# taz.de -- Frauenfußball in Afghanistan: Die Flucht der 70 | |
> Über 70 afghanische Fußballerinnen fliehen nach Australien. Dass es nicht | |
> mehr sind, liegt auch an Versäumnissen der Fifa. | |
Bild: Kämpferin für die Rechte afghanischer Fußballerinnen: Khalida Popal | |
Diese Geschichte über den afghanischen Frauenfußball beginnt mit dem Nein | |
eines Mannes, der derzeit als „der letzte Jude in Afghanistan“ in den | |
Schlagzeilen ist. Dieser Zebulon Simantov sollte nämlich, nachdem die | |
Taliban die Macht übernommen hatten, aus Afghanistan herausgeholt und nach | |
Amerika gebracht werden. Das zumindest war das Angebot, das ihm die | |
jüdische Hilfsorganisation [1][Tzedek Association] aus den USA machte. Doch | |
Simantov lehnte ab, er wolle in Kabul bleiben. | |
Tzedek hörte aber von einem Kontakt zu afghanischen Fußballerinnen, die in | |
Kabul untergetaucht waren. Khalida Popal, die 2007 die Frauenauswahl mit | |
aufgebaut hatte und nach Morddrohungen vor zehn Jahren ins Exil nach | |
Dänemark gegangen war, [2][berichtete jüngst dem Deutschlandfunk]: „Ich | |
habe einige unserer Spielerinnen in Afghanistan kontaktiert und gefragt, | |
wie es ihnen geht. Ich hatte gehofft, dass sie Afghanistan bereits | |
verlassen hätten. Aber sie sagten, dass sie dort festsitzen.“ | |
Popal baute von Dänemark aus ein Hilfsnetzwerk auf. Zentral dabei war die | |
[3][FifPro, die Weltspielergewerkschaft]. Popal berichtete der | |
Gewerkschaft, dass die Spielerinnen große Angst hätten. Die FifPro | |
reagierte ähnlich schnell wie Tzedek, denn für die Spielerinnen habe „sich | |
in der jetzigen Situation ihr Risikoprofil deutlich erhöht“, wie | |
FifPro-Generalsekretär Jonas Baer-Hoffmann sagte, denn: „Das Fußballspielen | |
war letztlich ein Symbol des Widerstands.“ | |
## „Immer ein Stück zu spät“ | |
Was für die Hilfsorganisation und die Gewerkschaft selbstverständlich war, | |
gilt für die Sportverbände nicht. „Wir sind von der Fifa sehr enttäuscht, | |
die Hilfeschreie sind laut. Aber die Fifa ist immer ein Stück zu spät“, | |
kritisierte die ehemalige afghanische Nationalspielerin Gitti Ruhin. „Dass | |
diese Mädchen dort zurückgelassen worden sind, liegt daran, dass die Fifa | |
nicht schnell genug gehandelt hat“, sagte Ruhin, die in Hamburg lebt, dem | |
TV-Sender Sky. | |
Die afghanischen Fußballerinnen haben viel durchgemacht. Gegen etliche | |
Widerstände wurde die Nationalelf 2007 aufgestellt. Drei Jahre später nahm | |
sie an der Südasienmeisterschaft teil. 2012 spielte sie bei diesem Turnier | |
im Halbfinale. 2018 wurde dann ein Skandal öffentlich: Über einen längeren | |
Zeitraum hatte es physische, psychische und sexuelle Übergriffe auf | |
Spielerinnen gegeben. Täter waren männliche Angestellte des | |
Fußballverbands. Abgesichert wurde das Regime durch Verträge, die die | |
Spielerinnen unterzeichnen mussten, wodurch sie etliche ihrer Rechte an den | |
Verband abtraten. Öffentlich gemacht wurde der Skandal von Popal, die sich | |
aus ihrem Exil weiter ums Team kümmerte. | |
Die Rettungsaktion, die von Tzedek Association bezahlt und von FifPro | |
organisatorisch unterstützt wurde, brachte letztlich über 70 Spielerinnen, | |
deren Verwandte sowie Funktionäre nach Australien, das sich bereit | |
erklärte, sie aufzunehmen. Die Nationalspielerin Mina Ahmadi, die schon | |
vorher geflohen war, sagt: „Unsere Hoffnung ist, dass die Mädchen, denen es | |
gelungen ist zu fliehen, nicht alleingelassen werden und dass die Fifa | |
ihnen Hilfe gibt.“ Hoffen auf die Fifa? Es ist zu befürchten, dass diese | |
Geschichte über den afghanischen Frauenfußball auch mit einem Nein endet, | |
diesmal mit einem traurigen. | |
8 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://tzedekassociation.org/ | |
[2] https://www.deutschlandfunkkultur.de/afghanische-fussballerin-khalida-popal… | |
[3] https://www.fifpro.org/en | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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