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# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: Der chinesische Traum
> Die Bedeutung des Fußballs in China wächst. Mehrere Profis bemühen sich
> nun um Einbürgerung, damit sie in der Nationalmannschaft spielen können.
Bild: Will Teil des chinesischen Fußball-Aufschwungs sein: John Hou Saeter bzw…
John Hou Saeter stammt aus Trondheim und ist Norweger. Schon der erste Satz
dieser Kolumne enthält ein paar Fehler, denn: John Hou Saeter heißt
mittlerweile Hou Yongyong und hat die chinesische Staatsbürgerschaft
angenommen, und nicht mal sein Geburtsort Trondheim, der sich etwa bei
Wikipedia findet, wird von chinesischen Quellen bestätigt.
Dort heißt es, Hou sei als Kleinkind nach Norwegen eingewandert. Dass Hous
Mutter aus der Stadt Luoyang in der Provinz Henan stammt, dürfte immerhin
unstrittig sein, und vielleicht hat das bei seiner
Einbürgerungsentscheidung etwas nachgeholfen.
Vor allem aber hat der 21-jährige Hou eine fußballerische Entscheidung
getroffen. Hou wird bei [1][Beijing Guoan] spielen, das ist der Klub, der
von Roger Schmidt, dem ehemaligen Trainer von Bayer Leverkusen, betreut
wird und gegenwärtig auf Platz zwei rangiert. Er hat also nicht nur bei
einem neuen Verein angeheuert, sondern auch gleich bei einem neuen Staat.
Mit seiner Entscheidung ist Hou der erste Überseeprofi, der sich einen
chinesischen Pass gesichert hat, und sich Hoffnungen machen darf, demnächst
für die chinesische Nationalmannschaft aufzulaufen. Er bleibt aber nicht
der einzige. Nico Yennaris, noch Brite, geboren in Leytonstone, ist gerade
mitten im Einbürgerungsprozess. Dann heißt er Li Ke, und spielen wird er,
wie Hou auch, beim Pekinger Klub Beijing Guoan. Und vielleicht für die
Nationalelf.
## Das Streben nach dem „Chinese Dream“
So richtig lässt sich derzeit noch nicht einschätzen, ob Chinas
Fußballverband und die hinter ihm stehende Partei eine Offensive starten,
um aus dem nur durch Millioneninvestitionen möglichen Aufschwung des
chinesischen Klubfußballs auch einen Vorteil für die Nationalmannschaft zu
machen. Oder ob hier Spieler, die sich in den Ligen und Auswahlteams der
Länder, aus denen sie stammen, nicht durchsetzen konnten, einfach eine
letzte Chance sichern wollen.
Für Ersteres spricht immerhin einiges. Fußball hat sich zu einem Bereich
entwickelt, der „für die Zentralregierung der Volksrepublik hohe Priorität�…
besitzt, wie die Sozialwissenschaftler Ilker Gündoğan und Albrecht Sonntag
in einer jüngeren Studie schreiben.
Die Rede ist von einem „Chinese Dream“, bei dem der Fußball eine wichtige
Rolle spielt. Ganz konkret hatte Verbandspräsident Du Zhaocai schon im
Dezember 2018 angekündigt, dass vier Super-League-Klubs als Pilotprojekte
für schnellere Einbürgerung ausgewählt worden seien, sechs ausländische
Profis hätten ihre Bereitschaft signalisiert.
## Ein nationalistischer Schub
Interessant ist, dass auch der Frauenfußball unter die massive chinesische
Sportförderung fällt. Du Zhaocai verkündete im Februar, dass jedes
Super-League-Team bis 2020 auch ein Frauenteam haben soll – „damit der
Männerfußball seine Stärken auch dem Frauenfußball verleiht“, wie Du im
Interview mit fifa.com formulierte. Von einer Einbürgerungsoffensive ist
bislang noch nichts zu hören, aber gemäß Dus Vorstellung, wonach die Männer
den Frauen stets vorauszugehen haben, kann das ja noch kommen.
Einerseits sind Sportler, die ihre Staatsbürgerschaft wechseln, kein
seltenes Phänomen. Bislang gab es das allerdings eher in weniger
kapitalisierten Disziplinen, etwa Leichtathletik oder Tischtennis. Im
Profifußball kommt das auch, aber deutlich seltener vor. Gerade in Europa
ist diese Branche ja seit dem [2][Bosman-Urteil 1995] so liberalisiert
worden, dass der Personalausweis kaum noch von besonderer Bedeutung ist.
Der Fußball, der mit der chinesischen Profiliga noch mehr Weltsport
geworden ist, als er es ohnehin schon war, bekommt nun gerade durch diese
Expansion einen nationalistischen Schub. Ob der immerhin Hou Yongyong und
Li Ke helfen wird, werden wir sehen. Wir müssen uns ihre Namen merken.
17 Mar 2019
## LINKS
[1] /Fussball-Transfers-in-China/!5270945
[2] /20-Jahre-Bosman-Urteil/!5257278
## AUTOREN
Martin Krauss
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Einbürgerung
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