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# taz.de -- Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
> Eine Waldorfschule schießt sich selbst ins Knie. Der Spiegel inszeniert
> sich. Friedrich Merz hat in allen fraglichen Ämtern null Erfahrung.
Bild: Reine Selbstbespiegelung? Der Fall Claas Relotius wird beim „Spiegel“…
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Vor Aufregung um den Branchen-GAU habe ich vergessen, [1][einen Baum zu
kaufen].
Was wird besser in dieser?
Sägen, was ist.
In Berlin will eine Waldorfschule [2][das Kind eines AfD-Politikers nicht
aufnehmen]. Richtig so?
Auf jault liberaler Humanismus gegen diesen Akt der Ausgrenzung, wo sonst
Liberalismus röchelt und Ausgrenzung Trumpf ist: Rechts. Einen Schulhof
weiter, bei Katholens, zahlen wir alle an die 100 Prozent des Geldes, mit
dem die Päpstlichen dann bei Lehrpersonal, Stoff und Schülerschaft wüten
nach vatikanischem Ermessen. Die Berliner Waldorfschule hatte dreißig
Plätze auf 140 Bewerber zu verteilen – und sich bei einer von 110 Absagen
waidgerecht ins Knie geschossen. Schon fordert der bildungspolitische
Sprecher der Steinerschen, der Staat möge schneller mehr Geld für
Waldorfschulen herausrücken.
Das ist, bei Licht betrachtet, die dummdreisteste Reaktion: Wo Ideologie,
Sektengusto und private Interessen in die Schulen züngeln, sollen wir den
Blödsinn sauber durchfinanzieren. Der Vorgang spricht für mehr staatliche
und weniger private Schulen, und keine staatliche Schule kann ein Kind
ablehnen. Die Waldörfler distanzierten sich 2007 in ihrer „Stuttgarter
Erklärung“ von Rassismus und Nationalismus, nicht jedoch von Rudolf Steiner
selbst – einem glühenden Antisemiten und hochesoterischen Rasseschwurbler.
Dass AfDler da Nähe suchen, überrascht nicht.
Der Journalist Claas Relotius galt als herausragender Reporter beim
Spiegel, war vielfach preisgekrönt – und nun stellte sich in dieser Woche
heraus, dass er für seine Texte [3][massiv hinzudichtete, fälschte und
erfand]. Einzelfall oder Symptom?
5,10 Euro für ein mageres Nachweihnachtsheft, das zu 22 Seiten und Titel
aus der Fälschungsaffäre besteht: Respekt, das matcht sich mit der Idee der
deutschen Autoindustrie, die Kundschaft sollte die Betrugsaffäre
finanzieren. Da muss der Spiegel nachdenken, bevor er VW wieder kritisiert.
Oder das Heft umsonst verteilen.
Drinnen gibt’s eine Heldenreise: Von der „gewohnten Welt des Mangels“ –
Claas Relotius gewinnt alle Preise und die Kollegen gucken in die Röhre –
über die Einladung zum Abenteuer: „da stimmt doch was nicht“ – und das
„Elixier“: [4][Kollege Juan Moreno entdeckt Beweise für Fälschungen]. Bis
hin zur „tiefsten Hölle“: die Vorgesetzten lassen den Whistleblower
auflaufen. Die Erzählung des Totalschadens unterscheidet sich nicht vom
Totalschaden, zu tief und jäh der Schock, als dass die Lehren schon gezogen
sein könnten: Welt oder was man dafür hält in ein gängiges Erzählmuster zu
drapieren – das heißt völlig zu Recht „Geschichte“, nicht „Reportage�…
Dieses „Geschichtenerzählen“ ist die Krankheit, weil die Realität sich
immer mal wieder weigert, sich ins Erzählschema zu fügen, und da gibt es
viele kleinere Verbrechen als die, derer der Spiegel sich jetzt überführt
hat. Das Besondere am vorliegenden Fall ist die Arroganz, mit der eine
Redaktion glaubt, selbst ihr Versagen sei ein zwingendes Nummer-eins-Thema:
Der Spiegel-Titel handelt vom Spiegel, sonst war wohl nichts diese Woche.
[5][Er traue sich ein Ministeramt zu], ließ der unterlegene
CDU-Parteivorsitzbewerber Friedrich Merz im Interview mit der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung wissen. Mehr Hybris geht eigentlich kaum noch, oder?
Katharina Barley geht nach Europa, Horst Seehofer wirkt biologisch abbaubar
– beide Ämter würden in der Groko von SPD und CSU nachbesetzt. Also
tuschelt’s um die CDU-Minister Ursula von der Leyen und Peter Altmaier.
Friedrich Merz müsste zur Bewährung an die Front, oder die Wirtschaft
erquengelt sich einen Selbstbedienungsonkel. Alternativ raunt es von
Landesvorsitz und Spitzenkandidatur in Baden-Württemberg, wo Merz Thomas
Strobl verdrängen müsste – den Schwiegersohn seines Mentors Schäuble. Dass
Merz in allen fraglichen Ämtern null Erfahrung und auch keine Ausbildung
hat, unterscheidet ihn nicht von anderen Fehlbesetzungen. Kern der
Botschaft: Die CDU kommt nicht zur Ruhe.
Apropos politische Wiedervorlage: Die SPD verkündet, dass sie [6][Thilo
Sarrazin jetzt wirklich loswerden will]. Was sagt dieser dritte Anlauf über
die derzeitige Lage der SPD?
Sie hat keine Linie gefunden, die zeitgemäß übersetzte „Unter Helmut
Schmidt konnten sich Frauen nachts noch in den Park trauen“. Der klassische
Law-and-Order-Sozi also, auf den Sarrazin sich beruft und dessen Fans
längst AfD, Union und FDP wählen. Der letzte Repräsentant dieser Spezies
war eine Leihgabe von den Grünen: Innenjunker Otto Schily. Sarrazin erfüllt
die angemaßte Aufgabe nicht, Linksreaktionäre bei der SPD zu halten,
deshalb kann er weg.
Raus aus Syrien: US-Präsident Donald Trump hält den IS für besiegt und
[7][holt die US-Truppen nach Hause]. Für wen ist dieser Schritt das größte
Geschenk?
Für seine Nachfolgerin.
Am Donnerstag hat [8][die letzte Steinkohle-Zeche in Bottrop dichtgemacht].
Ist das nun ein geeigneter Zeitpunkt, um wehmütig zu werden?
Längs dem Begriff „Ewigkeitskosten“ beginnt jetzt die Ewigkeit. Wir melden
uns. Einstweilen gilt: Über die Toten nichts Schlechtes, und so gut, wie
derzeit über den Ruhrbergbau geredet wird, muss er ziemlich tot sein. Wenn
die Konzerne die Grubenpumpen abstellen, kommen wir als Binnensee zurück.
Und was machen die Borussen?
Müssen jetzt Kohle, Stahl, teilweise schon Bier ersetzen. Tun sie. Fragen
MLA
23 Dec 2018
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Friedrich Küppersbusch
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