# taz.de -- Soziologin Tiesler über Fußballerinnen: „Verträge für eine Sa… | |
> Nur wenige Länder unterhalten Profiligen für Frauen. Um vom Sport leben | |
> zu können, müssen die meisten Spielerinnen ihr Land verlassen. | |
Bild: Perpetua Nkwocha (r) spielte drei Weiltmeisterschaften für Nigeria und i… | |
taz: Frau Tiesler, beim aktuellen Meister VfL Wolfsburg stammt die Hälfte | |
des Kaders aus dem Ausland. War das früher anders? | |
Nina Clara Tiesler: Das ist eine Entwicklung, die nimmt nach und nach zu. | |
Das unterliegt aber immer wieder auch Schwankungen, je nachdem wie | |
finanzstark ein Club ist oder ob sich ein Nationalverband zu einem | |
bestimmten Zeitpunkt einmal eine Profiliga leisten möchte, so wie in den | |
USA 1999 die Wusa (Women’s United Soccer Association) oder China im Jahr | |
2000. Mit diesen beiden Profiligen intensivierte sich die Mobilität im | |
Frauenfußball, die aber schon immer da war. | |
Insgesamt, sagen Sie, findet aber auch im Frauenfußball eine Globalisierung | |
statt. | |
Ja, und die Migrationsrouten sind üblicherweise von Ländern, in denen die | |
Professionalisierung des Sports noch gering sind, zu Ländern, die über | |
professionelle Ligen verfügen. | |
Im Männerfußball kommt niemand auf die Idee, ausländische Spieler als | |
Migranten zu betrachten. Wieso dann also im Frauenfußball? | |
Das Konzept der Migration, also im Sinne der Arbeitsmigration, spiegelt | |
sich im Frauenfußball viel deutlicher als bei den Männern. Da gibt es nicht | |
so sehr die Aufteilung in Herkunfts- und Aufnahmeland. Migration im | |
Männerfußball ist zirkulär – dem männlichen Fußballprofi ist es letztlich | |
egal, ob er in einer Villa in Turin, Madrid oder anderswo wohnt. Der | |
Profifußball der Männer ist längst jenseits der Staaten. Die riesigen | |
globalen Ungleichheiten, wie wir sie aus allen anderen Lebensbereichen | |
kennen, spiegeln sich da im Frauenfußball viel mehr. | |
Inwiefern? | |
Im Männerfußball kann man fast überall auf der Welt im eigenen Land | |
Profifußballer werden. Bei den Frauen ist das in 80 Prozent der Länder | |
nicht der Fall. Das ist, strukturell betrachtet, der Motor dieses | |
Prozesses. Du musst, um als Frau Profi zu werden, um also damit Geld zu | |
verdienen, weggehen. Daran zeigen sich riesige globale Ungleichheiten. | |
In welchen Ländern lässt sich denn mit Fußball Geld verdienen? | |
Das betrifft rund zehn Länder. Die USA einerseits, in Europa sind es vor | |
allem Deutschland, England und die skandinavischen Länder. Auch Russland | |
gehört dazu, ebenso Südkorea. Entscheidend sind in Europa die Clubs, die in | |
der Champions League spielen. Die sind attraktiv, weil sie Aufmerksamkeit | |
generieren. Die brasilianische Nationalspielerin Rosana ist ein gutes | |
Beispiel. Sie wechselte 2004 zum SV Neulengbach, in ein kleines Kaff in | |
Österreich. Der Verein spielte damals allerdings in der Champions League | |
und wurde dadurch zu ihrem Sprungbrett in die USA. | |
Haben wir es also auch im Frauenfußball mit einem globalen Norden und einem | |
globalen Süden zu tun?Ja, absolut. Schauen sie in die USA. Fußball wird | |
dort überwiegend von Mädchen und jungen Frauen aus der Mittelschicht | |
gespielt. Wenn die dann für ein Jahr nach Europa wechseln, haben sie keine | |
Sorgen. Mädchen aus Afrika hoffen, durch den Fußball zu überleben. Wir | |
sehen hier völlig unterschiedliche gesellschaftliche Klassen bei den | |
Topteams. | |
Nur dort? | |
Tatsächlich überrascht der Kader mancher Zweitligisten: Da sind die Quoten | |
zum Teil deutlich über 50 Prozent. | |
Dabei verdienen die Spielerinnen doch nur einen Bruchteil ihrer männlichen | |
Kollegen, oder? | |
Das sind natürlich risikoreiche Bedingungen. Aber die Spielerinnen gehen | |
diesen Weg – „for the love of the game“, wie es so schön heißt. Sie tr�… | |
schon von klein auf davon, einmal Profi zu werden. Tatsächlich sind das | |
dann aber meist total prekäre Verhältnisse. Die Spielerinnen erhalten einen | |
Vertrag, der eine dreimonatige Testphase beinhaltet. Und: Die Verträge | |
gelten üblicherweise immer nur für eine Saison. Das sorgt für einen | |
riesigen Erwartungs- und Erfolgsdruck. Dabei erhalten die Spielerinnen | |
üblicherweise nur den staatlichen Mindestlohn. Spielerinnen aus Afrika, | |
Osteuropa oder Südamerika schicken dann auch noch einen Teil des Geldes | |
nach Hause, während die heimischen Spielerinnen in Skandinavien oder den | |
USA nebenbei studieren und aus gesicherten Verhältnissen kommen. | |
22 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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