# taz.de -- In Westafrikas Sahelzone: Gewalt verbreitet sich wie Buschfeuer | |
> Ausnahmezustand in Burkina Faso und Niger, Erfolge für Boko Haram in | |
> Nigeria, neue ethnische Konflikte in Mali: Es brennt allerorten. | |
Bild: Fulani (in Mali Peul genannt) protestieren in Bamako gegen Angriffe, Juli… | |
COTONOU taz | Burkina Faso kann nicht mehr für die Sicherheit seiner knapp | |
20 Millionen Einwohner sorgen. Diese indirekte Bankrotterklärung hat | |
Präsident Roch Marc Christian Kaboré in seiner Neujahrsansprache abgegeben | |
und in mehreren Gebieten den Ausnahmezustand verhängt. | |
Betroffen ist nicht mehr nur der Norden, wo es seit 2016 vermehrt zu | |
Überfällen von Banditen – meist aus Mali – kommt. Der Notstand gilt nun | |
auch im Osten, wo Burkina Faso an Togo, Benin und Niger grenzt. | |
Voraus gingen der Entscheidung zahlreiche Angriffe. Vergangene Woche | |
starben zehn Gendarmen in Toéni nahe der Grenze zu Mali. Eine Woche davor | |
waren in der Region Ost drei Soldaten ums Leben gekommen, Anfang Dezember | |
im Nordwesten zwei Polizisten. | |
Seit 2015 sollen [1][in Burkina Faso] über 230 Menschen durch | |
Terrorangriffe getötet worden sein. Das Land, das bis zum Sturz von | |
Langzeitherrscher Blaise Compaoré im Herbst 2014 als Ruhepol der Region | |
galt – manchen Beobachtern zufolge auch für Terroristen –, wird immer mehr | |
zu deren Hochburg. | |
## Zehntausende fliehen in die Städte | |
Längst ist von der Unsicherheit [2][die ganze westafrikanische Sahelzone] | |
betroffen. Im an Burkina Faso angrenzenden Südwesten des Niger gilt bereits | |
seit Anfang Dezember der Ausnahmezustand. Knapp zwei Wochen nach diesem | |
Schritt gab das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) | |
bekannt, aus den Grenzgebieten seien im Jahr 2018 rund 52.000 Menschen vor | |
Terror in die Städte geflüchtet. | |
In der Region [3][Diffa] im Südosten Nigers, wo die nigerianische | |
Terrorgruppe Boko Haram schon vor Jahren Rückzugsorte geschaffen hat, wird | |
der Ausnahmezustand seit Februar 2015 regelmäßig verlängert. | |
[4][Boko Haram] befindet sich in Nigeria wieder im Aufschwung. Zum | |
Jahresende soll es den islamistischen Kämpfern gelungen sein, die | |
Marktstadt [5][Baga] am Tschadsee einzunehmen. | |
Fast zeitgleich berichtete die Internetzeitung Sahara Reporters, dass 700 | |
Soldaten der nigerianischen Armee vermisst und 2.000 von Boko Haram | |
gefangen gehalten würden. Armeesprecher Sani Usman hat das vehement | |
bestritten, aber die Entwicklungen verstärken den Eindruck, Nigerias | |
Regierung entgleite kurz vor den Wahlen im Februar die Kontrolle. | |
## Angst vor Straßenräubern und Terroristen | |
Denn im muslimischen Norden dehnt sich Gewalt aus. Betroffen ist vor allem | |
der Bundesstaat Zamfara mit mehr als 80 Toten im Dezember. | |
Auch auf der nigrischen Seite ist das spürbar. In Niamey bestätigt ein | |
Bewohner, der vergangene Woche die Grenzstadt Birni N’Konni besuchte, die | |
Menschen dort lebten in ständiger Angst vor Straßenräubern und Terroristen. | |
Für die grenzüberschreitende Gewalt ist vor allem die in Mali entstandene | |
„Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime“ (JNIM) | |
verantwortlich. Die al-Qaida-nahe Organisation gilt als Zusammenschluss der | |
islamistischen Gruppen Ansar Dine, Macina-Befreiungsfront und | |
Al-Mourabitoun, ihr Anführer [6][Iyad Ag Ghali], ein historischer | |
Tuareg-Rebellenführer, steht auf Platz 25 der aktuellen Liste der | |
einflussreichsten Afrikaner des französischen Magazins Jeune Afrique. | |
Nach Einschätzung des US-Thinktanks Center for Strategic and International | |
Studies (CSIS) steckt JNIM auch hinter den neuen Anschlägen in Burkina | |
Faso. Ihre grenzüberschreitenden Aktivitäten spiegeln die | |
grenzüberschreitenden Versuche von Mali, Niger, Burkina Faso sowie Tschad | |
und Mauretanien, im Rahmen der gemeinsamen Truppe [7][„G5-Sahel“] mit | |
französischer Hilfe koordiniert gegen Islamisten vorzugehen. | |
## Fulani kollektiv unter Verdacht | |
Dass die Staaten eher hilflos sind, liegt auch daran, dass Islamisten nicht | |
die einzigen Gewaltakteure sind. Es kommt Gewalt zwischen Milizen | |
verfeindeter Ethnien und Kommunen dazu. | |
Am Neujahrstag gab Malis Regierung bekannt, dass Dogon-Milizen in einem | |
Dorf der Region Mopti 37 Angehörige der Fulani-Volksgruppe – in Mali Peul | |
genannt und auch in den anderen Ländern präsent – umgebracht haben sollen. | |
Am Mittwoch bestätigte Burkina Fasos Regierung die Tötung von sieben | |
Fulani-Zivilisten bei einem Racheangriff, nachdem Angreifer auf Motorrädern | |
am Neujahrstag das Dorf Yirgou überfallen und sechs Menschen getötet | |
hatten. | |
Da radikale Fulani zu den Islamisten gestoßen sind, gelten Fulani in den | |
Augen anderer Gruppen als Komplizen von Terroristen. Nach Schätzungen | |
forderte der [8][Fulani-Konflikt in Mali] im vergangenen Jahr über 500 | |
Tote, [9][in Nigeria] mehrere Tausend. | |
Gemeinsam haben die Konflikte, dass sie sich fernab der Hauptstädte in | |
Gegenden mit wenig Polizei- und Militärpräsenz abspielen. Grenzen werden | |
ungehindert überquert. Aufmerksamkeit erhält die Gewalt erst, wenn sie sich | |
flächendeckend ausgebreitet hat. | |
3 Jan 2019 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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