# taz.de -- Nach der Wahl in Mali: Alter Präsident, alte Probleme | |
> In Mali geht Ibrahim Boubacar Keïta als Sieger der Präsidentschaftswahl | |
> geschwächt in seine zweite Amtszeit. Das Land wird instabiler. | |
Bild: Ein Land in Hochspannung: Absicherung der Stimmauszählung in Bamako | |
COTONOU taz | Es ist offiziell: Der Sieg von Ibrahim Boubacar Keïta (IBK) | |
bei der Präsidentschaftswahl in Mali ist vom Verfassungsgericht bestätigt. | |
Mit 67,17 Prozent bleibt der 73-Jährige fünf weitere Jahre im Amt. | |
Im Vergleich zu Herausforderer Soumaïla Cissé, der 32,83 Prozent erhielt, | |
hat Keïta zwar mehr als doppelt so viele Wähler – doch die Beteiligung lag | |
bei nicht einmal 35 Prozent. Keïta geht angeschlagen in seine zweite | |
Amtszeit. | |
Deutlich macht das vor allem Malis Opposition. Vor fünf Jahren, als beide | |
schon einmal in der Stichwahl standen, gratulierte Cissé mit seiner Familie | |
IBK zum Sieg, lange bevor es offizielle Ergebnisse gab. An solche | |
Gemeinsamkeiten ist heute nicht mehr zu denken. | |
Die Opposition lehnt auch das gerichtlich bestätigte Resultat ab. Damit | |
zeigt sich, was Beobachter schon vor der Stichwahl forderten: Eine | |
Mediation zwischen beiden Lagern sei dringend. | |
## Drei schwierige Konfliktfelder | |
Denn auf IBK kommen weit mehr Aufgaben zu als die Einigungen mit | |
politischen Widersachern. Laut Baba Dakono, in Bamako tätiger Experte des | |
südafrikanischen Instituts für Sicherheitsstudien (ISS), gibt es drei | |
große, miteinander verbundene Konfliktfelder. | |
„Das erste sind gewaltbereite, extremistische Terrorgruppen. Dann kommt es | |
in der Region um Ménaka sowie in Zentralmali zu lokalen Konflikten – und | |
schließlich gibt es organisierte Kriminalität.“ Und das, obwohl im | |
Vergleich zu 2012, als Malis Norden durch Tuareg-Rebellion, Staatsstreich | |
und islamistische Besatzung zusammenbrach, etwa vier- bis fünfmal so viele | |
Soldaten im Land sind, darunter Tausende ausländische Kampftruppen. | |
Die Gleichung, dass mehr Soldaten mehr Sicherheit bringen, geht nicht auf, | |
sagt Dakono. „Es geht nicht nur um Sicherheitsprobleme, sondern auch um | |
Schwachstellen des Staates.“ Diese träten im ganzen Land auf. | |
Der öffentliche Fokus liege jedoch einzig auf Nord- und Zentralmali, wo | |
bewaffnete Auseinandersetzungen die Probleme sichtbar machen. | |
## Zentralmali gerät außer Kontrolle | |
Aus Zentralmali bekommt Abdramane Diallo, Sekretär der Organisation Tabital | |
Pulaaku Mali, die die Interessen der ethnischen Gruppe der Fulani vertritt, | |
ständig neue Schreckensnachrichten. „Es begann 2016 und ist schlimmer als | |
je zuvor. Begonnen hat es mit einem Antiterrorkampf, der zu einem lokalen | |
Konflikt geworden ist.“ | |
Im Zentrum des Konflikts stehe Amadou Koufa, Gründer der Befreiungsfront | |
von Macina und ein Vertrauter von Malis wichtigstem islamistischen | |
Untergrundführer Iyad Ag Ghaly, ein Tuareg, dessen Gruppe Ansar Dine seit | |
vergangenem Jahr mit anderen Bewegungen zur Unterstützergruppe des Islam | |
und der Muslime (GSIM) verschmolzen ist. | |
Die GSIM, die aus 17 einzelnen Bewegungen besteht, bekennt sich regelmäßig | |
zu Überfällen auf Armeepatrouillen. Sie hat sich auch im bislang | |
friedlichen Süden von Mali ausgebreitet. | |
Da Koufa selbst Fulani ist, wird immer wieder von Fulani-Terroristen | |
gesprochen – eine Aussage, über die sich Diallo massiv ärgert: „Das klingt | |
so, als wenn alle Fulani Terroristen wären.“ | |
Laut dem Forscher Baba Dakono hätten die Gemeinden vor Ort drei Optionen: | |
„Sie können mit den radikalen Gruppen kollaborieren, mit nationalen | |
malischen Streitkräften zusammen arbeiten, oder die Region verlassen. | |
Tatsächlich ist das keine Wahl. Viele Menschen finden sich also | |
unfreiwillig in dieser Lage wieder.“ | |
Abdramane Diallo fühlt sich von der Regierung vergessen und erhebt schwere | |
Vorwürfe: „Als die Terroristen gekommen sind, ist die Armee gegangen.“ | |
Dazu kommen Konflikte zwischen den Fulani, die meist Vieh züchten und | |
halten, und sesshaften Bauern, die je nach Region Bambara oder Dogon sind. | |
Auseinandersetzungen um Weideland und Ackerflächen wurden einst | |
traditionell mit Streitschlichtern gelöst. Heute gibt es auf beiden Seiten | |
bewaffnete Milizen. | |
## Raus aus dem Dogon-Land | |
Das hat auch Dagalou Guirou erlebt. Er betrieb bisher in Banani im | |
Dogon-Land ein Hotel. Noch bis vor ein paar Jahren konnte er gut vom | |
Tourismus leben – das Felsmassiv von Bandiagara ist Unesco-Weltkulturerbe. | |
„Alles fing mit dem Zusammenbruch des Nordens an. Jetzt ist es im | |
Dogon-Land angekommen.“ Vor vier Monaten packte er dort das Notwendigste | |
zusammen, musste seine alte Mutter zurücklassen und lebt jetzt bei einem | |
Freund in Malis Hauptstadt Bamako. | |
„Es ist sogar passiert, dass jemand auf dem Markt ermordet wurde“, erinnert | |
er sich. Oft sei nicht klar, wer verantwortlich sei. Auch Guirou beklagt | |
das Fehlen von Sicherheitskräften. In den Dörfern gebe es nur die | |
traditionellen Jäger zur Selbstverteidigung. | |
Dennoch genügt für Baba Dakono eine stärkere Präsenz des Staats nicht, um | |
die Krise zu beenden. „Der Staat muss auch handlungsfähig sein und sich um | |
die Belange der Bevölkerung kümmern. Eine symbolische Präsenz reicht nicht | |
aus.“ | |
21 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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