# taz.de -- Zora Klipp über die Arbeit von Köchen: „Viele Köche koksen“ | |
> Die Köchin Zora Klipp kochte für die NDR-Webserie „Kliemannsland“. Aber | |
> Ihre Sendung „Koch ma!“ hatte zu wenig Klicks. Nun gibt sie Kochkurse. | |
Bild: Von der Kochshow zum Kochkurs: Zora Klipp macht live in Rüspel weiter | |
taz: Frau Klipp, Sie haben über ein Jahr lang die Kochshow im | |
„Kliemannsland“ moderiert. Wie kam es dazu? | |
Zora Klipp: Fynn Kliemann und ich sind im selben Kaff aufgewachsen und | |
zusammen zur Schule gegangen. Er hat das [1][Kliemannsland] vor zwei Jahren | |
gegründet und angefangen, dort mit „[2][Funk“] Videos zu drehen. Irgendwann | |
kam er auf die Idee, auch ein Restaurant zu eröffnen. Er wusste, dass ich | |
Köchin bin und hat mich mit der Idee für eine Kochshow angerufen. Da war | |
ich gerade für mein Auslandssemester in Spanien. Ich war noch ein halbes | |
Jahr in Chile, während im Kliemannsland andere Projekte liefen – und dann | |
ging [3][„Koch ma!“] los. | |
Was genau ist denn „Funk“? | |
Vor ein paar Jahren haben die öffentlichen-rechtlichen Sender gemerkt, dass | |
sie kaum noch junge Zuschauer haben. Welche Inhalte fehlen? Wie erreicht | |
man junge Menschen? „Funk“ ist das Konzept, dass bei ARD und ZDF herauskam: | |
cooler Content mit einem Bildungsauftrag, bei Youtube ausgestrahlt. | |
Wie hat „Koch ma!“ da reingepasst? | |
Es war keine normale Kochshow. Wir haben den ganzen Weg der Lebensmittel | |
gezeigt, und es hat verdammt viel Spaß gemacht. Das besondere waren die | |
Außendrehs: Wir waren Spargelstechen oder auf dem Gänsehof, sind morgens um | |
fünf zum Angeln aufgestanden oder haben auf einem Büffelhof Mozarella | |
selbst gemacht. Es war immer etwas los: Auf einmal kommt Clueso rein oder | |
Marteria und Casper stehen vor der Tür. | |
Wie war es für Sie, vor der Kamera zu kochen? | |
Total komisch, vor allem der erste Dreh. Ich kam mir total albern vor, und | |
war bis zum letzten Dreh immer nervös. | |
Wieso ist „Koch ma!“ jetzt vorbei? | |
Die Sendung war eine sehr aufwendige Produktion und hat dafür, in den Augen | |
von „Funk“, nicht genug Reichweite erlangt. Mit den vorgeschlagenen | |
Konzeptveränderungen konnte ich mich nicht so richtig identifizieren. Es | |
hat großen Bock gemacht mit „Funk“, das Team war supercool und ich verstehe | |
mich mit allen gut. Aber manchmal ist es auch einfach gut aufzuhören, | |
wenn’s am Schönsten ist. | |
Das Kliemannsland ist in den sozialen Medien sehr aktiv, selbst die kurzen | |
Instagram-Storys sind geschnitten. Nervt das nicht? | |
Die Resonanz auf durchdachte Posts ist einfach höher. Und durch mehr | |
Interaktionen online erreicht man mehr Menschen – so funktioniert | |
Instagram. Mir macht es inzwischen auch Spaß, da mehr Gedanken | |
reinzustecken und eine Geschichte zu erzählen. | |
Und ständig Neues posten zu müssen? | |
Manchmal nervt das schon. Letzte Woche hat meine Mutter mir gesagt, sie | |
würde mich bei Instagram vermissen. Wenn ich drei Wochen lang nichts mehr | |
gepostet habe, überlege ich, was ich teilen könnte. Irgendwie muss man das | |
auch regelmäßig machen, sonst verliert man die Abonnenten. Aber ich möchte | |
das nicht aus Zwang machen: Ich poste, wenn ich etwas erlebe – ob lustig, | |
traurig oder einfach spannend. Wir lassen uns so von Instagram und Co. | |
belabern. Wen interessiert das überhaupt, was ich den ganzen Tag mache oder | |
wo ich was esse? | |
Wann haben Sie angefangen zu kochen? | |
Ich hatte schon früh eine kleine Spielküche, mit sechs oder sieben, glaube | |
ich. Mit meinen Freundinnen habe ich Kaffeeklatsch gespielt, mit richtigen | |
Pfannkuchen und Grießbrei. Meine Eltern haben auch immer gerne und gut | |
gekocht und sich gefreut, wenn so ein aufgedrehtes Kind wie ich ruhig | |
gekocht hat. Meine zwei Wochen Praktikum in der Realschule habe ich dann | |
bei einem Hotel in Zeven gemacht. Als die mir einen Ausbildungsplatz | |
angeboten haben, wollte ich das machen. Kochen fand ich gut, und spannender | |
als Schule. | |
Wie war der Alltag in der Küche? | |
Im Hotel war es strukturierter und ruhiger als in anderen Restaurants. | |
Trotzdem hatten wir Zwölf-Stunden-Tage von zehn bis Mitternacht. | |
Zwischendurch Kaffeetrinken und dann arbeiten, arbeiten, arbeiten. Und | |
natürlich keine klassische Fünf-Tage-Woche – am Wochenende gehen eben alle | |
am liebsten essen. Auch die Stimmung war hart: Im Sternerestaurant wurde es | |
schon mal richtig persönlich, wenn ich etwas versaut habe. Im Hotel gab es | |
nur Ärger, wenn ich wirklich Mist gebaut hatte – verständlich, wenn draußen | |
60 Leute auf ihr Essen warten. Auch die Ausbildung war teilweise richtig | |
anstrengend – aber an anderen Tagen durften wir Azubis uns einfach | |
ausprobieren. | |
Kochen gilt als Frauensache, aber die bekannten Köche sind fast alle | |
Männer. Wie sieht es in Restaurants aus? | |
Stimmt, es gibt nur wenige bekannte Köchinnen: Léa Linster, Sarah Wiener … | |
Und als ich vor zehn Jahren die Ausbildung begonnen habe, war ich die | |
einzige Frau unter sieben Männern. Später kam noch ein Mädchen dazu, aber | |
es war eindeutig ein Männergebiet. | |
Woran kann das liegen? | |
Es ist wirklich sehr hart: Einen 20-Liter-Topf voll mit Fleisch und Knochen | |
musst du erst mal tragen können. Die Arbeitszeiten sind auch krass: Ich | |
stand zwölf, 14, manchmal 19 Stunden in der Küche. Berufe, die körperlich | |
so anstrengend sind, sind traditionell mit Männern besetzt. Mit Kindern ist | |
der Beruf auch schwer vereinbar: Teilzeit oder Homeoffice kann ein Koch | |
nicht machen. Aber als ich letztens wieder in der Küche war, wo ich meine | |
Ausbildung gemacht habe, liefen da fast nur Mädels herum. Ich habe länger | |
nicht mehr richtig in der Gastronomie gearbeitet, aber ich habe das Gefühl, | |
dass sich da etwas verändert. | |
Wie hält man so einen Alltag aus? | |
Man muss den Beruf einfach sehr lieben. In Küchen wird viel getrunken – | |
zumindest war es zu meiner Zeit so. Und viele Köche koksen – genau wie in | |
anderen Berufen mit solchen Arbeitszeiten. Mir war das irgendwann zu | |
stressig: kein Wochenende, kein Silvester, kein Weihnachten. Ich hatte | |
Lust, meinen Kopf wieder anzustrengen, habe mein Abitur nachgeholt und | |
begonnen, International Tourism Management zu studieren. | |
Achten Sie privat darauf, wo das Essen herkommt? | |
Auf jeden Fall, und inzwischen geht günstig, lecker und qualitativ | |
hochwertig auch total einfach. Wenn ich für eine Party koche, muss ich | |
nicht den Pizzakäse kaufen oder Chili con Carne machen und das billige Hack | |
da reinknallen. Dann mache ich lieber etwas anderes, von dem ich weiß, wo | |
es herkommt. Ich esse auch Fleisch, aber ich habe selten welches im | |
Kühlschrank. | |
Geht gute Küche auch ohne? | |
Ich habe in Chile sechs Monate lang vegetarisch gelebt, und das ging total | |
gut. Ich glaube, auf Mehl zu verzichten, würde mir schwerer fallen. Aber | |
ich mag Fleisch, ganz einfach. Das ist eine ewige Diskussion, die ich unter | |
etlichen Videos geführt habe. Für das Spanferkel haben wir krasse Kritik | |
bekommen. Nach dem Motto: „Was hältst du davon, wenn ich deinem Baby einen | |
Stab durchs Maul stecke und es über’n Grill drehe?“ Irgendwann habe ich | |
aufgehört, mich einzumischen, und die Zuschauer diskutieren lassen. Ich | |
stehe dazu: Wenn ich darauf achte, wo es herkommt, kann ich das | |
Fleischessen auch gut mit meinem Gewissen vereinbaren. | |
Sie waren auch einmal auf dem Schlachthof. Können sie töten? | |
Darf ich gar nicht. Dafür gibt es den Beruf des Schlachters und den Beruf | |
des Jägers. Als ich für „Koch ma!“ ein Reh zerlegt habe, meinten viele, i… | |
solle mich nicht so anstellen. Nur weil ich eine Rehkeule zubereiten kann, | |
heißt das nicht, dass ich einem Tier den Kopf absäge. Zu Hause habe ich mit | |
meiner Mutter einmal Hasen geschlachtet – das war nicht schön. Aber man | |
sollte seine Augen nicht davor verschließen: Ich habe mich viel mit dem | |
Thema auseinandergesetzt, deswegen ist es okay. Und lieber weiß ich, wo es | |
herkommt, als diese grauen, vollgepumpten Hähnchenbrüste in | |
Plastikverpackung zu essen. | |
Sie sind schon viel gereist – nach Südamerika oder Südostasien. Und jetzt | |
bleiben Sie in Rüspel? | |
So sehr ich das Kliemannsland liebe, irgendwann muss man da raus. Das erste | |
Jahr von „Koch ma!“ habe ich in der Nähe, bei meinen Eltern zu Hause | |
gewohnt. Aber weil da einfach nichts los ist, bin ich so oder so immer nach | |
Hamburg oder Bremen gefahren. Jetzt bin ich nach Hamburg gezogen, weil hier | |
mehr Menschen und Jobs sind, und ich gut nach Rüspel pendeln kann. | |
Aber Sie sind weiterhin Teil vom Kliemannsland? | |
Definitiv, da zu arbeiten, macht so Spaß. Ich gebe jetzt Kochkurse – das | |
wird ziemlich geil. Der Jäger, der uns zur Sendung das Reh mitgebracht hat, | |
besorgt auch für den Kurs eins, das wir zerlegen und zubereiten. Ich hoffe | |
es ist jemand dabei, der eigentlich noch nie ein totes Tier gesehen hat, | |
aber viel Fleisch isst. Ich verurteile das nicht – ich will nur, dass Leute | |
sich bewusst sind, was sie da machen, wenn sie jeden Tag ihr Salamibrot | |
essen. | |
Sprechen Sie das in den Kursen an? | |
Wir arbeiten für die Kurse mit Leuten zusammen, die auch in der Show | |
vorgekommen sind: Für „Omas alte Klassiker“ machen wir das Galloway-Rind | |
von „Ein-Stück-Land“, einem Galloway-Hof im Norden. Ich hoffe, dass die | |
Teilnehmer viele Fragen stellen: „Ich wohne da, wo gibt’s das?“ – ich | |
versuche dann, Tipps zu geben. | |
Sind die Kurse alle mit Fleisch? | |
Nein, ich mache auch vegetarische Kurse. Im Sommer ernten wir im Garten | |
Gemüse und kochen dann damit. | |
Ist das ein langfristiges Projekt? | |
Im Kliemannsland passiert total viel: Wir haben jetzt einen Saal, in dem | |
wir Hochzeiten und Geburtstage veranstalten wollen, die ich mit der neuen | |
Gastroküche richtig bekochen kann. Und ich miete mich ein und mache da | |
meine Kurse – ganz ohne Kamera und Fernsehen. Die ersten drei waren schnell | |
ausgebucht – mit der langen Warteliste kann ich das noch eine Weile machen. | |
Reicht nicht ein Thermomix? | |
Ich bin der größte Fan vom Thermomix, und so einer steht in jeder | |
Sterneküche! Risotto oder Lasagne muss man damit nicht machen. Aber | |
Mayonnaise geht damit richtig gut. Das wissen viele nicht und denken, | |
Mayonnaise könnte man nicht selber machen. Meine Kurse sollen aber auch | |
einfach Spaß machen: Ich bin selber total verpeilt, mir fallen Sachen | |
runter oder ich vergesse etwas. Ich habe keine großen | |
Sterneküchenerfahrungen, sondern einfach ein bisschen mehr | |
Background-Wissen. | |
11 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.kliemannsland.de/ | |
[2] https://www.funk.net/ | |
[3] https://www.youtube.com/channel/UCTKVG28p-LoX5q2Vp0KOb8g | |
## AUTOREN | |
Carlotta Hartmann | |
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