# taz.de -- Massaker in Mali: IS strahlt nach Westafrika aus | |
> Eine Serie ethnischer Massaker verschärft Malis Krise. Mitverantwortlich: | |
> Eine Untergruppe des „Islamischen Staates“, die neuerdings aktiv ist | |
Bild: Machtlos: UN-Patrouille in Malis Konflliktgebiet, Ende April | |
BERLIN taz | 12 Tote am 26. April. 31 Tote am 27. April. 17 Tote am 1. Mai. | |
Die Liste der Massaker an Zivilisten in der südöstlichen Ecke von Mali wird | |
immer länger – und sie zeugt von einer Kriegstaktik, die in Mali bisher | |
eher selten war: Angriffe auf zivile Bevölkerungen mit möglichst hohen | |
Opferzahlen statt gezielte Attacken auf militärische Gegner. Das eröffnet | |
beunruhigende Perspektiven in einem Land, dessen Sicherheit von einer | |
UN-Blauhelmmission mit rund 12.000 Soldaten abhängt, darunter 570 von der | |
deutschen Bundeswehr | |
Die deutschen UN-Soldaten stehen in Gao, größte Stadt im Osten Malis am | |
Niger-Fluss. Südöstlich in Richtung des Nachbarlandes Niger, liegt die | |
Region Menaka, einst eine Hochburg von Tuareg-Rebellen und heute Schauplatz | |
der jüngsten Massaker, denen vor allem Tuareg zum Opfer fielen. | |
Malische Medien lassen keinen Zweifel daran, dass es sich um gezielte | |
Angriffe auf Zivilisten handelt. „Alte Menschen wurden lebendig in ihren | |
Häusern verbrannt“, erklärt die „Plattform“, ein Bündnis lokaler Miliz… | |
das im Norden Malis an der Seite der Regierungsarmee kämpft, zum Überfall | |
des 1. Mai. Dem Angriff auf die Dörfer Tindinbawén und Taylalene in der | |
Mittagshitze sei sogar ein 90-jähriger Dorfchef zum Opfer gefallen. | |
Schon bei den ersten Angriffen im April sagte Menakas Provinzgouverneur, | |
Daouda Maiga, den Angreifern gehe es wohl darum, „die Bevölkerung zu | |
terrorisieren, um zu zeigen: Seht, wozu wir in der Lage sind.“ | |
## „Islamischer Staat der Großen Sahara“ | |
Den Berichten zufolge designieren Augenzeugen die Angreifer als Angehörige | |
einer der neuesten bewaffneten Gruppen Malis: der „Islamische Staat der | |
Großen Sahara“. Diese Gruppe, die dem IS Treue geschworen hat, ist Experten | |
zufolge eine Nachfolgerin der „Bewegung für Einheit und Dschihad in | |
Westafrika“ (Mujao), die radikalste und internationalistischste der | |
bewaffneten islamistischen Gruppen, die ab 2012 bis zu Frankreichs | |
Militärintervention in Mali Anfang 2013 die Nordhälfte Malis | |
kontrollierten. | |
Nachdem Frankreich die Islamisten zurück in den Untergrund gedrängt hatte, | |
tat sich Mujao mit dem historischen algerischen Islamistenführer Mokhtar | |
Belmokhtar zusammen. Es entstand die Gruppe „Al-Mourabitoun“, die eine | |
Reihe spektakulärer Anschläge in Mali verantwortete. Belmokhtar war einst | |
Mitgründer der al-Qaida im Islamischen Maghreb gewesen. | |
Als 2014-15 der IS in Irak, Syrien und Libyen immer mächtiger wurde und | |
auch Boko Haram aus Nigeria dem Kalifat Treue schwor, zog es ein Teil der | |
Mourabitoun-Gruppe vor, sich von al-Qaida zu lösen und sich ebenfalls zum | |
damals glamourösen IS zu bekennen. | |
Algerischen Berichten zufolge wird der „Islamische Staat der Großen Sahara“ | |
von einem ehemaligen Kämpfer der Westsahara-Befreiungsbewegung Polisario | |
geführt, mit dem Kampfnamen Adnan Abu Walid al-Sahraoui – ein Angehöriger | |
der reichen Joumani-Familie aus Marokko. Er habe sich Belmokhtars | |
Islamisten in Algerien angeschlossen und sei dann Sprecher der Mujao in | |
Mali geworden. Anfang 2016 habe er in Mali eine Angehörige der | |
Nomaden-Volksgruppe der Peul (auch Fulani genannt) zur Frau genommen. | |
## Peul gegen Tuareg im Osten Malis | |
Seitdem rekrutiere und radikalisiere er jetzt junge Peul, die sich | |
historisch in Mali im Konflikt mit Tuareg befinden und seit einigen Jahren | |
im Osten Malis sowie im Norden des benachbarten Burkina Faso mit Anschlägen | |
und Überfällen von sich reden machen. Basen haben diese Kämpfer in den | |
Wäldern des Naturschutzgebietes Ansongo-Menaka südöstlich von Gao an der | |
nigrischen Grenze. | |
Gegen sie zieht Malis Regierung mit Unterstützung Frankreichs sowie lokaler | |
Milizen der Tuareg und anderer Volksgruppen zu Feld. „Peul à moto“, Peul | |
auf Motorrädern heißen die IS-Kämpfer im Volksmund, berichtet der | |
französische Auslandsrundfunk RFI. | |
Menschenrechtsgruppen warnen, dass in diesem Krieg Angehörige der Peul | |
pauschal als Terroristen oder deren Sympathisanten abgestempelt werden. Die | |
UN-Mission in Mali meldete am 12. April, seit Februar seien bei | |
Militäroperationen gegen Peul-Kämpfer „mindestens 95 Personen Opfer | |
summarischer Hinrichtungen“ geworden. So sind die jüngsten Angriffe auch | |
Racheakte. | |
4 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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