| # taz.de -- Ausstellung zu Kunst und Musik: Mit Baxxter ins Berghain | |
| > Kunst und Musik und was sie miteinander zu tun haben: Die Ausstellung | |
| > „Hyper!“ vermeidet erfreulich viele Klischees. | |
| Bild: Geheimer Held in Hamburgs Deichtorhallen: H.P. Baxxter von der Band Scoot… | |
| Nicht schon wieder [1][das Bananen-Cover]. Auch wenn es sich angeboten | |
| hätte, wo doch gerade mit Laurie Anderson die Witwe von Lou Reed | |
| [2][beinahe exakt gleichzeitig] in der Nachbarschaft weilte: So wenig wie | |
| die darin handfest gewordene Zusammenarbeit von Pop-Art-Papst Andy Warhol | |
| und der Band Velvet Underground, so wenig interessant waren andere allzu | |
| bekannte Berührungspunkte, Überschneidungen und Doppelrollen von Kunst und | |
| Musik, der dazugehörigen Szenen und wiederum diese bevölkernden Typen für | |
| Max Dax. Stattdessen entschied sich der langjährige Musikjournalist – unter | |
| anderem [3][zeitweilig Chefredakteur] der durchaus unterschiedlichen | |
| Magazine Spex und Electronic Beats – für einen persönlichen Zugang für die | |
| Ausstellung „Hyper!“, die nun bis zum Sommer in Hamburg eine Reise in die | |
| Kunst und die Musik bieten will. | |
| Kunst und Musik? Ist das nicht wie, sagen wir: Natur und Mensch; also eine | |
| logisch gar nicht ohne Weiteres tragfähige Gegenüberstellung? Ja, wenn man | |
| die Kunst weit genug fasst: Dann ist das eine Teil des anderen – und | |
| fertig. Hier nun geht’s aber einerseits um die, enger gefasst, bildende | |
| Kunst; und die Musik, das meint hier vor allem Pop in etlichen seiner | |
| Verästelungen. | |
| Und wenn Deichtorhallen-Hausherr Dirk Luckow am Rande der Eröffnung von | |
| „Berghain meets Bayreuth“ (oder war’s umgekehrt?) spricht, dann sind das | |
| schon die Ränder dieses Spektrums: die weltweit um ihre Locations beneidete | |
| Techno-Metropole Berlin – und Wagners Grüner Hügel, auch so eine Location, | |
| die mancher vielleicht gern sein Eigen genannt hätte in den vergangenen 150 | |
| Jahren. | |
| Pop, Kunst und Wagner? Ja, es gibt einen Raum in dieser Ausstellung, der | |
| wesentlich Christoph Schlingensief gewidmet ist, diesem irgendwann im | |
| Abarbeiten am großen teutschen Singspielonkel zu sich selbst gekommenen | |
| Enfant terrible des daran nun nicht eben armen Theaterbetriebs; in der sehr | |
| gelungenen Begleitpublikation – es hat halt seine Vorteile, einen | |
| Magazin-Hasen wie Dax an Bord zu haben – tritt mit Aino Laberenz dann doch | |
| auch noch eine Witwe (und obendrein den Nachlass ihres Mannes Verwaltende) | |
| auf. | |
| ## Große Fallhöhe | |
| Von Schlingensief (und Wagner) wär’s ein kurzer Weg, erst recht in Hamburg, | |
| zum gelegentlich etwas angestrengt provokanten Jonathan Meese – aber auch | |
| der mag Dax zu abgegriffen erschienen sein, wer weiß. Immerhin nun Teil der | |
| Ausstellung ist aber [4][Daniel Richter], der ja die beiden hier | |
| korrespondierenden Bereiche in verschiedenen Weisen bündelt: Seine Kunst | |
| war auf Plattencovern, etwa der Goldenen Zitronen, und irgendwann | |
| investierte er die teils, heißt es, recht eindrucksvollen Erlöse auf dem | |
| „richtigen“ Kunstmarkt dann gar in die Übernahme des [5][Hamburger Punk | |
| ff.-Labels Buback]. | |
| In Hamburg bist nun unter anderem seine Arbeit „Lonely Old Slogan“ (2006) | |
| zu sehen: die abstrahierte Rückansicht eines klassisch-kanonisch | |
| gekleideten Punks (mitsamt großem Nieten-„Fuck the Police“ auf dem in Leder | |
| gehüllten Rücken). | |
| Durchaus klug nimmt Dax’ Ausstellung ihren Ausgang bei einer Konstellation, | |
| gegen die alle Punk-Leder-Nieten-Kombos Anfängerkram sind: „Hyper!“, das | |
| verweist auf die gern mal als Deppentechno verunglimpften Stadionbespaßer | |
| [6][Scooter]: Aus dem sloganhaften Textfundus der unlängst umbesetzten, nun | |
| ja, Band um, nun ja, Sänger H. P. Baxxter bediente sich um 2007 herum der | |
| Maler Albert Oehlen – eine größere Fallhöhe ist ja kaum vorstellbar. | |
| 2011 führte Dax [7][ein Doppelinterview] mit Oehlen – der auch nebenher ein | |
| Label betreibt und dann und wann als Mitglied von fluiden Bands firmiert – | |
| und Baxxter. Und das ist einer der Stränge, entlang derer er nun | |
| konzipierte, was auszustellen sei: 300 Arbeiten sind es insgesamt, 60 | |
| Künstler*innen, und nicht wenige davon haben irgendwann in ein Mikrofon | |
| gesprochen, an dessen anderem Ende, sozusagen, Dax’ | |
| Textverarbeitungsprogramm wartete. | |
| Auch wenn das „personal“ irgendwann aus dem Ausstellungsuntertitel flog: | |
| Etwaige Leerstellen, und sei es dieses Plattencover oder jener | |
| Bluesrock-Versuch irgendwelcher besser an der Leinwand Aufgehobener, | |
| erklären sich für Dax im, eben, persönlichen Ansatz seiner Kuratel. | |
| Andererseits kommt die Ausstellung nicht ganz vorbei an den Vorlieben | |
| anderer: Wann immer er mit bildenden Künstler*innen über Musik spreche, | |
| fänden drei Bands Erwähnung, erzählte er jetzt: Kraftwerk, Joy Division und | |
| New Order. | |
| ## Riesenexponate | |
| Sind erstere immer schon nah dran gewesen an der Düsseldorfer Akademie und | |
| haben zeitweise direkt neben einem Studio des Malers Gerhard Richter | |
| geprobt, avancierten sie irgendwann, in einer recht späten Phase selbst zu | |
| Kunstwerken. Bei „Hyper!“ nun sind Arbeiten von Emil Schult zu sehen, in | |
| Dax’ Worten eine Art fünftes Bandmitglied, aber eben vor allem auch der | |
| Gestalter ihres wegweisenden Albums „Autobahn“; ganz ohne Albumcover-Kanon | |
| geht es halt doch nicht. | |
| Wer, apropos, von den Post-Punkern Joy Division spricht und ihrem tragisch | |
| sich selbst aus dem Leben befördert habenden Sänger Ian Curtis und von | |
| deren Nachfolgern New Order, der landet bei [8][Peter Saville], dem | |
| Verantwortlichen für die [9][Artworks] des Labels Factory Records: Dessen | |
| einziges richtiges, und auch: richtig großes [10][Werbeplakat] ist in | |
| voller Größe ausgestellt. Dass es den Absatz des beworbenen | |
| New-Order-Albums „Technique“ angekurbelt haben könnte, glaubte übrigens | |
| nicht mal Saville selbst. Noch ein Riesenexponat: Scott Kings Frottage, | |
| also Durchreibung einer nordenglischen Hausfront, mit Bleistift auf Papier | |
| – es ist [11][das Haus], in dem Ian Curtis lebte und starb. | |
| Eines von etlichen Highlights der Ausstellung: Rutherford Changs | |
| Plattenladen, begehbar, mit Kisten zum Drin-Blättern und zwei | |
| Plattenspielern zum Anhören – und nur einer einzigen Platte: dem | |
| [12][„White Album“ der Beatles]. Davon hat der Künstler allerdings (Stand: | |
| 28. Februar) 2.173 verschiedene Exemplare gesammelt; und wer hätte es | |
| gedacht: Sie sehen, nach Jahren des Gebrauchs, ziemlich unterschiedlich aus | |
| – und wenig weiß. | |
| Schnell noch ein Serviceblock: Einmal mehr arbeiten die Deichtorhallen für | |
| „Hyper!“ mit der Elbphilharmonie zusammen: Im Mai wird es [13][drei Abende | |
| im Kleinen Saal des Konzerthauses] geben, kuratiert von | |
| Ausstellungsbeteiligten – und bei Eröffnung gab es sogar noch Karten. | |
| 2 Mar 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!5362182 | |
| [2] /Laurie-Anderson-in-der-Elbphilharmonie/!5576777/ | |
| [3] /!5113988/ | |
| [4] https://www.ropac.net/artist/daniel-richter-1 | |
| [5] /!5510309/ | |
| [6] https://www.youtube.com/watch?v=aoXOdAUD7IM | |
| [7] https://www.welt.de/kultur/article12203581/Es-geht-um-die-Aufloesung-jeglic… | |
| [8] /!5186482/ | |
| [9] https://www.theguardian.com/music/gallery/2011/may/29/joydivision-neworder | |
| [10] https://twitter.com/cerysmatic/status/722445476595937280 | |
| [11] https://www.theguardian.com/music/shortcuts/2015/oct/04/ian-curtis-house-j… | |
| [12] https://www.deutschlandfunkkultur.de/das-weisse-album-der-beatles-ein-folg… | |
| [13] https://www.elbphilharmonie.de/de/programm/musik-zur-ausstellung-hyper-sou… | |
| ## AUTOREN | |
| Alexander Diehl | |
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