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# taz.de -- Intendantin des Tanztheaters Wuppertal: „Kunst macht man nur mit …
> Nach dem Rauswurf von Adolphe Binder ist Bettina Wagner-Bergelt
> Intendantin des Tanztheaters Wuppertal. Ein Gespräch über Solidarität,
> Kunstfreiheit und Politik.
Bild: Pina Bauschs Stücke sind moderne Klassiker, auch wenn sie, wie hier, ant…
Seit Monaten steht das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch im Rampenlicht
der öffentlichen Aufmerksamkeit. Im Sommer 2017 trat mit Adolphe Binder zum
ersten Mal nach Pina Bauschs Tod eine von außen bestellte Intendantin die
künstlerische Leitung des Ensembles an. Im Sommer 2018 beschloss der Beirat
ihre sofortige Kündigung. Als Grund dafür wird öffentlich vor allem ein
lückenhafter Spielplan für die Saison 2018/19 genannt. Von anderen
Vorwürfen, die aus einem internen Dossier stammen, das im Frühsommer in
Teilen der Presse zugespielt wurde, ist inzwischen keine Rede mehr. Die
Wuppertaler Rundschau hat unterdessen den Durchstecher an die Presse
benannt. Die entlassene Intendantin Adolphe Binder, die zuvor das
GöteborgsOperans Danskompani in die Weltspitze zeitgenössischer Ballette
positioniert hatte, klagt gegen ihre Kündigung. Der Prozess läuft.
Gleichzeitig wurde mit Bettina Wagner-Bergelt gerade eine neue Intendantin
bestellt. Wie positioniert man sich in dieser Situation zum Geschehen und
den Verstrickungen rund um das berühmteste deutsche Tanz-Ensemble?
taz: Es gibt aktuell wohl keine schwierigere
Tanz-Intendant*innenstelle in Deutschland als die am Tanztheater
Wuppertal. Aber Sie haben, als Sie gefragt wurden, sofort zugesagt –
obwohl Sie im Moment noch mit dem Programm für Bauhaus 100 beschäftigt
sind. Ist das der Job Ihres Lebens?
Bettina Wagner-Bergelt: Ja, das ist der Job meines Lebens! Ich habe nicht
darauf gewartet. Wie Sie richtig sagen, bin ich aktuell noch beschäftigt,
aber als man mich vor etwa fünf Wochen zum ersten Mal fragte, ob ich mir
das vorstellen könnte, war es ganz klar. Das ist der Platz in Deutschland,
der mich am allermeisten interessiert, der das zusammenfasst, womit ich
mich lange beschäftigt habe, was ich gut kenne … Ich denke aber nicht, dass
es der schwierigste Intendantenjob überhaupt ist.
Nein?
Aktuell wird ein großer Hype draus gemacht, gerade von der Presse. Aber das
Ensemble hat seine Stücke seit Pina Bauschs Tod auf höchstem Niveau
gezeigt, es tritt weiterhin mit großem Erfolg in der ganzen Welt auf.
Insofern ist das Ensemble sehr stabil, sehr widerstandsfähig – auch wenn
aktuell die Situation meiner Vorgängerin so heiß diskutiert wird.
Sie fangen am 1. Januar in Wuppertal an. Aber Sie waren nun schon öfters
dort. Wie ist die Stimmung aktuell?
Was meine Aufnahme angeht, habe ich sie als sehr positiv erfahren. Ich habe
das Gefühl, alle sind in Aufbruchstimmung und es gibt keine Angst davor,
was jetzt werden wird. Wie gesagt, ich halte das Ensemble für sehr stabil.
Hat das Ensemble sich Ihnen gegenüber im Gespräch [1][zur gekündigten
Intendantin Adolphe Binder] verhalten?
Nein. Und auch ich habe das nicht gemacht, denn ich kenne Adolphe Binder
überhaupt nicht. Beziehungsweise, ich kenne sie nur als Intendantin des
Balletts in Göteborg, wo ich manchmal hingefahren bin, um mir Stücke
anzuschauen. Aber persönlich kenne ich sie nicht und ich denke, dass es von
außen sehr schwierig ist, zu beurteilen, was sich in Wuppertal in Bezug auf
sie abgespielt hat. Ich mische mich nicht ein. Mir ist das Ensemble und die
Frage, wie wir es zukunftsfähig erhalten, wichtiger, also das, was vor uns
liegt. Darauf freue ich mich und ich denke, die anderen auch.
Dadurch, dass Sie den Job angenommen haben, positionieren Sie sich
natürlich. Ansonsten hätten Sie bis zu einer Klärung des Falls den Job
allein aus Solidarität nicht angenommen?
Ich weiß nicht, ob ich solidarisch sein muss mit jemandem, von dem ich gar
nicht weiß, in welcher Situation er sich bewegt hat. Kündigungen gibt es
natürlich häufiger.
Das Leitungsmodell im Tanztheater Wuppertal hat mit für die ungute
Situation gesorgt. Die künstlerische Intendantin unterstand dem
Geschäftsführer sowie später sogar einem von der Stadt zusätzlich
eingesetzten Prokuristen. Immerhin wurden Sie nun in gleichberechtigter
Position mit dem neuen Geschäftsführer Roger Christmann eingestellt. Die
Stadt hat also gelernt?
Das war zumindest von vornherein klar, als es um meinen Vertrag ging. Etwas
anderes hätte ich nie akzeptiert. Ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung,
wie wichtig die künstlerische Unabhängigkeit für eine gute Zusammenarbeit
mit der Geschäftsführung ist.
Wie sehen Sie die Rolle des für 58 Millionen, unter anderem mit
Bundesmitteln, neu geplanten Pina Bausch Zentrums? Es soll bis 2024 fertig
sein. Dann soll auch das Ensemble dort einziehen. So ein Zentrum für den
Tanz ist in Deutschland einzigartig.
Absolut. Und das gilt es zu gestalten. Das Pina Bausch Zentrum heißt nicht
Tanzzentrum, sondern explizit nach Pina Bausch. Das heißt, dass die
Bausch-Foundation und das Ensemble dort eine wesentliche Rolle spielen
werden. Mein Kollege Roger Christmann und ich sind da sehr konkret
verpflichtet, uns inhaltlich mit der Planung zu beschäftigen. Das heißt:
Wie soll das Ensemble aufgestellt sein? Wie wollen wir uns in der Stadt
positionieren? Sie haben es gesagt: So ein Zentrum ist das erste und
einzige in Deutschland. In der Regel ist es in Deutschland ja eher so, dass
Tanzkompanien an Mehrspartenhäusern geschlossen werden, während das Theater
weitergeführt wird. So ein zentraler Fokus, mit dem das Zentrum in
Wuppertal platziert wird, ist eine riesige Chance für den Tanz, ein großes
kulturpolitisches Signal, auch für andere Städte.
Mit dem Fall von Adolphe Binders Entlassung wird auch ein Medienskandal
verbunden. Offensichtlich wurden ausgewählten Teilen der Presse Interna des
Tanztheaters zugespielt. In dieser Beziehung hat die Wuppertaler Rundschau
einen Namen genannt, der auf einen Zusammenhang mit dem in Planung
begriffenen Pina-Bausch-Zentrum hinweist. Haben Sie eine Meinung dazu,
warum das Zentrum ein Interesse daran haben könnte, Binder als
Tanztheaterintendantin wegzukriegen?
Nein. Damit ist so viel Spekulation verbunden. Mich da einzumischen ist mir
aus tiefster Seele zuwider. Ich kenne diese Menschen ja auch alle nicht und
hoffe einfach, dass es irgendwann geklärt ist. Persönlich will ich mich
nicht wappnen gegen irgendjemanden, weder intern noch extern.
Sie sind im guten Kontakt mit Pina Bauschs Sohn Salomon. Er hat die Rechte
an den Stücken und steht der von Ihnen erwähnten Bausch-Foundation vor.
Welche Rolle spielt er in den Entscheidungsprozessen?
Die Stiftung ist ein unglaublicher Fundus an Materialien, an Erfahrungen,
an Bild- und Videodokumenten, kurz: für alles, was gebraucht wird, was im
Tanztheater passiert. Insofern muss diese Zusammenarbeit eng sein.
Gibt es ein künstlerisches Mitspracherecht der Stiftung?
Was heißt hier Mitspracherecht? Es geht um einen wichtigen Partner. Ich
wäre dumm, wenn ich den außen vor ließe.
Die Zusammenarbeit ist als rein institutionelle gedacht?
Nein, auf keinen Fall. In der Kunst geht es immer um Menschen. Wenn man
nicht mit Menschen arbeiten will, sie einbeziehen, dann macht man keine
Kunst, dann kann man auch Brötchen verkaufen.
Es geht in der Kunst aber oft auch um Politik. In letzter Zeit hat die sich
gerne eingemischt und Stimmung gegen Intendant*innen gemacht, nicht nur in
Wuppertal, sondern auch in Berlin oder im Kontext der Ruhrtriennale. Wie
steht es um die Freiheit der Kunst?
Ich denke, wir sind in einer schwierigen Situation, insbesondere im
Hinblick auf die massiven Angriffe von rechts auf alles Internationale,
Offene, Experimentelle. Dagegen müssen sich die Kulturinstitutionen
zunehmend behaupten, diese Aufgabe müssen sie zunehmend wahrnehmen, sich
zusammenschließen und einen Diskurs führen. Dass es im Herausbilden von
Haltungen auch zu Missverständnissen kommt, ist unabwendbar. Schließlich
mussten wir uns jahrzehntelang mit solchen Fragen überhaupt nicht
beschäftigen, wir haben darin keine Erfahrung. Nun ist das anders.
Bei den Beispielen, die ich aufgezählt habe, ging es um Politik, die
zwischen den Linken und CDU angesiedelt ist.
Das waren natürlich sehr unterschiedliche Fälle. Aber wir dürfen nicht naiv
sein. Letztendlich entscheiden die Politiker; wenn wir Glück haben, sind es
Fachgremien. Und ich bin auf jeden Fall der Meinung, dass Berufungen nicht
nur Chefsache sein sollten. Dennoch müssen wir uns immer im Klaren darüber
sein, dass es, sobald Kunst institutionalisiert wird, nicht mehr nur um die
Kunst geht, sondern viele außerkünstlerische Interessen eine Rolle spielen.
Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde nachträglich aus rechtlichen
Gründen geändert.
9 Dec 2018
## LINKS
[1] /Personalwechsel-Wuppertaler-Tanztheater/!5522191
## AUTOREN
Astrid Kaminski
## TAGS
Kunstfreiheit
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