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# taz.de -- Bundesliga und chinesischer Markt: Großes Geld im Reich der Mitte
> Dem deutschen Fußball bietet der chinesische Markt riesige Chancen.
> Deshalb steigen DFL und DFB nun als Kooperationspartner ins Geschäft ein.
Bild: Traum von neuer Größe: Fans im WM-Quali-Spiel gegen Syrien
Mitunter würde sich Friedrich Curtius, der Generalsekretär des Deutschen
Fußball-Bundes (DFB), wünschen, Bauvorhaben auf deutschem Boden würden so
flott vorangehen wie auf chinesischem Terrain. Dann würde in diesen Tagen
nämlich nicht leise das Herbstlaub auf das Gelände der Frankfurter
Galopprennbahn rieseln, sondern es wären längst laute Baumaschinen am Werk,
um die mehr als 100 Millionen Euro teure DFB-Akademie zu errichten.
Als jüngst eine hochrangige chinesische Delegation die bisherige Zentrale
im Stadtwald besuchte, wurde ihr natürlich auch das Modell gezeigt, das im
Eingangsbereich steht. Am liebsten, erzählte Curtius, hätten die Chinesen
die Entwürfe, Pläne und Studien für die die neue Denkfabrik gleich
mitgenommen, „denen kann im Fußball alles gar nicht schnell genug gehen“.
Und im Reich der Mitte lässt sich auf Staatsräson immer ein Plätzchen
finden, auf dem solche Vorhaben durchgezogen werden. Wie stand auf einer
Folie, die mehr als 250 Delegierten beim DFB-Bundestag präsentiert wurde:
„Die Wiederbelebung des Fußballs ist aufrichtige Hoffnung des chinesischen
Volkes.“ Ein Zitat von Staatspräsident Xi Jinping, der die Fußballförderung
von der Basis bis zur Spitze längst zur Chefsache gemacht hat. Und weil
dahinter so viel Staatsmacht und Wirtschaftskraft steckt, wollen der
deutsche Fußball und die Bundesliga zumindest in China nicht den Anschluss
verpassen. Reicht doch, dass England und die Premier League in weiten
Teilen Asiens eine ungebrochene Vormachtstellung besitzen.
Am 24. November wollen DFB und DFL eine enge Kooperation mit dem
chinesischen Verband offiziell besiegeln. Von Verbandsseite geht es um
Hilfestellungen, Transferleistungen und Gedankenaustausch. „Wir wollen
beispielsweise Unterstützung leisten, die Ausbildung an den Schulen zu
verbessern“, erklärt Curtius. „Wussten Sie, dass mehr Chinesen unser
WM-Finale 2014 im Fernsehen verfolgt haben, als wir Einwohner haben? Und
bei denen war es drei Uhr nachts! Wir müssen von diesen Chancen
profitieren.“ Auch DFB-Präsident Reinhard Grindel ist Feuer und Flamme für
eine Partnerschaft, die vorsieht, „in drei bis fünf Jahren eine Reise mit
der Nationalmannschaft nach China zu machen“.
## Eine WM in China
Die Notwendigkeit, sich mit den Besten der Besten zu zeigen, wirkt fast
unvermeidlich. In dem bevölkerungsreichsten Land der Erde soll der Fußball
ein granitgleiches Fundament erhalten. Der neue Volkssport ist bereits
Pflichtfach in den Schulen, im nächsten Jahrzehnt sollen bis zu 50.000
Akademien gebaut werden. Drei Ziele sind es, die die Chinesen antreiben:
eine eigene Topliga installieren, sich wieder für eine WM qualifizieren und
irgendwann selbst eine WM organisieren.
Am weitesten ist die 2004 gegründete Chinese Super League (CSL), die mit
den ökonomischen und politischen Interessen des Präsidenten eng verflochten
ist und ad hoc zu einer Konkurrenz für die europäischen Ligen wurde. Allein
im vergangenen Winter wurden von hier weit mehr als 300 Millionen Euro in
den weltweiten Transfermarkt gepumpt. Stars wie Gervinho, Alex Texeira,
Ramires, Demba Ba oder Jackson Martinez werden fürstlich entlohnt. Graziano
Pellé, der bei der EM für Italien stürmte, soll 15 Millionen Euro jährlich
dafür kassieren, dass er sich bei Shandong Luneng in Jiman von einem
gewissen Felix Magath trainieren lässt. Ein feines Schmerzensgeld.
Die 16 chinesischen Klubs, die von März bis November den Meister
ausspielen, befinden sich fast alle in staatlichem oder halbstaatlichem
Besitz, darunter viele Immobilienfirmen, die sich mit den Zuwendungen ins
Kicker-Business lukrative Aufträge versprechen. Aber auch außerhalb der
Landesgrenzen ziehen chinesische Firmen bereits die Strippen: Der
Elektrokonzern Suning hat sich die Mehrheitsanteile am italienischen
Renommierverein Inter Mailand gesichert, Lokalrivale Milan ist von Silvio
Berlusconi an einen Fonds mit chinesischer Staatsbeteiligung gegangen.
In dem kommunistischen Großreich stört sich niemand an der ganz engen
Verquickung von Firmen und Fußballvereinen, die an DDR-Zeiten erinnert. Mit
der in allen Bereichen sprunghaft wachsenden eigenen Liga geht der Wunsch
einher, nach der erfolglosen Teilnahme an den Titelkämpfen 2002 in Japan
und Südkorea endlich wieder bei einer WM-Endrunde mitzuspielen. Die
Fahrkarte 2018 nach Russland zu lösen wird allerdings kaum mehr gelingen.
In einer Sechsergruppe mit Iran, Usbekistan, Südkorea, Syrien und Katar
liegen die Chinesen mit erst einem Pünktchen auf dem letzten Platz. Deshalb
wurde vergangenen Monat Marcello Lippi zum Retter berufen, obwohl der
Weltmeistertrainer eigentlich gerade seinen Vertrag beim Spitzenklub
Guangzhou Evergrande verlängert hatte. Aber die Nationalmannschaft ging
vor. Der 68-Jährige wird nunmehr im Doppeljob fürstlich entlohnt: Von 15
Millionen Euro als Berater für Evergrande, fast 5 Millionen als
Nationaltrainer ist die Rede.
## Ein FC Bayern-Nachwuchszentrum
Gegen den Rekordmeister und asiatischen Champions-League-Sieger hat der FC
Bayern 2013 bei der Klub-WM gespielt. Die Münchner haben – genau wie
Borussia Dortmund – zudem den Wert erkannt, den ihnen ein China-Engagement
einbringt. Gerade erst wurde in der chinesischen Botschaft in Berlin eine
„umfassende Partnerschaft“ mit dem deutsch-chinesischen Ökopark in Qingdao
geschlossen. Dort soll auch ein Nachwuchszentrum, die „FC Bayern Football
School“, etabliert werden, wobei Trainer von der Säbener Straße regelmäßig
Präsenz zeigen sollen.
Für Klubs wie den Hamburger SV, der genau wie Werder Bremen vor zwei Jahren
in der Sommervorbereitung eine China-Tour unternahm, geht es auch eine
Stufe darunter: Der darbende Dino versucht sich an einer Kooperation mit
dem Erstligisten Shanghai SIPG. Es gehe vor allem um einen
Wissensaustausch, wie Marketing-Vorstand Joachim Hilke erklärt. Das
beinhalte den Aufbau im Nachwuchsbereich oder von Vereinsstrukturen. Ob
sich die Chinesen da den richtigen Partner gesucht haben?
Aber über allem thront ja ein übergeordnetes Ziel: eine WM nach China zu
holen. Am deutlichsten demonstriert vom Mischkonzern Wanda, der als erstes
chinesischen Unternehmen ein Fifa-Sponsoring übernommen, den
Sportvermarkter Infront geschluckt oder nebenbei die Ironman-Sparte
aufgekauft hat. Doch nicht den Triathlon, sondern Fußball braucht es, um
ein weltweites Signal auszusenden: Ein auf 48 Teams aufgeblähtes Turnier in
den wuchernden Metropolen Chinas wäre genau die Mammutaufgabe, von der die
Mächtigen träumen.
„Früher oder später wird die WM in China stattfinden“, sagte Infront-Chef
Philippe Blatter dem Handelsblatt. Der Neffe des ehemaligen
Fifa-Präsidenten Sepp Blatter darf die Wanda-Sportsparte nach Herzenslust
expandieren lassen, schließlich will der Gigant in fünf Jahren 100
Milliarden Euro Umsatz machen. Es sind solche Summen, mit denen sich die
Mosaiksteinchen zu einem Gesamtbild fügen, aus dem nicht nur Chancen,
sondern auch Risiken erwachsen. Dagegen ist nämlich die geplante
DFB-Akademie kein Leuchtturmprojekt, sondern für die Chinesen allenfalls
ein Scheinriese.
14 Nov 2016
## AUTOREN
Frank Hellmann
## TAGS
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