | |
| War Ihnen Nachhaltigkeit schon früher wichtig? | |
| Nach dem Abitur habe ich drei Monate lang in den USA gelebt. Dort habe ich | |
| an verschiedenen Naturschutzprojekten gearbeitet: Wir haben Wege angelegt | |
| und Präriehunde gezählt. Daran erinnere ich mich besonders gerne: Wie wir | |
| zwei Wochen entlang der Route 66 gecampt haben, einsam durch die Prärie | |
| streiften und diese Hunde zählten. Darüber hinaus hat für mich schon immer | |
| eine Rolle gespielt, was und wie wir konsumieren. | |
| Sie sind für Ihre Ausbildung nach Hamburg gezogen. Wie schwer fiel Ihnen | |
| die Umstellung vom Land auf die Großstadt im Hinblick auf die plötzlich | |
| „unsichtbare“ Produktion tierischer Produkte? | |
| Fleisch wurde in meiner Familie schon immer sehr bewusst konsumiert. Wir | |
| haben es nie im Supermarkt gekauft. Stattdessen trafen wir uns einmal im | |
| Jahr mit Verwandten bei einem Schlachter. Wir haben alle gemeinsam ein Rind | |
| gekauft, das wurde geschlachtet und unter uns aufgeteilt und eingefroren. | |
| Jede Familie bekam circa 150 Kilo Fleisch. Das reichte für ein Jahr. | |
| In Hamburg haben Sie dann vermutlich nicht mehr selbst schlachten lassen? | |
| Als ich nach Hamburg gezogen bin, war das schon eine große Umstellung. | |
| Nachhaltigen Konsum muss man sich ja auch erst einmal leisten können. Ich | |
| habe kaum finanzielle Unterstützung von meinen Eltern erhalten, habe | |
| zwischenzeitlich auch im Unternehmen meines Bruders mitgearbeitet. Da war | |
| teures Fleisch nicht drin. | |
| Was wurde im Unternehmen Ihres Bruders produziert? | |
| Mein Bruder hat einen Teehandel mit dem größten Bio-Sortiment in Europa | |
| aufgebaut. Da habe ich immer wieder mitgearbeitet und habe dadurch auch | |
| Kontakte zu dieser Bio-Szene aufbauen können. Das hat mir viel Spaß | |
| gemacht. | |
| Trotzdem haben Sie erst einmal etwas ganz anderes gelernt … | |
| Ich habe eine Ausbildung als Bankkaufmann bei der Deutschen Bank begonnen. | |
| Ich wollte wissen, wie die Grundlagen von Wirtschaft funktionieren. Ich | |
| habe aber damals schon viel mit Unternehmensgründern zusammengearbeitet – | |
| als Vertreter der Bank habe ich ihnen Geld geliehen. Mit der Zeit wurde mir | |
| bewusst, dass die interessanteren Geschichten eigentlich auf der anderen | |
| Seite des Tisches saßen. Besonders erinnere ich mich an die strahlenden | |
| Augen derjenigen, die ein Projekt ins Leben riefen, an das sie wirklich | |
| glaubten. | |
| Warum Sind Sie gegangen? | |
| Ich denke, man kann einen Beruf ausüben, so lange man abends noch ruhig | |
| einschlafen kann. Das war lange gegeben, aber als die Bank begann, immer | |
| mehr Leute zu entlassen, wollte ich dort nicht mehr arbeiten. Außerdem | |
| versuche ich, mich immer zu fragen: Sehe ich mich in diesem Beruf noch in | |
| 20 Jahren? Und wäre ich dann glücklich? Die Antwort war Nein, deshalb wurde | |
| es Zeit für eine Veränderung. | |
| Sie haben danach Politikwissenschaft an einer ziemlich linken Fakultät | |
| studiert. Wie kam es dazu, dass Sie von der bösen auf die gute Seite der | |
| Macht gewechselt sind? | |
| Diese Darstellung ist mir zu schwarz-weiß. Ich würde schon behaupten, dass | |
| ich auch auf der bösen Seite schon zu den Guten gehört habe. Ich habe nie | |
| Kunden etwas aufgeschwatzt, das ihnen geschadet hätte. | |
| Sie haben Ihre Ausbildung zur Zeit der Weltwirtschaftskrise begonnen. | |
| Ja, ich bin während der Lehman-Pleite im Jahr 2008 in den Beruf gestartet. | |
| Ich habe mit Kunden Silberbarren in ihre Autos geschleppt, weil sie Angst | |
| hatten, dass sie ihr gesamtes Vermögen verlieren. Das hat mich schon sehr | |
| geprägt. Ich war mir stets dessen bewusst, dass ich mit dem Geld von | |
| Menschen arbeite, von denen einige das Vermögen ihr gesamtes Leben lang | |
| angespart haben. Unsere Banken haben sich in den vergangenen zehn, zwanzig | |
| Jahren nicht unbedingt durch gesteigertes Bewusstsein in diesem Bereich | |
| ausgezeichnet – ich habe versucht das anders zu machen. | |
| Ist es Ihnen wichtig, dass Ihre Arbeit einen gesellschaftlichen Wert hat? | |
| Na klar. Man arbeitet niemals zum Selbstzweck. Arbeit bedeutet per | |
| Definition die Anwesenheit äußerer Zwänge. Und wenn man diese Zwänge | |
| akzeptiert, dann muss das schon für etwas sein, was einen erfüllt. | |
| Wenn man sich das leisten kann. | |
| Ich glaube, das kann sich jeder leisten. Wenn man sich ehrlich fragt, was | |
| man im Leben braucht und will und auch seinen eigenen Konsum kritisch | |
| hinterfragt, dann geht das. | |
| 24 Sep 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Muriel Kalisch | |
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