# taz.de -- Massaker in Mali: Kinder und Alte verbrannt | |
> 134 Menschen sterben bei einem Überfall auf das Peul-Dorf Ogassagou in | |
> Mali. Zur gleichen Zeit findet der Besuch des UN-Sicherheitsrats statt. | |
Bild: Bedingt einsatzbereit: eine Basis von Malis Armee im Distrikt Menaka | |
Berlin taz | Beim wohl blutigsten Massaker in Mali seit Beginn des | |
Bürgerkrieges vor sieben Jahren sind am Samstag 134 Menschen getötet | |
worden. Nach lokalen Berichten überfielen mutmaßliche Kämpfer einer | |
traditionellen Jägermiliz der Dogon-Volksgruppe in Zentralmali nahe der | |
Grenze zu Burkina Faso am frühen Morgen das Dorf Ogossagou, das von | |
Angehörigen der Peul-Volksgruppe bewohnt ist. | |
Sie zündeten mindestens 400 Hütten an und schlachteten ab, wen sie fanden, | |
auch Alte und Kinder. Manche Leichen wurden in Brunnen geworfen, manche | |
Menschen wurden lebendig verbrannt. | |
Der zuständige Präfekt von Bankass, Boubaar Kané, bestätigte gegenüber | |
Journalisten am Samstag zunächst 115 Tote, bis die UN-Mission in Mali | |
(Minusma) die Bilanz auf 134 erhöhte. Sie erklärte, mit Hubschraubern die | |
Evakuierung von Verletzten durch Malis Armee und die Abwehr möglicher | |
weiterer Angriffe zu unterstützen. | |
UN-Generalsekretär Antonio Guterres sagte, er sei „schockiert und empört“. | |
Der Zeitpunkt des Angriffs war ein klares Signal an die UNO. Am Freitag war | |
der komplette UN-Sicherheitsrat in Malis Hauptstadt Bamako gelandet, um | |
Gespräche über den stockenden Friedensprozess und die zunehmende Gewalt zu | |
führen. | |
Das Massaker von Ogossagou dominierte dann die Beratungen: es zeigt, dass | |
Mali zunehmend außer Kontrolle gerät. | |
## Das friedliche Zusammenleben ist vorbei | |
In Zentralmali eskaliert seit Jahren die ethnische Gewalt. Radikale | |
Islamisten der in Mali und Burkina Faso kämpfenden „Gruppe zur | |
Unterstützung des Islam und der Muslime“ (GSIM) haben Jugendliche der | |
Peul-Volksgruppe rekrutiert. Dies treibt andere Volksgruppen dazu, Peul | |
kollektiv als Terroristen und Feinde anzusehen. | |
Das traditionelle friedliche Zusammenleben von Peul-Viehzüchtern und Bauern | |
aus anderen Volksgruppen ist damit zerstört. Eine ähnliche Gewaltdynamik | |
erleben die Peul in Nigeria, wo sie Fulani genannt werden und wo solche | |
Konflikte Tausende Tote gefordert haben. | |
Das Risiko, dass diese Konfliktkonstellation die gesamte westafrikanische | |
Sahelzone in ein Kriegsgebiet verwandelt, bereitet international große | |
Sorge, und es gibt dagegen noch kein politisches Rezept. | |
Während Tuareg-Rebellen im Norden Malis in einen umfassenden | |
Friedensprozess eingebunden sind, ist dies für Peul-Rebellen in Zentralmali | |
nicht der Fall. Diese werfen wiederum Malis Regierung vor, Milizen anderer | |
Völker zu unterstützen oder zumindest bei Angriffen auf Zivilisten gewähren | |
zu lassen, und sprechen von ethnischer Säuberung und Völkermord. | |
Die Tuareg-Rebellen Nordmalis sprachen in einer Erklärung am Samstag von | |
„organisierten Pogromen“, die „unverzüglich beendet“ werden müssten. … | |
Tuareg als auch Peul sehen in solchen Massakern einen Grund, dem | |
Friedensprozess in Mali nicht zu trauen und daher nicht wie vorgesehen all | |
ihre Kämpfer zu demobilisieren. Zu den Toten von Ogossagou gehörten auch | |
demobilisierte Peul-Rebellen. | |
## Armeebasis angegriffen | |
Das Massaker von Ogossagou ereignete sich in einem bereits explosiven | |
Kontext. Sechs Tage vorher hatten Tuareg-Kämpfer der GSIM eine Armeebasis | |
im Ort Dioura angegriffen und 26 Soldaten getötet. In der Bekennererklärung | |
stellte die vom Tuareg Iyad ag hali geführte Truppe den Angriff auf die | |
Armee als Rache für Angriffe der Regierungsarmee und verbündeter Milizen | |
auf „unsere Peul-Brüder“ dar. | |
Wütende Witwen der Soldaten versperrten daraufhin am Donnerstag dem | |
malischen Armeechef, General Abdrahamane Baby, den Zugang zur Armebasis von | |
Nioro. | |
Am Freitag gingen in mehreren Städten Ehefrauen von Soldaten auf die Straße | |
und forderten, ihre Männer nicht mehr ohne ausreichende Ausrüstung in den | |
Krieg gegen Dschihadisten zu schicken. | |
Diese Ereignisse erinnern fatal an den Beginn der Krise in Mali 2012. | |
Damals waren Proteste von Soldaten und ihren Familien nach einer Reihe von | |
Niederlagen gegen Tuareg-Rebellen zu einem Militärputsch eskaliert. Die | |
Tuareg in Nordmali riefen in Reaktion einen eigenen Staat aus, Islamisten | |
nutzten die Wirren aus, um sich ihrerseits in Nordmali zu etablieren. | |
Erst Frankreichs Militärintervention 2013 beruhigte die Lage wieder. Aber | |
die politischen Probleme, die 2012 zum kurzzeitigen Zerfall Malis führten, | |
bleiben nach dem Konsens der meisten Beobachter ungelöst. | |
24 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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