| # taz.de -- Kohleausstieg in der Lausitz: Was kommt nach der Kohle? | |
| > Die Braunkohlestadt Weißwasser schrumpft und ist hoch verschuldet. Da | |
| > kommt das versprochene Geld für den Strukturwandel gerade recht. | |
| Bild: Energiewende und dann? Die Menschen in Weißwasser haben viele Fragen | |
| Weißwasser taz | Die kleine Stadt hat deutlich mehr Schornsteine als | |
| Kirchtürme. Aus roten oder gelben Ziegeln gemauert, gehörten sie einst zu | |
| den zahlreichen Glashütten des Ortes – stillgelegt und aufgrund ungeklärter | |
| Eigentumsverhältnisse einem ruinösen Dämmerschlaf überlassen. | |
| Weißwasser in der Oberlausitz war in den ersten Jahrzehnten des 20. | |
| Jahrhunderts weltweit führend in der Glasherstellung. Heute redet in | |
| Weißwasser niemand mehr vom Glas. Alle reden von der Kohle. Die Stadt im | |
| nördlichen Sachsen hat schon [1][mehr als einen Strukturwandel] erlebt. | |
| Torsten Pötzsch kennt das. Seit 2010 ist der Mann mit den markanten | |
| dunkelblonden Locken Oberbürgermeister der Stadt. Auch seine Eltern waren | |
| in der Glasindustrie beschäftigt. Beide wurden [2][nach der Wende | |
| arbeitslos], „danach waren nur noch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“. | |
| Pötzsch ist zum Bahnhof gekommen, um den Besuch direkt in sein Auto zu | |
| verfrachten und auf eine Stadtrundfahrt mitzunehmen. Das alte | |
| Bahnhofsgebäude ist eins seiner Sorgenkinder: Die Stadt hat es ersteigert, | |
| aber für die von Bund und Land mitgetragene Sanierung fehlen die | |
| erforderlichen Eigenmittel der Stadt. Weißwasser ist eine der [3][ärmsten | |
| Kommunen] Sachsens. | |
| ## Erleichterung in Weißwasser | |
| Im Bahnhof soll später eine touristische Anlaufstelle für den nahen Geopark | |
| Muskauer Faltenbogen entstehen. Dieser geologischen Besonderheit verdankt | |
| sich auch die Braunkohle in der Region, so liegt hier alles eng beisammen. | |
| Vergangenheit und Zukunft. Nur die Gegenwart ist unsicher, undefiniert. | |
| Dass die Braunkohle – Hauptarbeitgeber in der Region – endlich ist, darin | |
| sind sich fast alle einig. Nur wann sie zu Ende gehen soll und darf, ist | |
| strittig. | |
| Im Februar wurde [4][nach monatelangen Verhandlungen der Kohlekommission] | |
| der Ausstieg für das Jahr 2038 empfohlen (siehe Kasten). Ein zäh errungener | |
| Kompromiss, der in Weißwasser und Umgebung mit spürbarer Erleichterung | |
| aufgenommen wurde. | |
| Auch Torsten Pötzsch ist erleichtert, wenn auch nicht ohne Sorge: „Wir | |
| müssen den Mittelweg gehen“, sagt er. „Nicht zu schnell aussteigen, aber | |
| den Termin auch nicht aufschieben. Solange wir neue, gut bezahlte | |
| Arbeitsplätze kriegen.“ Soll heißen: solange Fördermittel für den Überga… | |
| bereitgestellt werden, solange die Region Beachtung in der Politik findet. | |
| Und die bekommt sie derzeit. | |
| Am Abend wird Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer nach Weißwasser | |
| kommen und mit Torsten Pötzsch über den Strukturwandel diskutieren. Das | |
| Sakko liegt schon bereit im Auto. | |
| ## Ein Parteiloser erobert das Rathaus | |
| Pötzsch steht für einen anderen Politikertyp: parteilos, pragmatisch. Zur | |
| Zeit des Mauerfalls war er achtzehn. Eigentlich wollte er „immer weg“, wie | |
| fast alle seiner Generation. Pötzsch blieb, wurde Sparkassen-Betriebswirt | |
| und war ein paar Jahre im Kulturbereich selbstständig, bis er | |
| Geschäftsführer der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Weißwasser wurde. Da | |
| war er dann mitten drin im Wandel der Stadt. | |
| Die Glasindustrie war nach der Wende weggebrochen, die Nationale Volksarmee | |
| abgezogen. Und in der [5][Kohleindustrie] wurden damals schon Tausende von | |
| gut bezahlten Arbeitsplätzen abgewickelt. „Die Menschen haben sich allein | |
| gelassen gefühlt “, sagt Pötzsch. „Das ist jetzt ein Problem.“ Heute le… | |
| nur noch 16.500 Menschen in Weißwasser, im Jahr 1989 waren es 38.000 – eine | |
| Schrumpfung um fast 60 Prozent. Das ist mehr als ein Wandel. Das ist eine | |
| Bedrohung. | |
| Pötzsch steuert den schwarzen Audi, den sich die Rathausbelegschaft teilt. | |
| Kaum ein Gebäude, mit dem der Oberbürgermeister nichts verbindet. Rundes | |
| Gesicht, untersetzte Statur, die vielen kleinen Locken trägt er noch immer | |
| schulterlang. Wenn Pötzsch „wir“ sagt, meint er in der Regel die Stadt und | |
| ihre Verwaltung, Vereine, die tatkräftigen Menschen um ihn herum. | |
| Spricht er von sich selbst, dann redet er meist in der dritten Person. „Man | |
| muss immer wieder auf die Vorwürfe reagieren“, sagt er und verweist auf die | |
| andere Hälfte der Stadt, ihre nörglerische und unzufriedene Seite. Die | |
| wirkt sich bis in den Stadtrat aus, der sich mit Pötzsch um die | |
| Haushaltssanierung streitet. | |
| ## Aushängeschild Lausitzer Füchse | |
| Das Auto biegt in die Straße gleich gegenüber dem Eisstadion ein, wo die | |
| weit über die Stadt hinaus bekannten Lausitzer Füchse Hockey trainieren. | |
| Hier stehen Plattenbauten der Nachkriegszeit, der alte Baubestand fiel den | |
| letzten Fliegerangriffen des Zweiten Weltkriegs zum Opfer. | |
| Erst 1935 erlangte Weißwasser Stadtrecht, zwei zusammengewachsene | |
| [6][sorbische Heidedörfer.] Keine spektakuläre Altstadt oder Kulisse wie | |
| das nahe Görlitz, zu dessen Landkreis Weißwasser heute gehört. | |
| Viele der Plattenbauten wurden bereits von sechs auf vier Geschosse | |
| zurückgebaut, ganze Riegel abgerissen. Die einstige „Skyline“, wie | |
| Weißwasseraner die fünf einstigen Hochhäuser selbst liebevoll nannten, gibt | |
| es heute nicht mehr. „Wir mussten die Stadt von außen nach innen | |
| zurückbauen“, erklärt Pötzsch; wo sich früher die Südstadt befand, steht | |
| heute nur noch das Einkaufszentrum auf einer grünen Wiese. | |
| Der kommunale Wohnungsbestand wurde im Laufe der Jahre von 8.000 auf 4.000 | |
| Wohnungen reduziert, um den Leerstand zu kompensieren. Am Giebel eines | |
| Hauses beim Eisstadion prangt ein Wandbild, das einen Hockeyspieler zeigt. | |
| Der Sport schafft Identifikation in Weißwasser: Ein Kino oder Theater hat | |
| die Stadt nicht. Erst sollte das Wandbild einen Torwart zeigen, erzählt | |
| Pötzsch, doch dann hätten sich die ausführenden Künstler für den Stürmer | |
| entschieden: „Ihr müsst doch angreifen.“ | |
| ## AfD will bei Kommunalwahl punkten | |
| Pötzsch, 2017 mit knapper Mehrheit im Amt bestätigt, tritt für die lokale | |
| Wählervereinigung Klartext an. „Ein loser Haufen von rund 30 Leuten“ aus | |
| dem Sport-, Kultur- und Sozialbereich, auch viele Handwerker. Das Kreativ- | |
| und Wirtschaftspotenzial der Stadt, mittelständisch geprägt. Sechs der 22 | |
| Sitze im Stadtrat hat Klartext inne, gleichauf mit der CDU; Linke und SPD | |
| sind mit vier bzw. zwei Mandaten vertreten, ein Ex-NPDler ist dabei, zwei | |
| weitere lokale Wahlbündnisse. | |
| Die AfD unterhält ein Büro in der Stadt und wird mit Sicherheit bei den | |
| [7][Kommunalwahlen im Mai] in Stadtrat und Kreistag einziehen. Am 1. | |
| September finden außerdem Landtagswahlen statt. Dass seiner Partei, der | |
| CDU, die Zustimmung der ländlichen Bevölkerung abhandengekommen ist, hat | |
| Ministerpräsident Michael Kretschmer spätestens dann bemerkt, als ihm der | |
| AfDler Tino Chrupalla bei den Bundestagswahlen [8][im September 2017 den | |
| Görlitzer Wahlkreis abjagte]. | |
| Gut 300 Leute füllen den Saal auf dem Telux-Gelände, einem sanierten | |
| Industriegelände, wo früher Spezialglaskörper gefertigt wurden. Der OB im | |
| Gespräch mit dem MP, wie sie fast liebevoll sagen. Die Stimmung im Saal ist | |
| freundlich gespannt. Klar, dass es um den Strukturwandel gehen wird, für | |
| den in den nächsten zwanzig Jahren 18 Milliarden Euro in die Lausitz | |
| fließen sollen. „Dies kann nicht das Ende der Geschichte sein“, sagt | |
| Kretschmer beschwörend. „Wir wollen nicht de-industrialisieren. Wir wollen | |
| produzieren.“ | |
| Was er denn bitte sehr zu tun gedenke, um in der Region Großindustrie | |
| anzusiedeln, fragt ein Mann, der sich als Roberto Kuhnert aus Weißwasser | |
| vorstellt. Dass er AfD-Ortsgruppenvorsitzender ist, sagt er nicht, vermerkt | |
| aber die Sächsische Zeitung am nächsten Tag. Und warum, will der Mann | |
| weiter wissen, dürften Umweltaktivisten in solchen Kommissionen sitzen und | |
| mitbestimmen? | |
| ## Kretschmer: „Auf der guten Seite“ | |
| Der Ministerpräsident wählt seine Worte genau: Die meisten hier im Saal | |
| seien für die Braunkohle, sagt er. „Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, | |
| dass dies im ganzen Land keine Mehrheit hat. Das ist der große Wert der | |
| Kommission. Lassen Sie uns auf der Seite der Guten stehen.“ | |
| Die guten Menschen im Saal stehen Schlange, um ihre Fragen und Anliegen | |
| vorzubringen. Es geht um die Umsiedlung der Gemeinde Mühlrose, um | |
| Musikschulen, Kitagebühren, eine mögliche Freie Schule und immer wieder um | |
| die fehlende Infrastruktur: die noch ausstehende Elektrifizierung der | |
| bisher nur eingleisig befahrbaren Strecke Cottbus–Görlitz, fehlende | |
| Schnellstraßen und Fernzüge, kurz: die Anbindung an die Welt. | |
| Eine Schülerin tritt ans Mikro. Sie beschäftige sich fürs Abi mit der | |
| Energiewende. Wie man ein Datum für den [9][Kohleausstieg] festlegen könne, | |
| will sie wissen, wenn man noch keine funktionierenden Ersatztechniken habe. | |
| Stimmt, sagt Kretschmer, man arbeite daran, deswegen seien ja die | |
| Überprüfungsfristen festgelegt worden. „Könntet ihr den jungen Leuten in | |
| der Region konkrete Perspektiven anbieten?“, bittet der nachfolgende | |
| Redner. Schichtarbeiter bei der Leag, der Lausitz Energie Kraftwerke AG, | |
| und im Übrigen der Vater der Schülerin. | |
| Im persönlichen Gespräch gesteht er, dass er eine Ambivalenz zu seinem Job | |
| entwickelt habe. „Ich persönlich bin ja auch für den Ausstieg. Aber nicht, | |
| wie er gemacht wird.“ Zu schnell, über die Köpfe der Leute hinweg. „Wir | |
| sehen die Grünen oft als die Leute, die sich den Ausstieg leisten können.“ | |
| Im Stadtrat von Weißwasser sitzt kein Grüner. | |
| ## Sorgen über Sorgen | |
| Zwei Stunden „Sachsengespräch“ sind um, Michael Kretschmer bleibt noch ein | |
| Weilchen, um Rede und Antwort auf viele Fragen zu stehen. Als die Dresdner | |
| Senatskanzlei endlich abgerauscht ist, greift Torsten Pötzsch zu den | |
| verbliebenen Schnittchen, packt einige in eine Serviette und fährt nach | |
| Hause. Es war ein langer Tag. Zu Hause wartet seine Lebensgefährtin, das | |
| zweite Kind ist unterwegs. | |
| Einer der Redner des Abends war Frank Schwarzkopf, Stadtteilkoordinator und | |
| Leiter des Stadtvereins Weißwasser. „Ich trage die Sorgen der Menschen zur | |
| Stadtverwaltung“, beschreibt er seinen Job. Sorgen gibt es viele, der | |
| 62-Jährige hält in seinem Büro Sozialdaten für Weißwasser bereit: Der | |
| Jugendanteil beträgt nur 12 Prozent, umgekehrt sind rund 30 Prozent der | |
| Bevölkerung 65 Jahre und älter. | |
| Die Arbeitslosenrate liegt mit 9,5 Prozent weit über dem Bundes- und | |
| Landesdurchschnitt. Die [10][Kaufkraft] beträgt knapp 80 Prozent des | |
| Bundesdurchschnitts – und ist damit die niedrigste in der BRD. | |
| „Und diese Situation haben wir schon jetzt, wo die Braunkohle noch | |
| funktioniert“, erklärt Schwarzkopf. „Deswegen haben die Leute Angst.“ | |
| Expertise von außen wünscht sich der Betriebs- und Verwaltungswirt | |
| durchaus, „aber bitte keine Beraterschwärme, die uns überfallen. Wir | |
| brauchen vor allem Investitionen in Kultur und Bildung.“ Das setzt voraus: | |
| eine bessere Anbindung an die Schiene und den Ausbau von „5G bis zur | |
| letzten Milchkanne“. | |
| ## Viel Know-How von früher | |
| Schwarzkopf plädiert dafür, das Vorhandene sinnvoll zu fördern und mit | |
| Neuem zu verflechten: etwa die Hochschulen und Forschungseinrichtungen in | |
| Cottbus und Görlitz mit einer Bundesbehörde, die sich um technische | |
| Innovation und Entwicklung kümmert. Sie könnte in der von der Stadt | |
| erworbenen ehemaligen Ingenieurschule für Glastechnik ihren Sitz haben. | |
| Warum möglichst viele neue Strukturen schaffen? fragt Schwarzkopf. Lieber | |
| kleinteilig fahren. | |
| Die Angst, sich wieder nur von einer Industriesparte abhängig zu machen, | |
| ist auch bei Torsten Pötzsch groß. Sein Ziel heißt: Dinge ermöglichen, | |
| Menschen ermächtigen, Ideen umsetzen, möglichst „enkeltauglich“, sagt er | |
| heiter – „das Wort finden wir besser als nachhaltig“. Längst ist Pötzsch | |
| über Weißwasser hinaus bekannt. Kreisrat und stellvertretender Landrat in | |
| Görlitz; Initiator der „Lausitzrunde“ und dort Sprecher der sächsischen | |
| Kommunen. | |
| Etwa einmal pro Woche fährt er in die Dresdner Staatskanzlei. Wer jetzt | |
| nicht aufpasst, könnte bald das Nachsehen haben. Pötzsch hat eine Liste | |
| erstellt mit den Projekten, die Weißwasser dank der erwarteten Fördermittel | |
| realisieren könnte. Der Bahnhof gehört dazu. | |
| Pötzsch hat keine Allheilmittel, um seine Stadt [11][vor Abwanderung, | |
| Verarmung], vor der sozialen Erosion zu bewahren. „Wenn wir in den kleinen | |
| Unternehmen zehn Prozent mehr Arbeitsplätze schaffen könnten …“, sagt er | |
| hoffnungsvoll. Und der Tourismus? – „Wird ein Baustein sein. Ein kleiner, | |
| mit Wachstumspotenzial.“ Der OB setzt auf „kommunale Intelligenz“, ein | |
| Begriff, den er von dem Sachbuchautor Gerald Hüther übernommen hat. | |
| „Das ist meine Bibel“, sagt Pötzsch. Was er daraus zieht: „Nicht die | |
| Einwohnerzahl einer Stadt ist entscheidend, sondern wo und wie sich die | |
| Menschen einbringen können.“ | |
| ## In der Hafenstube | |
| „Es geht was in der Provinz“, sagt Sebastian Krüger. Und vielleicht geht | |
| das auch nur hier. Der 39-Jährige ist so eine Art Role-Model der | |
| Kreativwirtschaft von Weißwasser. 2013 kehrte der studierte Sinologe und | |
| Industriedesigner nach längerer Abwesenheit in seine Heimatstadt zurück. | |
| „Das war nur als Zwischenstation geplant“, doch dann ergab sich die | |
| Möglichkeit, das Soziokulturelle Zentrum (SKZ) im Telux mit aufzubauen, wo | |
| auch Ministerpräsident Kretschmer spricht. | |
| Auf dem weitläufigen Industriegelände ist auch das SKZ mit der Hafenstube | |
| untergebracht. Die „Hafen“ bedeuten in Weißwasser nichts Maritimes, sondern | |
| waren kaltgepresste Formen, in denen Glas geschmolzen wurde. Krüger, 39, | |
| dichter dunkler Bart, schwarzes Käppi, setzt sich an den großen Tisch aus | |
| Holzbohlen, der von einer ebenso großen Glasplatte geschützt und optisch | |
| betont wird. Glaskolben dienen als Lampen, in den Tresen sind gelbe Röhren | |
| eingelassen. | |
| Trotzdem, die Hafenbar ist weder Hipsterbar noch normale Kneipe, sie öffnet | |
| nur bei Veranstaltungen, sonst findet hier seit September 2017 Kultur- und | |
| Sozialarbeit statt. Das SKZ veranstaltet Theaterworkshops, Poetry-Slams, | |
| Konzerte, auch im Umkreis von Weißwasser. „Ein Changieren zwischen Party | |
| und Hochkultur“, erklärt Krüger. | |
| Weißwasser hat kein klassisches Bildungsbürgertum, aber Leute mit | |
| Unternehmensgeist. „Man kann in einer Kleinstadt die Inhalte reinbringen, | |
| die man will“, sagt Krüger. Das ist auch ein Stück Selbstverwirklichung für | |
| ihn, ein Lebensgefühl, das sich auf das Projekt überträgt. Ohne das wäre er | |
| bestimmt nicht mehr hier, gibt er zu. | |
| ## Einst größtes Kraftwerk der DDR | |
| Nur wenige Kilometer entfernt qualmen an diesem Tag im milchigen | |
| Sonnenlicht in der weiß verschneiten Winterlandschaft die Schornsteine. Sie | |
| gehören zum Kraftwerk Boxberg, das einst das größte der DDR war. Es | |
| verstromt die in der Region geförderte Braunkohle. Die Bagger des | |
| angrenzenden Tagebaus Nochten stehen heute still, sie füllen sonst den | |
| bereits stillgelegten Teil der Grube mit Abraum auf. | |
| Der Aussichtsturm mit Panoramablick deutet an, dass hier einmal | |
| Industriekultur, Renaturierung und Tourismus eine Rolle spielen könnten. | |
| Noch immer arbeiten zwischen 500 und 1.000 Menschen aus Weißwasser in der | |
| Kohle oder im Kraftwerk, schätzt Pötzsch. | |
| Es ist kein einfacher Job. Und kein einfaches Arbeiten im Stadtrat. Das hat | |
| mit der desolaten Haushaltssituation zu tun, die nicht nur mit | |
| schrumpfender Bevölkerung und sinkenden Einkommen zu kämpfen hat. | |
| Weißwasser musste wie viele Kommunen Gewerbesteuern zurückzahlen, laut | |
| Pötzsch „in zweistelliger Millionenhöhe“, die die Gemeinde von der | |
| [12][Firma Vattenfall] erhalten hatte. | |
| Durch den [13][Atomausstieg] hatten sich die Gewinne des Energiekonzerns | |
| reduziert. Inzwischen hat sich Vattenfall ganz aus der Braunkohle | |
| zurückgezogen, die Leag, Energiekonzern mit tschechischer | |
| Mehrheitsbeteiligung, hat die Nachfolge angetreten. Gewerbesteuern fließen | |
| derzeit keine und Sponsorengelder nun in sehr viel geringeren Summen. | |
| ## Immer diese Finanzen | |
| Aus den noch vorhandenen Rücklagen konnte ein Teil der Steuerforderungen | |
| zurückgezahlt werden. Aber Weißwasser hat durch den Schrumpfungsprozess ein | |
| strukturelles Haushaltsproblem. | |
| Seither schwelt ein Streit zwischen dem OB und dem Stadtrat, ob weiter | |
| städtisches Personal eingespart werden kann, Freiwilligenprojekte | |
| aufgegeben werden müssen, ob sich Kitas ausgliedern lassen, ob der kleine | |
| Tierpark oder die Bibliothek zugemacht werden sollten. Es geht ans | |
| Eingemachte. Es geht an die Nieren. Nein, sagt Torsten Pötzsch, mehr sparen | |
| geht einfach nicht. | |
| Da kommt der Strukturwandel eigentlich wie gerufen. | |
| NaN NaN | |
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