# taz.de -- Chinesische Investoren im Profifußball: Leere aus Fernost | |
> Investoren aus China tummeln sich im europäischen Profifußball. Klubs | |
> hoffen auf Geld und neue Märkte. Der FC Pavia ging daran zugrunde. | |
Bild: „Jenseits der Spielklasse“: Pavia-Fans trotzen dem sportlichen Nieder… | |
Pavia taz | Fünftligafußball hat seinen Charme. Die Tickets sind bezahlbar, | |
Bier kann man problemlos ins Stadion bringen, und heiße Fangesänge gibt es | |
zudem. Auch in Pavia, einem Ort in der Lombardei. Voll besetzt ist die | |
Curva Sud des Stadions Pietro Fortunati mal wieder. Aus vollem Halse | |
besingen die Ultras des FC Pavia 1911 die Treue zu ihrem Verein. | |
Dabei ist die „Curva“ keine Kurve, sondern eine rechtwinklige Tribüne, | |
gebaut an die – immerhin südliche – Schmalseite des Stadions. Nur etwa 200 | |
Leute sind da, aber sie füllen die Curva. Und sie haben allesamt das blaue | |
Trikot Pavias an, auf dessen Rücken der Spruch „oltre la categoria“ steht: | |
jenseits der Spielklasse. | |
Im letzten Jahr haben sie ihrem Klub noch in der dritten Liga den Rücken | |
gestärkt. Sie hatten Hoffnung, dass der Verein den Sprung in die zweite | |
Liga schafft. „Die Besitzer hatten sogar versprochen, dass wir bald in die | |
Serie A aufsteigen werden, ja dass Pavia in ein paar Jahren Champions | |
League spielt“, erzählt einer der Ultras. | |
„Die Besitzer“, das waren Xiadong Zhu und David Wang, Geschäftsleute aus | |
China. Sie versprachen nicht nur den fußballerischen Aufstieg. „Sie haben | |
in der ganzen Stadt Hoffnungen geweckt“, erzählt Bürgermeister Massimo | |
Depaoli. „Sie wollten Wirtschaftskontakte nach China vermitteln, immerhin | |
wird rings um die Stadt ja auch Reis angebaut. Sie sprachen von einer | |
Fußballakademie, planten Kooperationen mit der Universität. Wir haben sie | |
mit offenen Armen empfangen.“ | |
## Das Spielzeug gefiel nicht mehr | |
Etwa anderthalb Jahre ging es gut. Die Eigner investierten in neue Spieler. | |
Die Playoffs wurden erreicht. Insgesamt flossen 10 bis 15 Millionen Euro. | |
Sehr viel für diese Spielklasse. Präsident Zhu beschwerte sich denn auch | |
über die Abzockmentalität italienischer Spielervermittler. Für | |
Bürgermeister Depaoli durchaus zu Recht. „Sie waren wohl nicht immer gut | |
beraten. Sie haben aber auch Profiteure angelockt“, blickt er zurück. „Ihre | |
Maxime war: Wenn ihnen ein Spieler als gut vorgestellt wurde und 10.000 | |
Euro verlangte, dann gaben sie ihm 15.000, nur um sicher zu sein, dass er | |
auch wirklich kommt. Das hat zu dem Eindruck geführt, dass die Chinesen | |
über unbegrenzte Mittel verfügten.“ | |
Unbegrenzt waren die Mittel sicher nicht. Groß genug dennoch. In Mailand | |
erwarb eine von Zhu geführte Immobiliengesellschaft ein Grundstück im | |
Herzen der Stadt für 22 Millionen Euro und will darauf ein 13-geschossiges | |
Haus mit Luxuswohnungen errichten. „Für das China, das zählt“, warben | |
italienische Medien dafür und machten auf den Unterschied zum aus eher | |
kleinen Geschäften bestehenden Chinatown rings um die Via Paolo Sarpi | |
aufmerksam. In den Luxusbau, wegen der großzügigen Balkoneinheiten als | |
„vertikale Gärten“ beschrieben, sollen chinesische Millionäre einziehen, … | |
die Hoffnung. Die Projektkosten liegen insgesamt bei etwa 70 Millionen | |
Euro. „Mit den Bauarbeiten soll nächstes Jahr begonnen werden“, sagt eine | |
Sprecherin der taz. | |
Immobilienprojekte waren auch der Hintergrund für das Fußballinvestment in | |
Pavia. „Sie wollten ein Erstligastadion für 20.000 Zuschauer errichten, mit | |
Shopping-Center und Hotelanlagen“, bestätigt Bürgermeister Depaoli. Doch | |
als die Investoren merkten, dass ihr Engagement im Fußball nicht zu | |
Vorzugskonditionen bei Baugenehmigungen führte, verschwanden sie einfach | |
aus Pavia. Angestellte und Spieler wurden nicht mehr bezahlt. Selbst die | |
Garantiesumme für die Drittligalizenz wurde nicht überwiesen. | |
Das Spielzeug gefiel nicht mehr. Und China, das gerade noch so nah war, | |
wurde wieder fern und unzugänglich. | |
## Fünf Millionen Euro Schulden | |
Sechs Angestellte versuchen derzeit vor Gericht, Monatsgehälter von | |
insgesamt 100.000 Euro zu erstreiten. Auch einige Exspieler klagen. Der | |
Fiskus fordert etwa 2 Millionen Euro. Auf etwa 5 Millionen Euro werden die | |
Gesamtschulden geschätzt. | |
Der Verein, neu gegründet im Sommer, mit dem stolzen Gründungsjahr 1911 im | |
Namen, spielt jetzt in der fünften Liga. Deshalb haben die Fans auch den | |
Spruch „jenseits der Spielklasse“ auf ihre Trikots gedruckt. „In der Not | |
rückt man zusammen“, sagt Ultra Stefano, der vor dem Spiel Spieler und | |
Trainer von der Tribüne aus namentlich ruft, und – wo hat man das sonst | |
noch? – jedes Mal freundlich zurückgegrüßt wird. | |
Der Zorn auf die Exbesitzer ist zwar nicht verraucht, Ressentiments | |
gegenüber Chinesen gibt es in Pavia aber auch nicht. „Manche italienischen | |
Unternehmer verhalten sich schlimmer“, lacht Bürgermeister Depaoli. Ultra | |
Stefano hat erst recht nichts gegen Chinesen. Er arbeitet in einem | |
ChinaRestaurant, das von einem in einem Chinesen geführt wird. „Er hat | |
zuletzt Leute entlassen müssen, weil die Konkurrenz durch die chinesischen | |
Restaurants, die von Italienern geführt werden, zu groß geworden ist“, | |
weist er auf einen eher bizarren Aspekt der sino-italienischen Beziehungen | |
hin. | |
Für die großen chinesischen Investments im nur 30 Minuten entfernten | |
Mailand ist Pavia aber ein warnendes Beispiel. Multiunternehmer Zhu etwa | |
wurde bereits mit der Investmentgruppe in Verbindung gebracht, die im | |
Begriff ist, den AC Mailand für insgesamt etwa 740 Millionen Euro zu | |
übernehmen. 100 Millionen Euro sind vertragsgemäß bereits überwiesen, der | |
Rest soll Ende des Jahres folgen. Wer genau zu den Investoren gehört, weiß | |
man selbst im Lager des Zielobjekts nicht. Über den Frontmann der | |
Investoren Yonghong Li ist kaum mehr bekannt, als dass er einer Holding | |
namens Jin An De vorsteht, die außer den Aktien einer einzigen Firma kein | |
weiteres Kapital enthält. Auch die Eigner des zur Investorengruppe | |
gehörenden Staatsfonds Haixia Capital stecken noch im Dunkeln. | |
In Pavia kommt das den Fans bekannt vor. Auch hier stand Zhu als Präsident | |
einem Fonds namens Pingy Shanghai Investment vor, dessen Kapitalausstattung | |
und Teilhaberschaft bis zum Ende des Abenteuers nicht bekannt wurde. | |
## Geduld in Mailand | |
Beim AC Mailand übt man sich jetzt in fast schon buddhistischer Geduld. | |
„Die Regeln der Liga sehen vor, dass die Besitzer eines Vereins namentlich | |
bekannt gegeben werden. Spätestens Ende des Jahres wissen wir mehr“, | |
erklärt ein Sprecher des Vereins. | |
Trainer Vincenzo Montella freute sich schon einmal darüber, dass die Neuen | |
zumindest für die ersten Gehälter in der laufenden Saison aufgekommen sind. | |
Für mehr, etwa neue Trainingsanzüge, reicht es nicht. Der Vertrag mit | |
Ausstatter Dolce & Gabbana ist im Zuge des langwierigen Besitzerwechsels | |
ausgelaufen – und Montella nähte sich nach Auskunft italienischer Kollegen, | |
die den Verein tagtäglich beobachten, in Eigeninitiative das Vereinslogo | |
auf einen Privatanzug. | |
Besser sieht es bei Inter aus. Die neuen Besitzer sind bekannt. Sie setzten | |
auch gleich den neuen Trainer Frank de Boer ein, der sich – anders als der | |
geschasste Roberto Mancini – aus Transferfragen heraushält und auf das rein | |
Sportliche konzentriert. Wie gut vertraut sie selbst mit dem | |
Fußballgeschäft sind, wird die Zukunft zeigen. Transferkompetenz haben auch | |
sie ausgelagert – auf den Superagenten Jorge Mendes etwa. Der Portugiese, | |
Manager unter anderem von Jose Mourinho und Cristiano Ronaldo, brachte für | |
45 Millionen Euro den Mittelfeldspieler João Mário bei Inter unter. Mendes’ | |
Agentur wird zu 30 Prozent übrigens von chinesischen Geldgebern finanziert. | |
Auch in der Premier League, unter anderem bei Manchester City und Spaniens | |
Liga, etwa Atlético Madrid, sind chinesische Co-Eigner engagiert. In | |
Portugal glaubte der chinesische Hauptsponsor der zweiten Liga sogar die | |
Bedingungen diktieren zu können. Er forderte, dass pro Jahr zehn | |
chinesische Spieler von den Klubs eingesetzt werden sollten. Ein | |
Proteststurm führte zum Aussetzen der Klausel. | |
Das Kapitel chinesischer Investoren ist in Pavia geschlossen. Mit dem | |
Ergebnis, dass der Klub, bei dem einst Juve-Coach Massimiliano Allegri | |
spielte, nun das familiäre Vergnügen von Fünftligafußball hat. | |
1 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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