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# taz.de -- Youtuber Fynn Kliemann über Erfolg: „Ich glaub, ich kann alles“
> Fynn Kliemann wurde als „Heimwerkerkönig“ auf Youtube bekannt. Heute ist
> er ein erfolgreicher Unternehmer. Andere hätten einfach zu viel Angst.
Bild: Fynn Kliemann auf seinem Hof „Kliemannsland“ in Niedersachsen – mit…
taz am wochenende: Fynn Kliemann, am 31.12. startet die [1][neue ZDFneo
Sendung „Die Lieferung“]. Gemeinsam mit fünf Freunden wirst du da aus
verschiedenen Gegenständen neue „verrückte Sachen“ bauen, wie es in der
Ankündigung heißt. Also genau das, wofür du bekannt bist. Was kann man von
der Sendung erwarten?
Fynn Kliemann: „Die Lieferung“ ist ein Format, das wir uns mal bei mir auf
dem Sofa ausgedacht haben, genau hier wo ich jetzt sitze während des
Interviews. Was wäre, wenn ich meinem Kumpel Brian jeden Tag etwas bringe
und – wie witzig wäre das – der müsste daraus irgendwas bauen. Und da kam
uns die Idee für die Sendung: Wir kriegen jeden Tag eine Lieferung von
Gegenständen und fahren irgendwohin hin, bauen den ganzen Tag Scheiße, wie
zu Hause auch.
Die meisten Menschen kennen dich wahrscheinlich durch deinen ersten
Youtube-Kanal, auf dem du an Dingen rumgeschraubt hast, ohne wirklich
Ahnung davon zu haben. Klassischer Do-It-Yourself-Ansatz. Auch „Die
Lieferung“ ist so angelegt. Glaubst du denn, dass du alles kannst?
Das wird immer in so einem überheblichen Kontext eingefangen. Aber so ist
es gar nicht zu verstehen. Also: Ja, glaube ich schon, ehrlich gesagt.
Warum?
Das hat die Erfahrung so gezeigt. Ich glaube, du kannst auch alles.
Das bezweifle ich.
Dein Zweifeln daran ist das Problem. Natürlich klappt nicht alles beim
ersten Versuch und natürlich kann ich es nicht besser als alle anderen auf
der Welt, aber das ist ja auch gar nicht das Ziel. Es gibt so viele Dinge,
die tut man nicht, weil man Angst davor hat. Weil man genau wie du sagt:
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann. Und ich denke mir aber so: warum
nicht? Ich habe mir mal, als ich ganz klein war, eine Liste aufgeschrieben,
mit Sachen, die man erfindet. Ein Ansatz war: Einfach Dinge, die es schon
gibt, zu kombinieren. Das ist so wie beim Sprachen lernen.
Wenn man eben denkt: So, du kannst fünf Sprachen, dann kannst du die
sechste auch, weil du schon zwanzig Prozent durch die anderen Sprachen
kannst. Je mehr du im Leben lernst, je mehr du kannst, desto einfacher
kannst du neue Sachen lernen. Weil eigentlich ist alles am Ende nur wieder
ein Zusammenschluss aus Dingen, die du schon kannst. Bis auf ein, zwei
Kleinigkeiten vielleicht. Und genau die sind aber interessant, weil die
vielleicht der Baustein für die nächste Aufgabe sein könnten, die dir
irgendwann mal gestellt wird.
Es gibt also keine Ausrede dafür, dass man etwas nicht schaffen kann?
Ich meine damit nicht, dass alle Leute alles ungehindert tun können. Es
gibt Barrikaden. Das kann sein, aus welchem Land du kommst. Aber wenn du so
ein privilegierter weißer Typ bist in Deutschland wie ich, dann gibt es
eigentlich sehr wenig Sachen, die ich nicht machen kann. Wenn man dann an
das Können geht: Na ja, dann gibt es da vielleicht etwas, das habe ich noch
nie gemacht, aber das kann man ja lernen. Und theoretisch kann das jeder
lernen, wenn all diese Barrikaden weg sind. Es geht nur darum, dass man
sich traut und es macht.
Ist das nicht eine leere Versprechung? Du lebst auf dem Land, hast einen
großen Hof und ein Haus und demnach viel Platz, die Sicherheit und Zeit,
Dinge auszuprobieren und vielleicht auch mal zu scheitern. In Interviews
vermittelst du oft, dass [2][jede:r es schaffen kann], so zu leben wie du.
Verstehst du, dass solche Aussagen wütend machen können?
Du bist halt sauer auf dich, dass du das nicht hast. Und das projizierst du
auf mich, weil ich das hab. Weißt du warum ich das habe?
Warum?
Ich habe das ja auch alles nicht gehabt anfangs. Ich habe mir das alles
erträumt, dann habe ich Stück für Stück all das gemacht, damit ich das
irgendwann bekomme.
Wahrscheinlich hattest du bessere Startmöglichkeiten als viele andere
Menschen.
Das glaube ich nicht. Was du mir da sagst, damit werde ich voll oft
konfrontiert. Die Leute denken sich dann Geschichten aus, was ich alles
habe, um sich selber besser zu fühlen, weil sie das nicht haben. Es ist
immer das gleiche: Leute gucken sich meine Videos an und sind am Ende sauer
auf sich selbst. Ja, der hat auch ein großes Grundstück, wird dann gesagt.
Ja, warum habe ich das? Weil ich klüger war, als vielleicht in dem Fall du,
und keine Miete zahle, sondern mir als erstes, nachdem ich ausgezogen bin,
ein Haus gekauft habe. Das zahle ich ab und zahle weniger Abtrag im Monat
als du wahrscheinlich Miete. Vermute ich jetzt.
Es kursieren auch Gerüchte, ich hätte geerbt oder so. Ich komme aus einem
total armen Haushalt. Ich will jetzt nicht die RTL-Schiene aufmachen. Aber:
Ich hatte nichts. Ich habe einfach jahrelang für 200 Euro im Monat in
meiner eigenen Agentur sieben Tage die Woche, 16 Stunden am Tag
programmiert. Da hatte ich keinen Garten, da hatte ich gar nichts. In der
Zeit habe ich alles mögliche gelernt, damit ich die Grundwaffen habe für
den Alltag da draußen. Und dann habe ich festgestellt: Erstens arbeite ich
mich kaputt, und zweitens will ich auch andere Sachen machen.
Das klingt fast nach der amerikanischen Erzählung „vom Tellerwäscher zum
Millionär“.
Aber das denke ich wirklich. Man kann das alles machen, man muss nur sehr
viel opfern. Ich habe selbst viele verschiedene Träume und Interessen
gehabt und denen habe ich alles andere untergeordnet. Das heißt, ich sehe
meine Familie nicht, mache nichts mit meinen Freunden, ich arbeite halt
immer. Ich habe nur Kollegen, keine Kumpels. Ich habe einfach einen Hof
gekauft, an dem tüdel ich jetzt rum. Das ist auch kein großer Schritt.
Und ein Schweißgerät kostet hundert Euro. Ich sage nur, die Hürden sind
klein. Der Welt geht’s besser, wenn alle Leute sich vorlügen so wie du,
dass sie das nicht machen können, weil … So habe ich damals auch immer
gesagt: Ich bin kein Skateboardprofi, weil ich habe ja gar kein Skateboard
bei mir im Garten.
Das Problem ist doch nicht, dass Menschen Angst haben, etwas zu riskieren.
Sondern Strukturen, die bedingen, dass Menschen [3][schwerer Zugang zu
bestimmten Bereichen haben]. Nicht alle können einen Kredit für ein Haus
aufnehmen, wie du es gemacht hast.
Das, was ich jetzt explizit gemacht habe, könnte tatsächlich jeder, glaube
ich. Ich bin eigentlich Programmierer. Das ist nicht fancy oder so. Ich
habe mich hingesetzt und habe gelernt. Wenn man meinen Lebenslauf nimmt zum
Beispiel: Ich habe eine Ausbildung gemacht, wie jeder andere, habe die
verkürzt, wie jeder andere, habe dann meine eigene Firma gegründet. Da baue
ich Websites, anonym, von zu Hause. Dreiviertel meiner Kunden habe ich noch
nie getroffen, mit denen schreibe ich E-Mails.
Die wissen nicht, wie ich aussehe, ob ich Geld habe oder nicht, ob ich das
kann oder nicht. Am Ende überzeugst du da immer nur mit deiner
Arbeitsleistung und die bezahlt am Ende dein Gehalt. Und dein Gehalt zahlt
später den Abtrag für dein Darlehen. Das sind voll einfache Kausalketten,
bei denen ich jetzt nicht sehe, wo man das nicht hätte machen können wie
ich. Ich sehe ja, dass viele Freunde von mir genau das gleiche machen.
Das erzählt sich so einfach.
Irgendwer will halt nach Berlin und zahlt dann 1.500 Euro Miete. Ich will
halt gerne hier zu Hause bleiben und zahle dafür 500 Euro Abtrag. Ich bin
auf dem Land, und zu dem Haus gab's eine Garage dazu. Dann bin ich da rein,
habe ein Video gemacht und das bei Youtube hochgeladen und das haben sich
Leute angeguckt. Peng. Geschichte erzählt.
Von außen betrachtet wirkt es, als hättest du dir ein ganzes
Kliemann-Imperium aufgebaut. Du hast mehrere Youtubekanäle, die nach dir
benannt sind. Es gibt das [4][Kliemannsland], ein großes Gelände auf dem
Land, das als Kreativort fungiert. Du machst Musik, hast ein Album
veröffentlicht und darüber eine Dokumentation gedreht. Ist das nicht
langsam ein bisschen viel Fynn Kliemann?
Ja, die Szene beschäftigt sich mit sich selbst und alles ist sehr
egozentrisch. Mir wurde das mal ganz am Anfang gesagt, da hatte ich gerade
erst ein paar Videos hochgeladen, dass ich aufpassen soll, nicht auch so
eine Wurst zu werden wie alle anderen. Das habe ich mir voll zu Herzen
genommen. Und mache trotzdem natürlich die ganze Zeit Sachen, in denen ich
im Mittelpunkt bin.
In nächster Zeit bin ich deshalb eher im Hintergrund, um zum Beispiel
anderen Künstlern zu helfen und für sie zu arbeiten. Mir reicht’s auch, die
Story immer wieder zu erzählen. Weil auch alles immer an deinem eigenen
Gesicht hängt. Das Ding ist: Ich lebe mein eigenes Leben und das wird eben
ganz oft filmisch festgehalten. In der Theorie ist da noch Material für
sehr viel mehr.
27 Dec 2020
## LINKS
[1] https://presseportal.zdf.de/pressemitteilung/mitteilung/zdfneo-dreht-neue-s…
[2] https://www.spiegel.de/deinspiegel/fynn-kliemann-im-dein-spiegel-interview-…
[3] /Das-Konzept-der-Privilegien/!5706891
[4] /Zora-Klipp-ueber-die-Arbeit-von-Koechen/!5601596
## AUTOREN
Erica Zingher
## TAGS
ZDFneo
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