| # taz.de -- Tagebau Jänschwalde: Kohle baggert Wald an | |
| > In der Lausitz kämpft ein Waldbesitzer gegen den heranrückenden Tagebau | |
| > Jänschwalde. Auf den Kohleausstieg will er nicht warten. | |
| Bild: Unter Dampf: das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde | |
| Der Kampf gegen einen Riesen kostet Kraft, und die holt sich Jens Gebke | |
| beim Yoga. Der schlanke, dunkelblonde 38-Jährige kann das wirklich, auf | |
| einem Sofa sitzen, Fragen zu Bergschäden beantworten und dabei Yogaübungen | |
| machen. Der Jurist arbeitet und lebt am Stadtrand von Potsdam, sein Balkon | |
| wird beschattet von einem Kiefernwäldchen. „Wie zu Hause“, sagt er. | |
| Zu Hause, das ist ein Vierseithof im winzig kleinen Dörfchen Taubendorf im | |
| Südosten Brandenburgs, nahe der Neiße. Dort ist er aufgewachsen, dort | |
| wohnen seine Eltern. Das Dorf liegt an einem Kiefernwald, Gebke besitzt ein | |
| Stückchen davon. Es ist nur drei Hektar groß – und vier Kilometer entfernt | |
| vom Tagebau Jänschwalde. | |
| Laut den Plänen des Betreibers, der Leag Holding, soll in der Grube noch | |
| bis 2023 Braunkohle für das Kraftwerk Jänschwalde gefördert werden, dann | |
| ist dort Schluss. Bis dahin aber wird sich der Tagebau bis auf 120 Meter an | |
| das Dörfchen Taubendorf heranbaggern – und Gebkes Kiefern verschlingen. Um | |
| das zu verhindern, hat er sein Stück Forst nicht wie viele andere an die | |
| Leag verkauft, die den Kraftwerks- und Tagebaubetrieb vor drei Jahren von | |
| dem schwedischen Energiekonzern Vattenfall übernommen hatte. | |
| „Ich will den Tagebau so fern wie möglich halten“, sagt Gebke, „weil er … | |
| ganze Gegend kaputt macht, weit über seine Baggerkante hinaus.“ Das | |
| Grundwasser senke sich ab, und zwar in einem weiten Radius um den Tagebau | |
| herum. Straßen bekämen Risse, Bäume stürben, in Wiesen bildeten sich | |
| Krater, weil der trocknende Torfboden absacke. Viele Feuchtgebiete seien | |
| davon betroffen, auch solche mit FFH-Status. Die | |
| Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie besagt, dass sie nach europäischem Recht | |
| geschützt sind. | |
| Mit der Angst um das Grundwasser ist Gebke nicht allein. Am Freitag haben | |
| die Umweltverbände Grüne Liga und Deutsche Umwelthilfe (DUH) beim | |
| Verwaltungsgericht Cottbus Klage eingereicht – gegen die Genehmigung des | |
| Hauptbetriebsplans zur Weiterführung des Braunkohletagebaus Jänschwalde. | |
| Den Prozess führt der Frankfurter Anwalt Dirk Tessmer, der für die DUH | |
| schon den Rodungsstopp für den Hambacher Forst durchgesetzt hat. „Wir | |
| wollen erreichen, dass der Tagebau schneller als 2023 eingestellt wird“, | |
| sagt Tessmer. | |
| ## „Moore sind auf Grundwasser angewiesen“ | |
| Der rund 100 Meter tiefe und 4 Kilometer breite Tagebau senke das | |
| Grundwasser im Umkreis von mehreren Kilometern ab und trockne geschützte | |
| Moorgebiete aus, wie die „Pinnower Läuche“ und „Tauersche Eichen“, | |
| begründen die Verbände ihre Klage. Die Moore seien nicht nur wichtig für | |
| den Klimaschutz, weil sie viel CO2 speicherten, sagt René Schuster von der | |
| Grünen Liga, sondern auch für den Artenschutz. Seltene Pflanzen wie | |
| Sonnentau oder Moosbeeren wüchsen dort. „Moore und Moorwälder sind auf | |
| Grundwasser angewiesen“, sagt Schuster, „wenn das zu stark absackt, | |
| vertrocknen die Pflanzen.“ | |
| Man würde das gerne überprüfen. Eine mehrere Kilometer umfassende | |
| Grundwasserabsenkung, bedrohte Feuchtgebiete, stimmt das? | |
| Uwe Neumann, Fachdezernent vom Landesamt für Bergbau, Geologie und | |
| Rohstoffe Brandenburg, teilt dazu mit, sein Amt werde die im | |
| Rechtsmittelverfahren vorgebrachten Argumente prüfen, zurzeit könne man | |
| keine fachlichen Details äußern. Im Zulassungsverfahren sei das Landesamt | |
| für Umwelt beteiligt worden und werde auch jetzt wieder einbezogen. | |
| Das Landesumweltamt aber kann sich auch nicht äußern; laut einem Sprecher | |
| benötigt es eine Woche, um Daten über die beiden Feuchtgebiete | |
| zusammenzustellen und zu interpretieren, weil für das Monitoring des | |
| Grundwassers die Lausitzer und Mitteldeutsche | |
| Bergbau-Verwaltungsgesellschaft zuständig sei. | |
| Die weist das weit von sich, schließlich beobachte sie nur die | |
| Renaturierungsflächen, keine Gegenden, die vom aktiven Tagebau betroffen | |
| seien – und verweist an die Leag. Doch Leag-Sprecher Thoralf Schirmer | |
| beantwortet die Anfrage mit dem Hinweis, es existierten | |
| FFH-Managementpläne, deren Umsetzung und Statusbestimmung dem Landesamt für | |
| Umwelt obliegen. Die Leag sei nicht berechtigt, Angaben zum | |
| Grundwasserstatus von FFH-Gebieten offenzulegen. | |
| Es ist wohl auch diese Art der Kommunikation, die Jens Gebke an- und vor | |
| die Gerichte treibt. „Die lügen einen an“, sagt er. Seit Jahren streitet er | |
| sich mit Behörden und Tagebaubetreibern wegen 19 vertrockneter Obstbäume, | |
| zurzeit geht es um die Höhe der Entschädigung. Die drohende Enteignung | |
| seines Kiefernwaldes will er nicht hinnehmen. „Notfalls ziehe ich bis vor | |
| das Bundesverfassungsgericht“, sagt er. Das würde das Revierkonzept der | |
| Leag empfindlich treffen, denn so ein Prozess kann sich über Jahre | |
| hinziehen. | |
| In vier Jahren aber soll sowieso Schluss sein in Jänschwalde. So sieht es | |
| das Revierkonzept der Leag vor. Demnach soll das Kraftwerk Jänschwalde – | |
| laut Greenpeace das dreckigste Kraftwerk Europas – noch bis 2031 oder 2033 | |
| betrieben werden. Danach wird die Braunkohle in den verbleibenden zwei bis | |
| drei Tagebauen in den Kraftwerken Lippendorf, Schwarze Pumpe und Boxberg | |
| verbrannt. Die Planungen reichen weit über die 2040er Jahre hinaus. | |
| „Wir verzichten in dem Konzept schon auf 850 Millionen Tonnen Kohle, die | |
| wir ursprünglich abbauen wollten“, sagt Leag-Sprecher Thoralf Schirmer. | |
| „Wir sehen keinen nachvollziehbaren Grund für weitere Eingriffe in unsere | |
| Geschäftstätigkeit.“ Zwar sei das Ausstiegsdatum von 2038 „eigentlich | |
| nicht hinnehmbar“, doch wenn schon, dann wolle man jetzt zeitnah einen | |
| Fahrplan. | |
| „Die Bundesregierung soll uns schnell Signale senden, wie sie die | |
| Empfehlungen der Kommission umsetzt“, sagt Schirmer. Bergbau benötige lange | |
| Planungszeiten, das Revierkonzept müsse entsprechend verändert werden. Im | |
| Frühjahr etwa stünde die Unterzeichnung eines Umsiedlungsvertrages mit dem | |
| Unternehmen und dem Örtchen Mühlrose an, rund 200 Einwohner sollen | |
| umziehen. „Wir müssen durchrechnen, ob wir das unter den jetzigen | |
| Bedingungen noch unterschreiben können“, so Schirmer. | |
| ## „Wir müssen zügig vorankommen“ | |
| Am Donnerstagabend hatten sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU), | |
| Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der | |
| Kohleländer NRW, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt getroffen, um über | |
| die Empfehlungen der Kohlekommission vom vergangenen Wochenende zu beraten. | |
| Sie sehen einen Ausstieg aus der Kohle ab 2022 vor, 2038 soll endgültig | |
| Schluss sein. | |
| Unbestätigtes Ergebnis laut des NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet | |
| (CDU): Der Bund habe zugesagt, dass der Kommissionsbericht, der am | |
| vergangenen Freitag öffentlich geworden war, in allen Teilen umgesetzt | |
| werde. „Das heißt: 40 Milliarden Euro Strukturhilfe für die betroffenen | |
| Reviere.“ Festgelegt werden solle dies in einem „Maßnahmengesetz für einen | |
| Staatsvertrag“, so Laschet. | |
| Bei dem Maßnahmengesetz geht es zum Beispiel um Investitionen in die | |
| Infrastruktur, Investitionsanreize und die Ansiedlung von Bundesbehörden in | |
| den Kohleregionen. Laut des brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar | |
| Woidke soll der Bund diese in seine mittelfristige Finanzplanung | |
| einarbeiten. Es solle, wie von der Kommission vorgeschlagen, einen | |
| Staatsvertrag des Bundes mit den vier betroffenen Ländern geben, der auch | |
| über Legislaturperioden hinweg Sicherheit gebe. „Wir müssen zügig | |
| vorankommen. Die Projekte dürfen nicht zwischen Behörden und Aktendeckeln | |
| hängen bleiben“, sagt Woidke. | |
| ## Der Hinterhof der Lausitz | |
| Woidkes Lausitz-Beauftragter Klaus Freytag wünscht sich für die Lausitz | |
| jetzt eine „neue Aufbruchstimmung“. Konkret heißt das erst mal: eine | |
| zweigleisige Bahnstrecke von Cottbus nach Berlin. Die gab es schon mal, bis | |
| 1955, und seit 1990 wird sie gefordert. „Wir sind Teil der | |
| Hauptstadtregion“, sagt Freytag, „wir dürfen da nicht nur | |
| betriebswirtschaftlich denken.“ Nur weil im Moment nicht alle Züge voll | |
| seien, dürfe man nicht auf Investitionen verzichten. „Einen ICE sechsmal am | |
| Tag zwischen Berlin und Cottbus“, sagt Freytag, „und dann weiter nach | |
| Dresden, Leipzig und auch Breslau“, das brauche die Region. Man müssen den | |
| Hinterhof der Lausitz wieder beleben. | |
| Brandenburgs Grüne halten eine bessere Infrastruktur – sowohl durch | |
| Schienen als auch durch gute Breitbandverbindungen – ebenfalls für | |
| entscheidend. Außerdem werde es darum gehen, die Wissenschaft zu stärken | |
| und nachhaltige Zukunftstechnologien zu fördern, sagt die | |
| wirtschaftspolitische Sprecherin Heide Schinowsky. Um | |
| Industriearbeitsplätze in die Region zu holen, fordert Schinowsky den | |
| Ausbau des Bahnwerks Cottbus, außerdem will die Partei Ende Februar in | |
| Cottbus einen „Batteriegipfel“ veranstalten, um konkrete Pläne für eine | |
| große Batteriefabrik in der Lausitz zu entwickeln. | |
| Bürgerinitiativen und Umweltverbände hingegen haben etwas anderes vor: Sie | |
| laden zum „Waldspaziergang“ zu Jens Gebke. „Mein Kiefernforst ist kein | |
| Buchenwald“, sagt er, „aber stehen bleiben soll er trotzdem.“ | |
| 4 Feb 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Holdinghausen | |
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