# taz.de -- Erstklassiges Tischtennis: Der Osten an der Spitze | |
> Der TTC Eastside hat Wurzeln im DDR-Tischtennis und ist erfolgreich. Das | |
> Frauenteam spielt Champions League, Berlinerinnen stehen nicht im Team. | |
Bild: Die TTC-Eastside-Trainerin Irina Palina mit dem Nachwuchs an der Platte | |
Irina Palina empfängt im Geräteraum der Trainingshalle am Velodrom, mit dem | |
entschuldigenden Hinweis, dass hier selten jemand aufräume. Matten reihen | |
sich an den Wänden, benutzte Teller stehen auf dem Tisch, ab und zu | |
verschwindet jemand rumpelnd mit einem Turngerät. Irina Palina, vierfache | |
russische Olympiateilnehmerin und Trainerin des die deutsche Liga | |
dominierenden Tischtennisfrauenteams TTC Berlin Eastside, kam 1997 als | |
Spielerin nach Berlin, heute ist sie Cheftrainerin beim TTC, | |
Nachwuchscoach, Vorstandsmitglied. | |
Sie spricht energisch, telefoniert zwischendurch in routiniertem Stress. | |
Der TTC Eastside, ein Tischtennisverein mit höchst erfolgreichen Wurzeln in | |
der DDR, ist seit der Wende nicht kollabiert wie so viele andere. Seine | |
Frauen wurden der Erfolgsgarant: vier Mal Champions-League-Siegerinnen seit | |
2012, und ab 2014 Dauermeisterinnen. „Leistung kommt von Menschen“, sagt | |
Palina entschieden. „Der Vorstand hat hier kontinuierlich etwas aufgebaut.“ | |
Geld haben sie sich aber natürlich auch organisiert. | |
Der TTC Eastside hat geschafft, was gemeinhin als mindestens schwierig | |
gilt: einen Randsport wie Frauentischtennis in einer Stadt wie Berlin zu | |
verkaufen. In der Bundesliga aus Dorfvereinen heißen heute die größten | |
Konkurrentinnen SV-DJK Kolbermoor, die 2018 erstmals Meisterinnen wurden. | |
Unter dem Label „Berlin Eastside“, dem Gewerbeareal, treten die | |
Berlinerinnen an, werden aber auch vom Landessportbund gefördert, und sie | |
sind, was man so europäische Spitze nennt: 3:2 hat der TTC jüngst das | |
Halbfinalhinspiel in der Champions League gegen das kroatische Topteam aus | |
Zagreb gewonnen, am Sonntag steht das Rückspiel an. | |
„Vor einem Spiel sage ich nie: Das gewinnen wir“, erklärt Irina Palina. | |
„Ich bin eine Realistin und gehe von Fakten aus. So gesehen wäre vor dem | |
Hinspiel eine 1:3- oder 2:3-Niederlage schon ein achtbares Ergebnis | |
gewesen.“ | |
## Vor dem Sprung ins Finale | |
Nach der schwachen vergangenen Saison sind die Berlinerinnen sehr bemüht, | |
den Gegner stark zu reden. Auch jetzt, betont Palina, könne es passieren, | |
dass man das Rückspiel 0:3 verliere. „Aber im Hinspiel haben wir gesehen, | |
dass wir ebenbürtig sind. Mit der richtigen Einstellung und einem Quäntchen | |
Glück ist es durchaus realistisch, den Sprung ins Finale zu schaffen.“ | |
Vier Champions-League-Titel suggerieren eine Tischtennishochburg, aber das | |
ist Berlin nicht. In der ersten Eastside-Mannschaft spielt keine einzige | |
Berlinerin. Es sind Legionärinnen aus Schweden, China, Ungarn, Indien und | |
Deutschland, die fast nur für die Spiele in die Hauptstadt kommen: Sie | |
trainieren an ihren nationalen Stützpunkten. | |
„Bis heute gibt es keine Bundesligaspielerin, die als Kind bei einem Verein | |
angefangen hat und bei demselben Verein später in der Bundesliga gespielt | |
hat“, rechtfertigt Irina Palina diesen Mangel. Das liege an den Strukturen. | |
„Wie bei allen anderen Bundesligavereinen haben auch wir zu wenig Trainer | |
und Übungsleiter.“ Sie selbst sei für das Bundesligateam und die | |
Regionalligamannschaft verantwortlich, übernehme noch Teile des | |
Jugendtrainings und biete für andere aktive Spieler Trainingseinheiten an. | |
„Für eine nachhaltige Talentförderung bräuchten wir zusätzlich zwei bis | |
drei hauptamtliche Trainer. Das können wir uns finanziell nicht leisten. | |
Ganz abgesehen davon, dass qualifizierte Trainer in Berlin kaum frei sind.“ | |
## Ein nachsichtiges Lächeln | |
Und die Kinder, die sich gerade in der Halle zum Leistungstraining warm | |
spielen? „Leistungstraining“, das Wort benutzt Palina mit nachsichtigem | |
Lächeln. Die Kinder bei Eastside trainierten drei Mal pro Woche. „Die | |
Kinder in Asien trainieren acht Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und | |
52 Wochen im Jahr. Schule und Ausbildung kommen an zweiter Stelle. | |
Realistisch betrachtet würde ich mein Kind auch nicht aus der Schule nehmen | |
und zwei Mal am Tag trainieren lassen.“ Dass die Weltrangliste von | |
Asiatinnen dominiert ist, führt hierzulande offenbar eher zu | |
Ermüdungserscheinungen. „Die Chance, als Mädchen ganz oben zu landen und | |
damit auch ausreichend Geld zu verdienen, ist sehr klein.“ | |
Die Liga unternimmt in jüngster Zeit mehr Versuche, den einheimischen | |
Nachwuchs zu schützen: Nur noch eine Nicht-EU-Ausländerin dürfe pro Team | |
spielen, berichtet Palina, und die beliebten Einbürgerungen von | |
chinesischen Spielerinnen wurden stark reguliert. Fertige Talente aus dem | |
EU-Ausland zu verpflichten bleibt aber günstiger als Nachwuchsarbeit, auch | |
für Eastside. Und wer in Berlin zufällig doch talentiert genug ist, müsste | |
für eine Profikarriere an den Stützpunkt nach Düsseldorf, an den Nabel der | |
deutschen Tischtenniswelt, umziehen. Jedenfalls bislang. | |
Alexander Teichmann, Präsident des TTC Eastside, glaubt durchaus, dass da | |
noch Luft nach oben sei mit dem Nachwuchs. An die Schulen gehen, | |
systematisch scouten, weil Mädchen eigeninitiativ viel weniger zum Sport | |
gingen als Jungs. Allein, man sei eben ehrenamtlich geführt und nicht | |
[1][Alba] mit seiner stadtweiten Jugendarbeit. | |
„Beim Jugendtraining sind unsere Platz- und Personalkapazitäten schon | |
ausgeschöpft. Wir können Talente fördern, aber wir können keine suchen.“ | |
Teichmann sieht den Verband in der Pflicht, man sei in Gesprächen. Er ist | |
geübt darin, Zukunft optimistisch zu verkaufen. Der Präsident hat hier über | |
Jahre einen langfristigen Sponsorenpool mit aufgebaut, Marke: Osten. „Viele | |
Sponsoren kommen aus Marzahn, Lichtenberg oder Prenzlauer Berg. Man kann | |
bei uns mit einem geringen Beitrag relativ hohe sportliche Erfolge | |
erreichen.“ Das zieht. | |
## Kein riesenhaftes Budget | |
Nach Teichmanns Angaben haben der TTC und die Rivalinnen aus Kolbermoor ein | |
Budget von etwa 100.000 Euro, das reicht unter Umständen auch für einen | |
Champions-League-Sieg. Der europäische Wettbewerb habe sich verbessert, | |
seit die besten zwölf Vereine Europas in der Champions League verpflichtend | |
antreten müssen – eine etwas kuriose Pflicht: Vorher nahmen wegen der | |
Startgelder und Reisekosten viele Klubs nicht teil. Heute gibt es sogar | |
Preisgelder, und beim TTC ein ambitioniertes Bauprojekt: Die Trainingshalle | |
wird ab Jahresende vom Land Berlin umgebaut. Zuschauertribünen sollen | |
eingebaut werden, barrierefrei soll das neue Gebäude sowieso werden. | |
Und der Klub träumt von einer Art internationalem Trainingszentrum, in dem | |
Spielerinnen aus dem Ausland gegen Berlinerinnen antreten. Ein Stützpunkt, | |
der das Niveau in Berlin heben könnte, von dem auch kleinere Vereine | |
profitieren. | |
22 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.albaberlin.de/jugend/alba-jugend/leitbild/ | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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