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# taz.de -- Prozess gegen katalanische Politiker: Erst Madrid, dann Straßburg?
> Wenn Spaniens Justiz die angeklagten katalanischen Politiker verurteilt,
> wollen diese wohl vor das Europäische Menschenrechtsgericht.
Bild: Hinter Gittern: Protest in Barcelona
Madrid taz | Die ersten Protestierenden standen früh auf. Mitten in der
Nacht projektierten sie trotz starker Sicherheitsvorkehrungen ein Video auf
die Fassade des Obersten Gerichtshofs in Madrid. Es zeigte die brutalen
Polizeieinsätze gegen Wahllokale und Bürger bei dem
Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 in Katalonien, bei denen knapp
1.000 Verletzte zu beklagen waren. Derweil bereiteten sich in Katalonien
Gruppen darauf vor, wichtige Straßen zu blockieren. Für den Abend waren in
der gesamten Region Kundgebungen gegen die spanische Justiz angekündigt.
Denn vor dem Obersten Gericht Spaniens müssen sich seit Dienstagmorgen
zwölf Angeklagte wegen des katalanischen Unabhängigkeitsreferendums
verantworten. Die Gruppe besteht aus dem ehemaligen Vizepräsidenten der
katalanischen Regierung, Oriol Junqueras, einem Großteil seiner Minister,
der ehemaligen Präsidentin des Autonomieparlaments, Carme Forcadell, sowie
den beiden Aktivisten Jordi Sánchez und Jordi Cuixart von der Katalanischen
Nationalversammlung und dem Kulturverein Òmnium.
Ihnen allen wird „Rebellion“, „Aufstand“ und „Veruntreuung öffentlic…
Gelder“ vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft fordert zwischen 17 und 25
Jahre Haft in dem Mammutverfahren mit über 500 Zeugen, das mindestens drei
Monate dauern soll. Die rechtsextreme Partei VOX, die als Nebenklägerin
auftritt, bis zu 74 Jahre. Das Referendum sei „das schlimmste Vergehen
gegen die Verfassung seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 1978“, erklärte deren
Parteisprecher Espinosa de los Monteros sogar – und vergaß dabei
geflissentlich den gescheiterten Militärputsch in Spanien am 23. Februar
1981.
Vor dem weiträumig abgesperrten Gerichtsgebäude im Zentrum Madrids
versammelten sich zum Auftakt mehrere Hundert Menschen, um gegen das
Verfahren zu demonstrieren. In einer langen Schlange drängten sich Menschen
vor dem Eingang, um einen der 100 Zuhörerplätze zu ergattern.
## Verfechter der spanischen Einheit fordern Haft
„Strafrechtlich gesehen macht das alles keinen Sinn“, beschwerte sich der
aktuelle katalanische Parlamentspräsident Roger Torrent, der sich neben
weiteren katalanischen und baskische Abgeordneten in Madrid eingefunden
hatte. Die Bewegung vor dem Referendum und am Tag der Abstimmung selbst sei
friedlich gewesen, so Torrent. „Rebellion“ oder „Aufstand“ sei deshalb
nicht gegeben. Er nahm ebenso wie der katalanische Regierungschef Quim
Torra anschließend auf den Zuschauerbänken des Gerichtssaals Platz.
Aber auch Gruppen von Verfechtern der spanischen Einheit zogen mit Fahnen
durch die Seitenstraßen rund um das Gerichtsgebäude. Sie forderten Haft für
den einstigen katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont. Dazu aber
wird es nicht kommen: Er befindet sich in Belgien auf freiem Fuß, nachdem
das Oberlandesgericht in Schleswig-Holstein seine Auslieferung wegen
„Rebellion“ verweigert hat. Die Richter sahen keine Gewalt gegeben, die das
gerechtfertigt hätte.
Im Gerichtssaal ergriff dann Andreu Van Den Eynde, Verteidiger von
Vizeregierungschef Junqueras, als erster Anwalt das Wort. „Dieses Verfahren
verletzt das Recht, frei zu protestieren“, beschwerte er sich. Die
spanische Justiz habe „alle verfassungsgemäßen Freiheiten verletzt“, sie
verfolge „Dissidenten“.
In seiner langen Ausführung zitierte Van Den Eynde immer wieder Urteile des
Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs. Alle Proteste, die in Katalonien
stattgefunden haben, seien von dieser Rechtsprechung geschützt. Der Hinweis
an die Richter ist klar. Sollten die zwölf Angeklagten wegen „Rebellion“
und „Aufstand“ verurteilt werden, ziehen sie nach Straßburg. Das
Verteidigerteam rechnet sich dort gute Chancen aus.
12 Feb 2019
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Katalonien
Unabhängigkeit
Separatismus
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