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# taz.de -- Ende des Steinkohlebergbaus: Bye-bye, Kohlenpott
> Mit der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop schloss am Freitag das letzte
> Steinkohlebergwerk Deutschlands. Das Aus war schon 2007 besiegelt worden.
Bild: Eine einer Epoche: Bergleute der Zeche Prosper-Haniel mit ihrem letzten S…
Schicht im Schacht. Das war’s. Schluss. Vorbei. Aus über 1.200 Meter Tiefe
förderten die Kumpel am Freitagnachmittag das letzte Stück Steinkohle aus
dem Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop und übergaben es in einer
feierlichen Zeremonie an Frank-Walter Steinmeier. „Das kann kein Tag zum
Feiern sein“, sagte der Bundespräsident sichtlich ergriffen. „Es ist ein
Tag der Trauer.“ Eine Epoche gehe zu Ende. Mit dem etwa sieben Kilogramm
schweren Kohlebrocken halte er „ein Stück Geschichte“ in der Hand.
Noch einmal intonierten die 500 geladenen Gästen auf dem Zechengelände
gemeinsam melancholisch das Steigerlied. Und der eine oder die andere
verdrückte ein paar Tränen. Dann waren rund 200 Jahre deutsche
Industriegeschichte beendet. Ab jetzt ist das Ruhrgebiet endgültig nicht
mehr der Kohlenpott.
„Heute ist ein schwarzer Tag“, sagte der Chef des Bergbaukonzerns RAG,
Peter Schrimpf. „Diesen Schlusspunkt zu setzen, fällt jedem Bergmann
schwer.“ Es lasse sich kaum in Worte fassen, „was unsere Bergleute heute
fühlen“.
Mit der Zeche im nördlichen Ruhrgebiet hat die letzte Schachtanlage in
Deutschland ihren Betrieb eingestellt. Es war der Abschluss einer
jahrzehntelangen Entwicklung, die ihren Anfang bereits Ende der 1950er
Jahre hatte, als die deutsche Steinkohle ihre Wettbewerbsfähigkeit
gegenüber der deutlich billigeren Importkohle verlor.
Trotz Milliardensubventionen konnte das Sterben der Bergwerke letztlich
nicht aufgehalten werden. 173 Zechen waren es noch 1957, 69 dann 1970. In
diesem Monat wurden nun die letzten beiden Bergwerke dichtgemacht: Am 4.
Dezember schloss das Bergwerk Ibbenbüren, jetzt Prosper-Haniel.
In seinen Hochzeiten beschäftigte der Steinkohlebergbau im Revier knapp
480.000 Menschen. Im vergangenen Jahr waren es noch rund 4.500. Vor 1958
förderten die Ruhrkumpel jährlich mehr als 123 Millionen Tonnen Kohle, 2014
waren es nur noch 5,7 Millionen, in diesem Jahr etwa 2,6 Millionen Tonnen.
## Ein Knochenjob
Das endgültige Aus für die Steinkohleförderung in Deutschland hatten die
Bundesregierung, die Kohleländer NRW und Saarland sowie die
Bergbaugewerkschaft IG BCE im Jahr 2007 vereinbart. Im Saarland schloss das
letzte Bergwerk Mitte 2012.
Bei aller verklärender Nostalgie, die in diesen Tagen das Ruhrgebiet
ergriffen hat, sollte nicht vergessen werden, dass die Arbeit im Pütt ein
Knochenjob war. Kaum ein Bergmann überstand ihn unversehrt. Denn der Beruf
war in gleich mehrfacher Hinsicht gefährlich.
Da war zum einen die Gefahr von Grubenunglücken. Das schwerste ereignete
sich im Februar 1946 auf der Zeche Grimberg in Bergkamen: 405 Bergmänner
kamen damals bei einer Schlagwetterexplosion ums Leben.
Und dann war da noch jene Berufskrankheit, die zum Alltag der Bergleute
gehörte: Zehntausende wurden Opfer der Silikose und der Siliko-Tuberkulose
– die Staublunge war die Geißel der Bergleute. Deren Lebenserwartung lag
deutlich unter der der Restbevölkerung.
Das bislang letzte deutsche Steinkohleopfer verzeichnete am vergangenen
Montag das Bergwerk Ibbenbüren: Bei Arbeiten zur Nachbereitung der vor zwei
Wochen geschlossenen Zeche am Rande des Münsterlandes wurde ein 29-jähriger
Bergmann in einer sogenannten Wettertür eingeklemmt. Er verstarb noch unter
Tage.
## Ganze Regionen abgesenkt
Was bleibt? Zum Erbe der Bergbau-Ära gehören vor allem die sogenannten
Ewigkeitslasten und -kosten. So haben sich infolge des Bergbaus ganze
Regionen des Ruhrgebiets abgesenkt, die nun unterhalb des
Grundwasserhorizonts liegen. Um zu verhindern, dass sich der einstige
Kohlenpott zu einer gigantischen Seenplatte entwickelt, müssen pro Jahr
rund 900 Millionen Kubikmeter Grundwasser abgepumpt werden.
Außerdem müssen die stillgelegten Schächte permanent von Wasser frei
gepumpt werden, damit sie nicht volllaufen und letztlich das Grundwasser
verunreinigen. Insgesamt werden die Dauerkosten, für die die zu diesem
Zweck gegründete RAG-Stiftung aufkommen soll, auf jährlich 220 Millionen
Euro geschätzt.
Was bleibt sonst? Trotz alledem zahlreiche wehmütige Erinnerungen – und
manch Folklore. Bei jedem Heimspiel auf Schalke wird denn auch weiterhin
aus zehntausenden Kehlen das Steigerlied zu hören sein.
21 Dec 2018
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Steinkohle
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