# taz.de -- Extremisten auf dem Vormarsch: „Beunruhigende Netzwerkbildung“ | |
> Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnt vor immer erfolgreicheren | |
> Extremisten. Der neue Chef will auch Neurechte im Auge behalten. | |
Bild: „Neue Dynamik“: In Chemnitz demonstrierten bereits Rechtsextreme Hand… | |
BERLIN taz | Die Warnung von Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang ist | |
ernst. Es gebe eine „neue Dynamik“ im Rechtsextremismus, eine | |
„beunruhigende Netzwerkbildung“. Auch auf linksextremer Seite weichten | |
Grenzen zu bürgerlichem Protest auf, falle das Gewalt-Tabu gegen Personen. | |
Und im Internet florierten Falschmeldungen. All dies sei ein „handfestes | |
Problem“. | |
Haldenwang spricht seine Warnung am Montag auf dem alljährlichen Symposium | |
seines Bundesamts in Berlin aus. Ging es dort in den letzten Jahren, unter | |
Hans-Georg Maaßen, zumeist um den Islamismus, setzt Haldenwang – [1][seit | |
Herbst 2018 im Amt] – diesmal einen anderen Schwerpunkt: die „Entgrenzung“ | |
des Extremismus. | |
Demokratische Spielregeln würden zunehmend infrage gestellt, warnt | |
Haldenwang. Extremisten würden Unzufriedenheiten in der Mitte der | |
Gesellschaft aufgreifen, den Staat verächtlich machen, sein Gewaltmonopol | |
infrage stellen und mit Fake News „Verwirrung und Zwietracht“ stiften. | |
Gerade in sozialen Onlinemedien nehme sein Amt ein „massives Einprasseln | |
von Falschmeldungen“ wahr. | |
Und die Extremisten seien damit erfolgreich, so Haldenwang: Lange lehnte | |
die Gesellschaftsmitte ein Zusammentun mit Radikalen ab – diese Schranke | |
sei gefallen. [2][In Chemnitz habe man dies auf rechtsextremer Seite | |
gesehen,] im Hambacher Forst auf der linksextremen. Und das habe Folgen: | |
Gewalt werde wieder enthemmter. Am Ende stünden „ganz konkrete Opfer“ – | |
angegriffene Migranten, Politiker, Polizisten, Journalisten. | |
## Kurswechsel unter Haldenwang | |
Die „Entgrenzung“ des Extremismus ist der Begriff der Stunde in den | |
Sicherheitsbehörden. Und einer der ersten Schwerpunkte von Haldenwang. | |
Bereits mit Amtsantritt stockte er seine Rechtsextremismusabteilung um 50 | |
Prozent auf. [3][Zu Jahresbeginn stufte er die AfD als extremistischen | |
Prüffall ein.] | |
Über die AfD redet Haldenwang an diesem Tag nicht. Aber er erwähnt deren | |
neurechte Mitstreiter. Auch in dieser Szene – Haldenwang nennt das Institut | |
für Staatspolitik um Götz Kubitschek, dessen Antaios-Verlag und das | |
Compact-Magazin – werde „systematisch die Grenze des Sagbaren erweitert“, | |
würden „Tabuzonen im politischen Diskurs abgebaut“. Dort würde subtiler | |
statt von Rasse von Kultur und Ethnien gesprochen, so Haldenwang. Aber auch | |
das sei „nicht zu unterschätzen“. | |
In den Landesämtern wurde diese Warnung schon länger ausgesprochen und das | |
Bundesamt zum Handeln gedrängt. Haldenwang bewegt sich hier nun. | |
## Verfassungsschutz will mehr Online-Überwachung | |
Seine Mission ist aber noch eine andere: Er will mehr Befugnisse zur | |
Online-Überwachung. Hier legte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) | |
bereits einen Gesetzentwurf vor, der dem Verfassungsschutz [4][das Mitlesen | |
verschlüsselter Messengerdienste und das Durchsuchen privater PCs erlaubt, | |
auch das Überwachen von Kindern]. Bundesjustizministerin Katarina Barley | |
(SPD) aber blockiert bisher komplett: Zu weitgehend sei der Vorstoß. | |
Haldenwang warnt nun: Für Extremisten sei der Austausch über | |
Onlineplattformen und Messengerdienste zentral, beides dürfe „keine | |
Schwachstelle der Sicherheitsbehörden sein“. Seehofer hatte dem Symposium | |
abgesagt, nun erklärt sein Staatssekretär Günter Krings, das Vorhaben werde | |
„weiter mit allem Nachdruck verfolgt“. Es sei ein einmaliger Vorgang, dass | |
hier ein Gesetz ohne inhaltliche Befassung „in Bausch und Bogen verworfen“ | |
werde. | |
Eine Sprecherin Barleys verweist auf den Koalitionsvertrag: Dort sei eine | |
„maßvolle Kompetenzerweiterung“ des Verfassungsschutzes vereinbart, aber | |
auch eine Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle. „Letzteres vermissen | |
wir völlig.“ | |
Haldenwang appelliert schließlich auch an die Gesellschaft: Diese müsse | |
„genau hinschauen“, mit wem sie zusammenarbeite – und sich positionieren. | |
Derzeit aber seien die extremistischen Stimmen lauter als die | |
demokratischen. | |
13 May 2019 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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