# taz.de -- Energiewende in Nordrhein-Westfalen: Frischer Wind in Kohle-Land | |
> Strukturwandel im Pott: Die Zuliefererbetriebe der Bergbau-Industrie | |
> setzen stärker auf erneuerbare Energien. Reingewaschen sind sie noch | |
> nicht. | |
Bild: Aus dem Hause Eickhoff: Planetenradlagerung eines Windrades. | |
KÖLN taz | Es ist der perfekte Niedergang. Vor 60 Jahren stand das | |
Ruhrgebiet noch für Arbeit und Wachstum. Mit dem Zechensterben sind von den | |
damals gut 400.000 Beschäftigten in den Bergwerken nur 21.000 übrig | |
geblieben. Auch viele Zulieferer für den Bergbau hätte dieses Schicksal | |
ereilt – wären da nicht die erneuerbaren Energien. "Die Windkraftproduktion | |
hat dazu beigetragen, dass wir den Strukturwandel gut überwunden haben", | |
sagt Kai Lubenow, technischer Leiter beim Getriebehersteller Eickhoff in | |
Bochum. | |
Eickhoff hat das ganze Auf und Ab der Kohleindustrie mitgemacht. Im Jahr | |
1864 als kleine Eisengießerei in Bochum eröffnet, produzierte das | |
Unternehmen ab Beginn des 20. Jahrhunderts Maschinen für den Kohlebergbau. | |
Mit der Steinkohle ist das Unternehmen größer geworden. Als später eine | |
Zeche nach der anderen schloss, musste der Mittelständler wie viele andere | |
Unternehmen im Revier nach Alternativen suchen. | |
Als Spezialist für Bergbaugetriebe lag es nahe, sich auch an | |
Windkraftgetrieben zu versuchen. Anfang der 90er Jahre verließen die ersten | |
das Werk. Heute ist die Windkraftproduktion gemessen am | |
300-Millionen-Umsatz etwa gleich groß wie der Bergbaubereich. | |
Auch andere Unternehmen, die mit der Kohle gewachsen sind, haben die | |
Vorzüge der erneuerbaren Energien entdeckt. Die 200 Jahre alte | |
Friedrich-Wilhelms-Hütte in Mülheim an der Ruhr, die Eisen- und Stahlteile | |
für verschiedene Industrien herstellt, liefert mittlerweile auch | |
Blattadapter und Rotornaben für Windräder. Das zum ThyssenKrupp-Konzern | |
gehörende Traditionsunternehmen Rothe Erde aus Dortmund liefert unter | |
anderem Stahlringe für Windkraftanlagen. | |
## 24.000 Beschäftigte | |
Gut 24.000 Menschen in Nordrhein-Westfalen verdienen inzwischen ihr Geld im | |
Sektor Erneuerbare Energien, ergab eine Studie des Instituts IWR aus | |
Münster. Ein Großteil davon arbeitet im Ruhrgebiet. Thomas Westphal, | |
Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung metropoleruhr, formt aus dem Trend | |
einen Superlativ: "Das Ruhrgebiet ist die führende Region der | |
Zulieferindustrie für die regenerativen Energien in Deutschland." | |
Auch Nordhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) freut sich | |
über die Entwicklung. Das Unternehmen Eickhoff nannte er vor kurzem "ein | |
Paradebeispiel für einen gelungenen Strukturwandel". Nur dass Firmen wie | |
Eickhoff weiter auch als Zulieferer für den Bergbau ihr Geld verdienen, | |
dürfte das Bild der reingewaschenen Kohleindustrie etwas trüben. | |
Die Nachfrage nach Bergbaumaschinen im Inland ist zwar gesunken. Doch es | |
gibt neue Abnehmer in Ländern wie China und Russland. Beispiel Eickhoff: | |
Rund 95 Prozent der Bergbauprodukte gehen heute ins Ausland – mit zuletzt | |
gestiegenen Umsätzen. | |
Derzeit ist es die Windkraftindustrie, die in einer Nachfrageflaute treibt | |
und die neuorientierten Zulieferer belastet, so Auskünfte verschiedener | |
Unternehmen. Das spürt auch der Getriebebauer Eickhoff: "Unsere Kapazitäten | |
sind momentan höher als die Verkäufe", bestätigt Kai Lubenow. | |
Die Landesregierung in Düsseldorf will die junge Industrie fördern. Durch | |
einen neuen Erlass soll der Windstromanteil in dem Bundesland von heute 3 | |
Prozent auf mindestens 15 Prozent im Jahr 2020 steigen. Dass die Nachfrage | |
wieder anzieht, glauben daher auch Firmen wie Eickhoff. Während bald die | |
letzten drei Zechen im Ruhrgebiet schließen, stocken die Firmen der | |
erneuerbaren Energien ihr Personal auf. | |
1 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Moritz Schröder | |
## TAGS | |
Steinkohle | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ende des Steinkohlebergbaus: Bye-bye, Kohlenpott | |
Mit der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop schloss am Freitag das letzte | |
Steinkohlebergwerk Deutschlands. Das Aus war schon 2007 besiegelt worden. | |
Fortschritte bei Stromspeicherung: Wie man Sonne und Wind festhält | |
Künftig wird Strom nicht mehr produziert, wenn wir ihn brauchen, sondern so | |
erzeugt, wie Wind und Wetter es zulassen. Dann muss er gespeichert werden. | |
Nur wie? | |
Neue Idee für Energiewende: Bürger wollen Stromleitung finanzieren | |
Arbeitsgemeinschaft kleiner Energieproduzenten will Hochspannungsleitung an | |
der Nordseeküste auf die Sprünge helfen. Diese soll es möglich machen, den | |
zunehmenden Windstrom zu transportieren. | |
Regenerative Energien: Pläne für Windräder kommentieren | |
Künftig sollen die Bürger mitreden dürfen, wie Deutschland den Umbau hin zu | |
regenerativen Energien schafft. Doch an der Informationspolitik gibt es | |
Kritik. | |
Ausbau erneuerbarer Energien: Ökostrom ohne Plan | |
Jedes Bundesland wurstelt beim Ausbau erneuerbarer Energien so vor sich | |
hin. Die Verbraucherzentrale fordert deshalb Absprachen, sonst drohen teure | |
Fehlinvestitionen. | |
Ausbau der Windenergie: Weg mit der roten Laterne | |
Baden-Württemberg will nicht länger Schlusslicht bei erneuerbaren Energien | |
sein. Deshalb soll der Anteil der Windkraft sich in neun Jahren | |
verzehnfachen. |