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# taz.de -- Debatte über Imkerschein: Führerscheinklasse Bsssssssssssss
> Niedersachsens SPD und CDU bringen im Landtag einen Imkerschein ins
> Gespräch. Angeblich sind ohne ihn Natur und Verbraucher in Gefahr.
Bild: Beschützer oder Gefährder: Hobbyimker bei der Arbeit
Osnabrück taz | Bienen haben es schwer. Die Pestizide und Monokulturen der
Agrarindustrie machen ihnen zu schaffen, die Lichtverschmutzung, die
Erderwärmung, die Zubetonierung von Grünland, die Verkehrsabgase.
Obwohl: Wenn es nach Wiard Siebels geht, dem Parlamentarischen
Geschäftsführer der niedersächsischen SPD-Landtagsfraktion, und nach Dirk
Toepffer, dem Fraktionsvorsitzenden der Landes-CDU, sind es vielleicht eher
die Hobbyimker, die den Bienen das Leben erschweren. Die beiden Fraktionen
der Koalition stellten daher den Antrag „Natur und Verbraucher schützen –
den Imkerschein einführen“.
Die Imkerei sei „kaum geregelt und durch wenige Gesetze bestimmt“, heißt es
darin. Durch einen Mangel an Fachwissen könne es zu unsachgemäßer Betreuung
der Bienenvölker kommen, könnten sich Krankheitserreger oder Schädlinge
verbreiten. Schulungen auf freiwilliger Basis seien nicht in der Lage, „das
eigentliche Problem der unzureichenden Sachkunde gerade bei Neuimkern“ zu
beheben.
Die Landesregierung möge sich daher auf Bundesebene für einen Imkerschein
einsetzen. Der sei „zum besseren Schutz von Honigbienen und der Sicherung
der Bienenhaltung“ erforderlich. Zudem sei der Hobbyimker ein
„Lebensmittelunternehmer“, unterliege „allen Anforderungen des
Lebensmittelrechts“.
Miriam Staudte, Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen
Landtag und Sprecherin für Landwirtschaft und Tierschutz, findet den
GroKo-Antrag absurd. „Ich hoffe, dass wir das abwenden können.“ Die Imkerei
müsse „unterstützt statt bürokratisiert und reglementiert werden“, sagt …
in der Landtagsdebatte Mitte März. Ein Pflichtschein sei eine „unnötige
Hürde mit abschreckender Wirkung“. Es gebe keinerlei Handlungsbedarf, denn
Imkerkurse gebe es zuhauf, nicht nur bei den Imkerverbänden.
„Wir lassen Ihnen hier nicht durchgehen“, focht sie im Landtag, „dass sie
den Eindruck erwecken wollen, Bienenvölker sterben, weil die Imker keine
Ahnung haben. Bienenvölker sterben, weil die Landschaft ausgeräumt ist,
weil sie ein mangelndes Nahrungsangebot an vielfältigen Blühpflanzen haben
und weil Pflanzenschutzmittel zu viel und falsch angewendet werden.“ Vor
allem neonicotinoidhaltige Pestizide sind gefährlich für Bienen.
Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) lehnt
deren generelles Verbot jedoch ab.
„Viele Imker setzen sich ja gegen den Einsatz von Pestiziden und gegen
Monokulturen ein. Vielleicht hat auch das bei dem Antrag eine Rolle
gespielt“, sagte Staudte nach der Landtagssitzung. Die Vorschreibung eines
„institutionalisierten Wegs des Lernens“ verbaue zudem, dass ein Neuimker
„Kontakt zum Imker in der Nachbarschaft aufnimmt und sich diesen Profi als
Lehrpaten aussucht“.
Siegfried Flegel ist einer dieser Lehrpaten. Fünf Jungimker betreut der
Vize-Vorsitzende des rund 220 Mitglieder starken Imkervereins Osnabrück und
Umgebung von 1862 zurzeit. „Ich gehe dadrin auf“, sagt er über seine
Imkerei. „Das ist mein Leben.“
Flegel hat 16 Völker. Über den Antrag der SPD und CDU schüttelt er den
Kopf. „Solche Vorwürfe sind nicht in Ordnung“, sagt er. „Das sorgt unter
uns Imkern für Frust.“ Durch einen Imkerschein würde viel Engagement
wegbrechen, fürchtet er. „Für uns wäre das der Todesstoß!“
Flegels Verein bietet vielfältige Schulungen an, im Waldhof der Hochschule
Osnabrück. Die Nachfrage sei groß. Das geht dann von der Anatomie bis zur
Auswinterung, von der Vermehrung bis zur Ausrüstungskunde, von
Standortfragen bis zu Trachtpflanzen. „Einen Grundlehrgang sollte jeder
machen“, sagt Flegel. „Am besten auch Fortgeschrittenenkurse über die
Jahre. Aber solch ein Imkerschein? Ich kann mir schon lebhaft vorstellen,
wie das wäre. Man geht dahin, sitzt das ab, irgendwer kassiert ordentlich
dafür.“ Ein Zertifikat allein reiche aber nicht. „Imkerei lernt man nur
durch jahrelange Erfahrung. Und die kriegst du am besten, indem dich jemand
unter seine Fittiche nimmt.“
Als Lebensmittelunternehmer sieht Flegel die Hobbyimker nicht. Klar, ein
Volk werfe 30 Kilogramm Honig im Jahr ab und zum Selbstessen sei das zu
-viel. Aber das Equipment ist teuer; und manchmal stirbt auch ein Volk,
etwa durch die Varroa-Milbe. „Und jetzt will der Staat offenbar noch
zusätzlich die Hand aufhalten“, sagt Flegel.
Beschlossen ist der Antrag allerdings noch nicht. Er wandert nun in den
Agrarausschuss, von dort wieder ins Plenum. „Aber vielleicht wird er ja
auch noch zurückgezogen“, sagt Staudte. „Wundern würde es mich nicht. Ist
ja alles sehr unglücklich gelaufen.“
2 Apr 2021
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
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