| # taz.de -- Rechte Parteien bei der Europawahl: Einmarsch mit halber Truppenst�… | |
| > Eigentlich wollten die Populisten die EU erobern – doch ihr Ergebnis | |
| > reicht wohl nicht mal für Platz 3. | |
| Bild: Europas Rechte bei einem Wahlkampfauftritt | |
| Wie erwartet haben die weit rechts stehenden Parteien teils große, teils | |
| sogar überragende Erfolge erzielt. Doch der ganz große Durchmarsch blieb | |
| aus: Die Hoffnung der Rechtspopulisten, sie könnten im neuen EU-Parlament | |
| zur stärksten Fraktion werden, bleibt unerfüllt. | |
| Rechte Galionsfiguren konnten indes in mehreren Ländern triumphieren: In | |
| Frankreich gelang es Marine Le Pens Rassemblement National, an der Partei | |
| des Präsidenten Emmanuel Macron vorbeizuziehen, in Italien holte die Lega | |
| 34,3 Prozent. | |
| „Wir haben sehr erfreuliche Ergebnisse bei den meisten Partnerparteien, in | |
| Österreich ist der Einbruch nicht so groß, wie wir befürchten mussten“, | |
| sagte AfD-Spitzenkandidat Jörg Meuthen am Montag. | |
| Doch manche rechte Parteien verloren sehr wohl: Der niederländische | |
| Rechtspopulist Geert Wilders etwa wird im neuen Parlament nicht vertreten | |
| sein, er holte nur rund 3,5 Prozent. Dafür bekam das rechte Forum voor | |
| Democratie über 10 Prozent. In Dänemark erlebten die NationalistInnen der | |
| Dänischen Volkspartei ein Debakel: Im Vergleich zu ihrem Rekordergebnis von | |
| mehr als 26 Prozent bei der letzten EU-Wahl büßte die Partei mehr als 15 | |
| Prozentpunkte ein und wird damit wohl drei ihrer vier Sitze im Europäischen | |
| Parlament verlieren. Die „Wahren Finnen“ hatten bei den Parlamentswahlen im | |
| April noch 17,5 Prozent geholt, jetzt waren es noch 13,8 Prozent. Der | |
| Aufstieg der Rechtspopulisten in Skandinavien scheint zumindest gebremst. | |
| Insgesamt dürften gut 170 populistische, nationalistische und | |
| rechtsextreme Abgeordnete, die für ein „Europa der Vaterländer“ kämpfen | |
| und die EU entmachten wollen, in das neue Parlament einziehen. Die starke, | |
| einheitliche Fraktion, die die Rechten bräuchten, um ihre EU-feindlichen | |
| Programme umsetzen zu können, wird wohl ein Wunschtraum von Salvini und | |
| seinesgleichen bleiben – zu groß sind die Unterschiede selbst dort, wo das | |
| gemeinsame Feindbild steht. | |
| AfD-Chef Jörg Meuthen, der mit Le Pen und Salvini eine der treibenden | |
| Kräfte bei der Gründung der Sammlungsbewegung Europa der Völker und | |
| Nationen (EAPN) war, gab sich am Montag unverdrossen optimistisch: „Wir | |
| werden mindestens dritt- oder viertstärkste Fraktion, je nachdem, wie wir | |
| zusammenfinden“, sagte er. „Ich bin ab morgen in Brüssel, dann gehen die | |
| Gespräche los.“ | |
| Euro, Russland, Migration: Auf taz.de sehen Sie die neuen Folgen unserer | |
| Videoserie zu den Streitpunkten im Lager der Rechtspopulisten. Außerdem: | |
| Welche Konsequenzen wird die Strache-Affäre für die rechten Parteien in | |
| Europa haben? [1][In der neuen Folge des taz-Podcasts „Angriff auf Europa“] | |
| hören Sie dazu eine Einschätzung der Strache-Biographin Nina Horaczeck vom | |
| Wiener Magazin Falter. | |
| ## Hier schreiben und analysieren KollegInnen aus dem Rechercheverbund | |
| Europe's Far Right | |
| ## Österreich | |
| Der „Ibiza-Effekt“ ist in Österreich spürbar, führt aber nicht zu anderen | |
| Verhältnissen: Während die FPÖ zwei Wochen vor der Wahl Umfragen zufolge | |
| noch bei 23 Prozent lag, kommt sie nun auf immerhin noch 17,2 Prozent. Der | |
| Partei ist es gelungen, sich als Opfer zu inszenieren. Die | |
| Verschwörungstheorie, die in ihrem WählerInnenmilieu griff: Strache sei ein | |
| Opfer krimineller Mächte aus dem Ausland, die daran arbeiten, die FPÖ zu | |
| stürzen. Der Slogan der Partei „Jetzt erst recht“ zog. Und das | |
| Alleinstellungsmerkmal, die einzige Anti-EU-Partei zu sein, ebenfalls. | |
| Die FPÖ kann zuversichtlich in die Zukunft gehen. Zwar hat sie eine kleine | |
| Delle abbekommen, was sich im Wahlergebnis in einem Zwischentief zeigt. | |
| Aber davon lässt sie sich nicht beeindrucken, am Wahlabend wurde gefeiert. | |
| Sie fühlt sich zudem eingebettet in eine starke europaweite Rechte: Diese | |
| habe einen Riesenerfolg eingefahren, sagte FPÖ-Spitzenkandidat Harald | |
| Vilimsky. | |
| Insgesamt spielt die EU-Wahl in Österreich derzeit eine nachrangige Rolle: | |
| In einem Land, das stabile Verhältnisse gewöhnt ist, ist nach der | |
| Ibiza-Affäre die große Frage, wie es mit der Republik weitergeht. Besonders | |
| nach dem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen Kanzler Kurz. Gemeinsam mit | |
| der SPÖ hat die FPÖ am Montagnachmittag Kurz und sein Kabinett gestürzt. | |
| Nina Horaczek, Falter, Wien | |
| ## Ungarn | |
| Orbán hatte zwei Ziele: Erstens wollte er das stärkste Ergebnis einer | |
| europäischen Partei einfahren. Zweitens wollte er eine Mehrheit gegen | |
| Einwanderung im EU-Parlament. Nun sind aber die Sozialdemokraten auf Malta | |
| mit 55 Prozent stärkste Partei geworden. Und im EU-Parlament hat er keine | |
| wirkliche Machtoption. | |
| Seit den Ergebnissen von 2009 (56) und 2014 (51,5 Prozent) hat die Partei | |
| eine Propagandamaschine aufgebaut, die ihresgleichen sucht. Kritische | |
| Zeitungen wurden geschlossen, hohe Summen ausgegeben, um gegen Migration | |
| mobil zu machen. Zudem wurden, wie wir in Ungarn sagen, WählerInnen | |
| importiert: Die Verfassung wurde geändert, sodass UngarInnen, die in der | |
| Ukraine und Serbien leben und fast ausschließlich Fidesz wählen, mit | |
| abstimmen dürfen. Mit 52,3 Prozent ist die Partei dennoch hinter den | |
| eigenen Ansprüchen zurückgeblieben. | |
| Im EU-Parlament hatte Orbán darauf gehofft, die Rechten würden stark genug, | |
| um alle anderen insbesondere bei der Migration blockieren zu können. Aber | |
| diese Mehrheit scheint es nicht zu geben. Sein traditioneller Partner ist | |
| die PiS – und die geht kaum mit der AfD zusammen. | |
| Entsprechend schmallippig zeigte sich Orbán nach der Wahl. Er hat sich in | |
| Ungarn als großer Anführer einer neuen, rechten europäischen Politik | |
| geriert. Nun muss er womöglich seinen Frieden mit der EVP schließen. Von | |
| außen wirkt sein Wahlergebnis als großer Sieg. Aus ungarischer Perspektive | |
| ist es keiner. | |
| Gergely Márton, HVG, Budapest | |
| ## Frankreich | |
| Als „Sieg für das Volk“ und „Ohrfeige“ für Präsident Macron stellte … | |
| Le Pen ihr Wahlergebnis von 23,3 Prozent hin und behauptete, es bestätige | |
| die „nationalistisch-globalistische Spaltung“. Macron habe „keine andere | |
| Wahl als die Nationalversammlung aufzulösen“ – was dieser allerdings prompt | |
| ablehnte. | |
| Tatsächlich hat Le Pens Rassemblement National gegenüber der letzten | |
| EU-Wahl etwa 1,5 Prozent verloren. Doch ihre Position als führende | |
| oppositionelle Partei in Frankreich, als auch unter den Nationalisten | |
| Europas hat sie gefestigt. Letzteres ist deshalb wichtig für sie, weil sie | |
| von einer „Großen Koalition“ der Nationalisten träumt – und zwar am | |
| liebsten unter ihrer Führung. Immer wieder hat sie während des Wahlkampfs | |
| angekündigt, das Personal zu „ersetzen“, das „an der Spitze des totalit�… | |
| Systems“ steht, wie sie die EU nennt. Ein wichtiger Verbündeter dabei: | |
| Italiens Lega-Chef Matteo Salvini. | |
| Doch den Traum von der Radikalreform der EU werden sich die beiden nur | |
| durch die Bündelung neuer Kräfte erfüllen können. Denn ihre kürzlich | |
| vorgestellte Allianz von zwölf populistischen Parteien kommt derzeit nur | |
| auf 74 Sitze – weit weniger als erhofft. Deshalb wollen sie die | |
| Regierungsparteien PiS aus Polen und Fidezs aus Ungarn in ihr Lager ziehen. | |
| Doch vor allem der PiS ist Le Pen zu Putin-freundlich. | |
| Tristan Berteloot, Libération, Paris | |
| ## Polen | |
| Das Wahlergebnis ist für uns eine böse Überraschung. Die Umfragen hatten | |
| ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der PiS und der Oppositionskoalition | |
| vorhergesagt, und nun hat die PiS doch mit sieben Prozent Abstand gewonnen. | |
| Es ist ihr gelungen, die Dorfbewohner zu mobilisieren, gerade im östlichen | |
| und südlichen Polen. Das sind Leute, die eigentlich selten zur Wahl gehen, | |
| schon gar nicht bei der Europawahl, aber diesmal eben doch. Den größten | |
| Ansturm auf die Wahllokale gab es genau dann, als die Messe vorbei war. Die | |
| Kirche hat die Leute mobilisiert, und die Kirche ist eng mit der PiS | |
| verbunden. | |
| Das haben wir erst letzte Woche wieder deutlich gespürt. Auf YouTube wurde | |
| ein Dokumentarfilm veröffentlicht, in dem es um Fälle von Kindesmissbrauch | |
| in der polnischen katholischen Kirche geht. Anders als in anderen Ländern | |
| führt das in Polen aber nicht dazu, dass die Kirche wirklich unter Druck | |
| gerät, sondern das wird sofort umgedreht: Wer die Faust gegen die Kirche | |
| erhebt, greift Polen an, hieß es seitens der PiS. | |
| Das ist schon frustrierend: Es gab in den letzten Wochen viel | |
| Berichterstattung über mehrere große Skandale, in die die PiS verwickelt | |
| ist. Und trotzdem zeigt dieses Wahlergebnis, dass das alles keine Rolle | |
| spielt. | |
| Bartosz Wielinski, Gazeta Wyborcza, Warschau | |
| ## Italien | |
| Als der Lega-Chef Matteo Salvini sich gut zwei Stunden nach Abschluss der | |
| Wahlen zu den Ergebnissen äußert, hält er einen Rosenkranz in der Hand. | |
| „Ein neues Europa ist geboren“, sagt Salvini und zitiert die Ergebnisse von | |
| Marine Le Pen in Frankreich und Nigel Farage in Großbritannien. | |
| Salvini ist der absolute Wahlsieger in Italien, seine Partei gewann ein | |
| Drittel der italienischen Stimmen. Wenn man bedenkt, dass seine Partei bei | |
| den letzten Europawahlen lediglich auf magere fünf Prozent kam, hat man die | |
| Erfolgskurve der Rechtspopulisten deutlich vor Augen. Nach dem vorläufigen | |
| Endergebnis wird die Lega 29 Abgeordnete entsenden können und somit | |
| zusammen mit Angela Merkels CDU und Nigel Farages Brexit Party eine der | |
| stärksten Parteien sein. | |
| Die 5-Sterne-Bewegung erlitt dagegen ein echtes Debakel: Sie kam auf nur | |
| 17,1 Prozent. Viele Analysten befürchten, dass der Vormarsch Salvinis die | |
| Regierung ins Wanken bringen könnte. Aber der Parteichef hat zugesichert, | |
| das Regierungsbündnis nicht infrage zu stellen – die Lega sei eine loyale | |
| Partei. | |
| Er habe anderes vor: „Wir haben das Mandat von neun Millionen Wählern | |
| erhalten, alte und überholte EU-Parameter neu zu verhandeln“, sagte Salvini | |
| am Montag. Der Partito Democratico hat mit 22,7 Prozent die | |
| 5-Sterne-Bewegung überholt. Doch die Zeiten, in denen er 40 Prozent der | |
| Stimmen erhielt, sind lange vorbei, seit 2014 hat er sechs Millionen Wähler | |
| verloren. | |
| Annalisa Camilli, Internazionale, Rom | |
| 27 May 2019 | |
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